Geschrieben am 1. April 2020 von für Crimemag, CrimeMag April 2020

Ein Wutschrei von Gerhard Beckmann #Covid-19

Der 17. März 2020 – ein Dienstag – wird als ein Wendepunkt in die Geschichte der deutschen Buchbranche eingehen

Angefangen hat es in der  ersten Woche einer ganz neuen Krise für die Branche: mit einem Schock für die Verlagsauslieferungen am Montag, dem 16. März. Da hatte der schlagartige Rückgang des Bestellvolumens durch Amazon begonnen. 

Ohne Vorankündigung: Amazon listet Bücher aus

„Wenn überhaupt, kommen wir gerade mal auf ein halbes Prozent der üblichen Menge – unangemeldet, ohne Vorankündigung“, wie Prolit-GF Jochen Mende berichtet und „die Rundmail von Amazon an die Verlagskunden kam dann erst am Dienstag“, also dem 17. März.

Wie ein Amazon-Sprecher (noch später) gegenüber dem Börsenblatt erklärt, hatte die Coronavirus-Pandemie bei dem größten Online-Händler eine so erhöhte Nachfrage für „einige Produkte wie Waren für den täglichen Bedarf und medizinische Verbrauchsgüter“ verursacht, dass sie die Lager-Bevorratung überstieg. „Aus diesem Grunde“, so der Amazon-Sprecher, „priorisieren wir vorübergehend den Eingang von Waren für den täglichen Bedarf, medizinischen Gebrauchsgütern und anderen Produkten mit hoher Nachfrage in unseren Logistikzentren. Dadurch können wir diese Produkte schneller annehmen, auffüllen und an Kunden versenden.“ So hat Amazon das Ordern von Büchern quasi “ausgesetzt“ –   Bücher sind für Amazon nicht mehr so wichtig.  

“Eine Katastrophe“               

Am 20. März hat Björn Bedey – Mitglied im Sprecherkreis der IG Unabhängige Verlage – die Folgen dieser Entscheidung von Amazon für den herstellenden Buchhandel  mit dem lapidaren Satz umrissen: „Ein Verkauf von gedruckten Büchern ist de facto für viele Verlage nicht mehr möglich. Dies wird entsprechende Konsequenzen haben“ – so werden denn viele Verlage ihre Existenzgrundlage verlieren. 

Fundamental-Merkpunkt eins für Verlage: Amazon ist kein Partner, auf den man sich verlassen kann. 

Amazon verletzt den Geist, wenn nicht das Gesetz der Buchpreisbindung,

das die politische Richtlinie der Branche vorgibt: die Versorgung der Bevölkerung mit Büchern zu gewährleisten – eine Problematik, die am Ende derselben Woche ganz offen zutage getreten ist.  Mit der behördlichen Anordnung zur Schließung der stationären Buchhandlungen ist solche flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit per Gesetz als lebenswichtig geltenden Büchern nämlich nur noch mit dem Online-Handel möglich, in dem Amazon der entscheidende, größte Player ist. 

Fundamental-Merkpunkt zwei für Verlage und die Buchbranche: Man muss sich endlich klarmachen, dass Amazon kein Buchhändler, auch kein echter Online-Buchhändler ist.

Die Verlage müssen sich nun also auch eine Frage stellen, die über das rein Geschäftliche hinausgeht – inwiefern es überhaupt opportun, ratsam, vertretbar und für die Zukunft des Buches zielführend ist, mit Amazon Geschäfte zu machen.

Es ist eine Frage, die mir letztens von einem Autor, freiberuflichen Lektor und international vernetzten Kulturjournalisten nahegebracht wurde – von einem kritischen Kopf, der immer von den Rändern her denkt.

„Nun hat Amazon endlich die Hosen heruntergelassen“, sagte dieser Freund.  „Ihr Verlage dürft euch eigentlich nicht länger so diesem Internet-Turbo-Kapitalisten ausliefern“, warnte er am Telefon. „Hat Amazon überhaupt was mit Büchern am Hut? Mit Büchern ist Amazon ins Geschäft gekommen, mit Büchern ist Amazon reich geworden – aber wie viele Buchhändler hat Amazon am Ende auf dem Gewissen, weil er, wie auch Großfilialisten, von Verlagen finanziell aufgepäppelt wurde. Oder? Ihr müsst endlich Wege finden, um mit dem guten alten Buchhandel ins Reine zu kommen.  Der Corona-Virus ist eine ganz schreckliche Sache. Aber ganz nebenbei hat er immerhin auch gezeigt, was für ein schlimmer Finger Amazon ist. Ich kann nur hoffen, dass Amazon sich mit diesem Verhalten am Ende selbst ausmanövriert hat.“ 

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