Science Fiction: poetologische Versuche
CrimeMag kümmert sich traditionellerweise auch um die Nachbargenres. Hier ein Essay zur Science Fiction von Markus Pohlmeyer.
„Aufbruch
Herbstsonne liegt auf der Fensterbank,
Geruch von Rauch in der Luft;
Feuerholz ist aufgeschichtet;
Behaglichkeit.
Noch diesen Winter
werden wir die Erde verlassen;
ihr im Brüllen der Motoren,
ich auf stillere Art.“[1]
I ENZENSBERGER und der Mut zur Anarchie
Science Fiction[2], das ist Pop, das ist Postmoderne, aber auch und vor allem: Poesie. Und einen a(na)rchaischen Schritt weiter: das Buch bleibt meiner Meinung nach weiterhin immer noch die genuine Form von SF, dessen minimalistische visuelle Präsentation im Gegensatz zum Film ein Maximum an Phantasie erfordert und erlaubt. Nach Hans Magnus Enzensberger – Bescheidener Vorschlag zum Schutze der Jugend vor den Erzeugnissen der Poesie – habe nämlich ein Leser die Freiheit,
„[…] von einem Text den Gebrauch zu machen, der ihm paßt. Zu dieser Freiheit gehört es, hin- und herzublättern, ganze Passagen zu überspringen, Sätze gegen den Strich zu lesen, sie mißzuverstehen, sie umzumodeln, sie fortzuspinnen und auszuschmücken mit allen möglichen Assoziationen, Schlüsse aus dem Text zu ziehen, von denen der Text nichts weiß, sich über ihn zu ärgern, sich über ihn zu freuen, ihn zu vergessen, ihn zu plagiieren und das Buch, worin er steht, zu einem beliebigen Zeitpunkt in die Ecke zu werfen. Die Lektüre ist ein anarchischer Akt.“[3]
Auf diese Freiheit kann der Film nur eifersüchtig sein: du sollst keine anderen Medien neben mir haben! Mit Blick auf das Kino, und nicht mit Blick auf den noch in weiter Ferne liegenden DVD-Player mit Stopp-Taste und Vorwärtszurückfunktionen, formulierte Rudolf Harms (1926):
„Die Grenze zwischen wahr und unwahr, Wert und Unwert wird im Film verwischt. Im Gegensatz zur literarischen Bühne […] ist im Film kein Unterschied zwischen einer Schauspielermaske des Großindustriellen X und diesem selbst, der sich filmen läßt, festzustellen. […] Der Zuschauer ist außerstande, nach Belieben Stellen der Darstellung wie langweilige oder abstoßende Seiten eines Buches zu überschlagen, er sieht sich vor die Zwangslage gestellt, das Filmwerk pausenlos zu genießen.“[4]
Wenn ein Leser nun sein Buch weglegt, sieht er das Zimmer oder die Bibliothek, in der er sich gerade befinden mag usw. Das Kino schirmt die Außenwelt ab, besser es dunkelt sie ab. Das Universum, dieses DA-Draußen, die Möglichkeit von Transzendenz verschwindet für eine festgelegte Zeitspanne.[5] Der Film verlangt absolute Hingabe. Der Text ist nicht so eine eifersüchtige Geliebte (genderkorrekt: oder so ein eifersüchtiger Geliebter). Filmemacher (wie Literaten) sind Fiktionenarchitekten, Erfolg, Effekten, Einnahmen verpflichtet, bedienen Konsumenten. Alfred Hitchcock über Psycho: ein „[…] Gebiet, wo die Technik wichtiger ist als die Handlung. In einem Film dieser Art macht die Kamera die ganze Arbeit. […] Sie müssen Ihre Filme entwerfen, wie Shakespeare seine Stücke baute, fürs Publikum.“[6] SF-Filme sind im Medium Film selbst schon Metamorphosen – performativ, selbstreferentiell. Die Filmtechnik (von der Kamera bis zum Computer) zeigt, was sie kann, im Modus technischen Fortschritts, sie ist ihr eigene Gegenwart gewordenes Futurum. Und der Film zeigt, was ist, das heißt, was er zeigt, könnten, sollen Zuschauer für real halten, denn sie sehen es ja.
Vermutlich fordert Enzensberger mit plagiieren auch keinesfalls direkt zum Diebstahl geistigen Eigentums auf (oder doch?). Aber stehlen wir uns nicht bei jeder Lektüre von Literatur in das Leben anderer hinein und wieder hinaus? Und stehlen wir nicht – in unserem inneren Sprechen, frei nach Schleiermacher – die Zeilen und Sätze vieler Autoren, weil sie einfach besser ausdrücken konnten, was wir gefühlt, erlebt, erlitten haben? Nicht ohne Grund avancierte, teilweise mit tragischen Folgen, Goethes Werther-Roman zum biographischen Drehbuch exzessiver, eskalierender, autodestruktiver Gefühlswelten. Bisweilen können mir, dem Leser, aber auch viele Sätze vieler Bücher gestohlen bleiben, weil sie einfach schlecht sind, frech lügen oder banal unauthentisch daherkommen oder nur Kunst imitieren. Aber so ist eben mein persönlicher Geschmack. Literatur sei also Sinn und Geschmack fürs Unendliche und Schöne, wieder frei nach Schleiermacher und Platon, aber auch für wilde, ungezügelte Leseakte und Phantasieorgien, frei nach Enzensberger.
Auf jeden Fall beansprucht SF unter den moderneren Genres, ein vorzügliches Exerzitium für die Phantasie zu sein, das fasziniert und Angst generiert[7] und somit auch eine kathartische Funktion übernehmen kann – im Sinne von Aristoteles, dass nämlich das Durchleiden von Affekten, evoziert durch Fiktionen (z.B. in einer Tragödie), so etwas wie moralische Reflexionen frei setzen kann.[8] Enzensbergers anarchischer, befreiender Lese-Akt muss unter bestimmten Aspekten auch als kritische Befreiung gesehen werden (und beinhaltet somit auch ein ethisches Moment): als Widerstand gegen ideologische Vereinnahmung, die einem (wehrlosen) Text nur eine bestimmte Interpretation diktatorisch-unfehlbar bzw. totalitär-instrumentalisierend zuschreibt. Enzensberger führt z.B. seinen heroischen Kampf gegen das Interpretations(un)wesen (als eine in Kultur getarnte Form verdeckter psychischer Gewalt) in Schulen und Universitäten, das durch Lehrer, Germanisten und Ministerien an Gedichten verübt werde: „Die analoge Fähigkeit, die es erlaubt, aus einem Gedicht eine Keule zu machen, nennt man Interpretation.“[9]
Exkurs: Charles Hartshorne
So kann beispielsweise auch die Entstehung der europäischen Universität aus dem Geiste des Christentums als Versuch verstanden werden, als Moment kontinuierlicher Selbstkorrektur dieser Religion, die ideologischen Instrumentalisierungen der eigenen (institutionellen) Tradition und ein-sinnige Lesarten des Heiligen Textes kritisch, multiperspektivisch einem Vernunftdiskurs zu unterwerfen: „Classical theology was a compromise between a not-very-well-understood Greek philosophy[10] and a not-very-scholarly interpretation of sacred writings.“[11] Charles Hartshorne verweist in diesem Kontext ferner auf die gesellschaftliche Relevanz der Unfehlbarkeit sog. Heiliger Schriften oder, anders gewendet, die Folgen einer bestimmten Unfehlbarkeitsrhetorik: „To insist upon that doctrine imposes a fearful burden on our democracy.“[12] (SF wäre durchaus ein geeignetes demokratisches Genre: von pluraler, experimentierfreudiger Fehlbarkeit par exellence, das bisweilen einfach nur Spaß macht.)
ARISTOTELES und alles Mögliche
SF ist Poesie, anachronistisch und frei nach Aristoteles.[13] Das bedeutet keineswegs zwangsläufig, SF müsse gereimt oder gar in Versen verfasst sein, könnte aber, wie das anfangs zitierte Gedicht von Wolfgang Jeschke zeigt. Denn es sei nach Aristoteles nicht
„[…] Aufgabe des Dichters […] mitzuteilen, was wirklich geschehen ist, sondern vielmehr, was geschehen könnte, d. h. das nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit Mögliche. Denn der Geschichtsschreiber und der Dichter unterscheiden sich nicht dadurch voneinander, daß sich der eine in Versen und der andere in Prosa mitteilt – man könnte auch das Werk Herodots in Verse kleiden, und es wäre in Versen um nichts weniger ein Geschichtswerk als ohne Verse –; sie unterscheiden sich vielmehr dadurch, daß der eine das wirklich Geschehene mitteilt, der andere, was geschehen könnte. Daher ist die Dichtung etwas Philosophisches und Ernsthafteres als die Geschichtsschreibung; denn die Dichtung teilt das Allgemeine, die Geschichtschreibung hingegen das Besondere mit.“[14]
In der Grenzziehung zur Geschichtschreibung zeigt sich auch die Anschlussfähigkeit von Aristoteles an die Moderne, indem er den mimetischen Charakter der Kunst keinesfalls gleichsetzt mit einer möglichst nahen Nachahmung der Realität oder von Klassikern. Es komme, so Höffe, „[…] der Dichtung nicht darauf an, Oberflächenmerkmale der Wirklichkeit nachzubilden, sondern in sich stimmige Handlungsabläufe und Charaktere darzustellen.“[15] Ein SF-Roman muss also im aristotelischen Sinne nicht in Versen geschrieben sein, um als Dichtung zu gelten. Geschichtschreibung also ist Deutung des Vergangenen. Das Präteritum eines SF-Romans kann sich zwar in eine Tempusindifferenz, eine Nicht-Zeit, U-Chronie, transformieren, bleibt aber – damit wäre prinzipiell eine gewisse Nähe zur Geschichtschreibung gegeben – immer Bericht über vergangene Ereignisse einer futurischen Möglichkeit.
Und um Aristotelesʾ Terminologie weiter zu variieren: gegenüber der Vergangenheit als dem Besonderen, Abgeschlossenen und Unwiderruflichen artikuliert und reflektiert Dichtung dagegen das Allgemeine – und um noch weiter zu denken: das Offene, das Freie, die Verheißung oder Mahnung, aber vor allem: das Nicht-Unfehlbare, das Unvorhersagbare, das Veränderliche! Darum ist SF (auch) Poesie: so oder so könnten Menschen unter bestimmten Bedingungen in der Zukunft handeln. Das Poetische, nicht so sehr ein formelles Verfahren, vollzieht bei Aristoteles die Wendung hin zu einer metatemporalen, experimentellen Anthropologie (vielleicht auch schon einer narrativen Ethik). Während die Geschichtsschreibung das real Gewesene dokumentiert, interpretiert, kommentiert, öffnet sich das Poetische auch einer potentiellen Zukunft. Alle Akteure in SF sind Bilder (und im Film bewegte Bilder!), Metaphern oder Allegorien, literarische Inkarnation des einen, der vielen möglichen Menschen.
Somit kann SF im strengen Sinne auch keiner Geschichtsfälschung anheimfallen, denn es gibt ja nämlich jede mögliche Geschichte(n). SF liefert ebenso kein Wissen um die Zukunft dergestalt, dass es heute überprüfbar wäre. Alle SF-Romane sind in paradoxer Weise schon im Modus des Gewesen-Seins geschrieben (Welche Zukunft sollten sie auch imitieren?); und sie sind schon geschrieben im Modus einer Form von Realität, wenn real verstanden wird als aus dem Vorhandenen plausibel abgeleitete Möglichkeiten; sie sind aber auch geschrieben im Gestus für uns meist unerfahrbarer oder noch nicht gemachter, nur vorgestellter Erfahrungen. Unter dieser Prämisse beanspruchen SF-Romane aber einen höheren Grad an Plausibilität und Evidenz als beispielsweise Märchen – durch das Moment des Technisch-Naturwissenschaftlichen. Und doch und vor allem ist SF, mag das nun tiefsinnig sein oder offen auf der Hand liegen, Literatur:
„Weil das Imaginäre nicht konkret fassbar ist, wird es nur real im Akt des Fingierens, auf dem Wege der Inszenierung. Literatur ist der Ort, an dem die prinzipielle Unverfügbarkeit des Menschen und seine exzentrische Position in der Inszenierung ausgetragen werden können.“[16]
Natürlich war die Unverfügbarkeit des Menschen politisch, sozial und religiös immer wieder gefährdet: durch Krieg, Sklaverei oder Fundamentalismus etc. Aber SF macht auf neue Dimensionen der Gefährdung aufmerksam, die nicht nur einen globalen oder kosmischen Maßstab betreffen, sondern auch einen sehr intimen: von bestimmten medialen Totalüberwachungen (politisch und/oder ökonomisch motiviert) bis hin zu einer genetischen oder neuronalen Modellierung.
SF expliziert implizierte Zukunft der Gegenwart, die irgendwann entweder eingetretene Vergangenheit oder niemals eingetretene Vergangenheit gewesen sein wird. Im Nachhinein kann davon erzählt werden, z.B. in Form einer historischen Analyse oder einer Reflexion über technische Machbarkeit oder naturwissenschaftlicher Überprüfbarkeit. Das andere Erzählen (das mythologische bzw. mythopoetische im Gegensatz bzw. als Ergänzung zum logischen) aber ist eine Transformation in einen Erzählkosmos hinein, in dem die Phantasie frei und unabhängig durch Multiversen und Äonen wandert, jenseits von naturwissenschaftlicher Logik, die diese zwar inspirieren kann, bisweilen aber zugunsten der erzählerischen Plausibilität zurücktritt. Darum gibt es epistemologisch eine Grenze, die jede noch so ambitionierte Futorologie nie überschreiten kann:
„Die neuen Lebenswirklichkeiten (IT, Biochemie, Genetik etc.) bzw. deren unüberprüfbare Extrapolation über Jahrtausende oder Jahrhunderte bleiben immer noch an das heute sprachlich Vermittelbare gebunden. […] Ihr fiktiver Realismus ist gleichfalls ein Binnenrealismus, nach Maßgabe der »inneren« Plausibilität.“[17]
III CICERO und die scientia rerum futurarum
Technisch-naturwissenschaftlich sind bestimmte Prozesse vorhersagbar. Keplers Planetenbewegungsgesetze sagen z.B. voraus, wann wo ein bestimmter Planet stehen wird. Und diese Berechnungen funktionieren – unsere Technik, unsere Alltagswelt vertraut darauf. Alle Naturgesetze sind feststehende Zukunft, und zwar so lange, bis sie von einer möglichen Gegenwart einst widerlegt werden sollten. „»Das Innere ist uns verborgen.« – Die Zukunft ist uns verborgen. – Aber denkt der Astronom so, wenn er eine Sonnenfinsternis berechnet?“[18] Man könnte Wittgensteins Position auch folgendermaßen übersetzen: der Erfahrung eines der Beherrschbarkeit entzogenen mundus absconditus stehen der Wunsch nach, aber auch die Erfahrung von Verstehbarkeit des Kosmos entgegen. Naturwissenschaft und Magie haben hier gleichermaßen ihre Wurzeln.
„Die Zukunft ist eine Ansammlung von Ereignissen, die sich noch nicht ereignet haben, sich aber ereignen könnten, und wenn wir fest genug an eine bestimmte Methode glauben – etwa das Lesen in Tiereingeweiden, das Entschlüsseln von Sternenkonstellationen, das Deuten göttlicher Offenbarungen, das Algorithmisieren statistischer Daten –, können wir einen Blick auf das eine oder andere dieser künftigen Ereignisse werfen.“[19]
Unschwer wären hier beispielsweise zu erkennen der antike Haruspex, die in der Hermeneutik heiliger Texte versierten Priester, Brahmanen, Schriftgelehrten oder ein Astrophysiker, wie er anhand von Keplers Gesetzen die Mars-Umlaufbahn prognostiziert. In diesem Kontext soll nun ein Lektürevorschlag von Sascha Mamczak erweiternd aufgegriffen werden: “Und schließlich immer noch unverzichtbar ist Ciceros klassischer Text De divinatione: ein erhellender und überaus unterhaltsamer Bericht zur Lage der Zukunft in vorchristlichen Zeiten.”[20] Der auf zwei Bücher (und auch auf zwei verschiedene Positionen) verteilte Dialog zwischen Cicero und seinem Bruder liefert zu Beginn eine Definition von divinatio[21], die als Übersetzung des griechischen mantikή dient und verstanden wird als praesensio et scientia rerum futurarum: ein Vorher-Fühlen und Wissen zukünftiger Dinge bzw. Ereignisse.[22] Divinatio belegt Phänomene (ob Natur oder auch Texte) mit Deutungsebenen, die durch eingetretene Ereignisse bestätigt werden oder eben nicht. Das Zufällige dieses Prozesses wird in den Naturwissenschaften via Mathematik und Experiment methodisch abgesichert und universalisiert: für alle prinzipiell argumentativ nachvollziehbar, verabsolutiert im Sinne einer Loslösung von den Willkürlichkeiten der Religion oder Politik und auch mit dem Index der Prognostizierbarkeit einer beliebigen Repetition versehen (bis zum Moment einer möglichen Falsifikation).
Exkurs: De divinatione
Es folgen ausgewählte Passagen, vor allem aus dem zweiten Buch, das eine kritisch- aufklärerische Haltung präsentiert. Das Ausbleiben einer Ursachenerklärung dispensiert keineswegs das Vorhandensein eines bestimmten Phänomens, dessen Wirksamkeit aufgrund von Beobachtung und Erfahrung (und von der Tradition unterstützt) gewonnen wurde: „Du fragst, warum das alles geschieht. Sehr berechtigt – aber darum geht es im Augenblick nicht. Die Frage ist, ob es geschieht oder nicht. Es wäre, als wenn ich sagte, daß der Magnet ein Stein ist, der Eisen an sich lockt und anzieht, aber einen vernünftigen Grund, weshalb das geschieht, nicht anführen könnte und du dann den ganzen Vorgang abstrittest. Genau das tust du aber im Falle der Weisagekunst. Und die beobachten wir selbst, wir hören und lesen davon und haben sie von unseren Vätern übernommen.“[23]
Dass ein Phänomen wie Magnetismus existiert, steht außer Frage, aber das Warum bleibt ungeklärt – ist aber auch auf einer gewissen pragmatisch-funktionalen Ebene unerheblich. Wir pflegen auch heute noch zu sagen Die Sonne geht auf! Oder: das biologische Verfahren zur Reproduktion beeindruckt durch seine primitive Erhabenheit, wie viele bestätigen können, und steht in keinem Verhältnis zur Komplexität der genetischen Prozesse in den folgenden neun Monaten. Man könnte hier auch, anachronistisch, den antiken Diskussionspartnern nun leicht abhelfen mit einem Hinweis auf ein modernes Handbuch der Physik. Weit gefehlt! So muss z.B. auch heute die Frage, warum die Natur sich quantenmechanisch verhält, unbeantwortet bleiben, weil unbeantwortbar. Wie ernüchternd und fast parallel gebaut zu dem oben angeführten Zitat liest sich Richard P. Feynmans Feststellung: „Ja! Die Physik hat aufgegeben. Wir wissen nicht, wie man vorhersagen könnte, was unter vorgegebenen Umständen passieren würde, und wir glauben heute, daß es unmöglich ist – daß das einzige, was vorhergesagt werden kann, die Wahrscheinlichkeit verschiedener Ereignisse ist.“[24]
Die Sache ist auch bei Cicero nicht unkompliziert. Denn entweder herrscht Zufall oder es gibt Prädestination, aber beide Fällen machen Weisagekunst obsolet: „Nichts steht doch so in Widerspruch mit vernünftiger Berechnung und Stetigkeit wie Glück und Unglück. Daher ist es meiner Meinung nach nicht einmal einem Gott möglich, zu wissen, was durch unberechenbaren Zufall eintreten wird. Wenn er es nämlich weiß, so wird es mit Sicherheit eintreten. Wenn es aber mit Sicherheit eintritt, so ist es nicht Glück oder Unglück.“[25] Die deterministische Gegenposition wäre eine radikale Absage an jegliche Freiheit, und Begriffe wie Glück und Unglück würden ihre Bedeutung verlieren: „Denn wenn nichts geschehen, nichts vorfallen, nichts eintreffen kann, als wovon seit Ewigkeiten festgestanden hat, daß es zu einem bestimmten Zeitpunkt so sein wird – was kann es dann für Glück oder Unglück geben?“[26] Fazit: „Es ist niemals etwas geschehen, was unmöglich war; was aber möglich ist, ist kein Vorzeichen. Also gibt es überhaupt kein Vorzeichen.“[27] Cicero demonstriert zudem, wie diese hermeneutische Technik widersprüchlich und geradezu absurd, wie abhängig sie vom jeweiligen Kulturkreis oder Manipulation unterworfen ist: „Da könntest du nächstens sagen, ein Stier habe sein Gehirn eingebüßt, weil er sah, daß Caesar hirnlos genug war, den königlichen Purpur anzulegen.“[28] Und noch verschärfter: „Denn ich will doch nicht annehmen, daß du zu denen gehörst, die glauben, die Zyklopen im Ätna hätten den Blitz für Jupiter geschmiedet!
Das wäre schon ein Wunder, wie Jupiter den so oft schleudern könnte, obwohl er nur den einen hätte; und er würde den Menschen dann nicht gerade durch Blitze mitteilen, was sie seiner Ansicht nach tun oder lassen sollen.“[29] Und Cicero, engagierter Politiker, der er ist, räumt mit Ironie ein: „[…] ich [hätte] um den Staat in große Sorge geraten müssen, weil kürzlich Mäuse bei mir den ‚Staat‘ Platons angenagt haben.“[30] Und über das delphische Orakel: „[…] infolge der langen Zeit sei die Kraft des Ortes geschwunden, von dem die Erdausdünstungen aufsteigen, unter deren Einfluß die Pythia in Ekstase ihre Orakel gab. Man könnte denken, es sei von Wein und Fischsoße die Rede, deren Aroma durch langes Liegen schwindet.“[31] „Demosthenes jedenfalls […] sagte bereits damals, die Pythia ‚philippisiere‘, das heißt, sie spiele sozusagen Philipp in die Hände. Das zielte aber dahin, daß er sagen wollte, sie sei von Philipp bestochen; daraus darf man entnehmen, daß auch in anderen delphischen Orakeln etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen war.“[32]
Und an die Adresse der Götter gerichtet: „Was ist das aber für eine Gesinnung der Götter, wenn sie uns in den Träumen weder etwas anraten, was wir aus eigener Kraft verstehen, noch etwas, wofür wir einen Deuter finden können? Wenn die Götter uns etwas vorsetzen, wovon wir nichts verstehen und was uns niemand erklären kann, handeln sie so, als ob Karthager oder Spanier in unserem Senat ohne Dolmetscher reden würden.“[33] Religion (als Gegenkonzept zum Aberglauben) kann nur in der Verbindung mit Naturerkenntnis gerettet werden: „Und daß es irgendein höheres und ewiges Wesen gibt, zu dem das Menschengeschlecht bewundernd aufschauen muss, das zwingt uns die Schönheit der Welt und die Ordnung der Gestirne anzuerkennen. Deshalb muß die Religion sogar verbreitet werden, da sie mit der Erkenntnis der Natur verbunden ist.“[34] Denn alles andere wäre nur Aberglaube, der mit Angst regiert: er „[…] bedroht und bedrängt dich nämlich und verfolgt dich, wohin du dich wendest, ob du einen Seher oder ein Omen hörst, ob du opferst oder einen Vogel beobachtest […].“[35] Also: die Schau der Zukunft ist anfällig für politische Manipulation und ökonomischen Interessen.
IV URSULA K. LE GUIN und die Lüge
Die aufklärerische und sozialkritische Intention Ciceros lässt sich kurz zusammenfassen: „Das alte Wort Catos trifft die Sache ja am besten: Er sagte immer, er wundere sich, daß ein Haruspex nicht lachen müsse, wenn er einen anderen Haruspex sehe.“[36] Vielleicht ist SF darum ehrlicher als jene so absolut-fundamentalistischen Wahrheitsansprüche religiöser oder politischer Art, weil sie bewusst lügt:
„Ich spreche von Göttern, ich bin Atheist. Aber ich bin auch ein Künstler und deshalb ein Lügner. Misstrauen Sie allem, was ich sage. Ich sage die Wahrheit. Die einzige Wahrheit, die ich begreifen oder ausdrücken kann, ist – logisch definiert – eine Lüge. Psychologisch definiert – ein Symbol. Ästhetisch definiert – eine Metapher.“[37]
Theologie kann gute, menschen- und gottfreundliche Theologie sein, wenn sie sich zu einer Metapher transformiert und sich dessen methodisch immer bewusst ist. Interessanter Weise heißt ja auch das Glaubensbekenntnis auf Griechisch Symbolon. Die folgende, leicht polemische These von Ursula K. Le Guin macht das Anschlusspotential zwischen SF und biblischer Prophetie deutlich:
„Science Fiction sagt nicht vorher, sie beschreibt. Vorhersagen werden von Propheten geäußert (die das gratis tun), von Hellsehern (die für gewöhnlich ein Honorar verlangen und deshalb zu Lebzeiten angesehener sind als Propheten) und von Futorologen (die ein festes Gehalt beziehen). Vorhersagen sind die Sache der Propheten, Hellseher und Futorologen, nicht der Schriftsteller. Die Sache des Schriftstellers ist es zu lügen.“[38]
Die Nachbarschaft zur SF wäre gegeben gerade über das Verständnis von Prophetie im Alten und Neuen Testament – und dieses Verständnis kann als dialektische Gegenbewegung zur divinatio-Definition Ciceros gelten, kurz zusammengefasst: „Der Prophet sagt vollmächtig das ‚Heute Gottes‘ an […]. [Prophetie] ist also immer auch [… gegen] Verheimlichen u. Verdrängen gerichtet, [… gegen] die ‚Mächte‘, die nicht wahrhaben wollen: in der ‚Welt‘ wie in der Kirche.“[39] SF ist ein ständiger Kommentar am Rand, der dem schon geschriebenen Haupttext (die Geschichte, Politikformen, die Gesellschaft, die Religionen usw.) immer neue Sinndimensionen abgewinnt und ihn bisweilen kritisch, bewusst und prophetisch zur Wahrheit zwingt, wenn behauptet wird, die Lüge wäre die Wahrheit.
V Science Fiction und ihr langer Weg in die Gegenwart
Für SF und Religion wurde hier auf schlüssige Definitionen verzichtet Diese Unterbestimmung ermöglicht aber folgende, experimentelle com-positio: SF ist auch Religion – mit Bezug auf die These von Kropač, Meier und König, die behaupten, Religion sei kein „anthropologisches Existential“ mehr, sondern
„[…] der ‚Weltdeutungszwang‘ [… ist] als Existenzial zu fassen. […]. Dieses kann sich sowohl religiös als auch nichtreligiös als Vollzug des Selbstbewusstseins entfalten […]. Religiosität ist mithin eine Verwirklichungsform der menschlicher Existenz eingeschriebenen Bestimmung, die sie umgebende Wirklichkeit interpretieren zu müssen.“[40]
Natürlich will und kann auch nicht jeder SF-Film oder -Roman Religion sein (unbeschadet des permanenten Rückgriffs auf Mythen, Archetypen, Weltreligionen etc.). Ebenso blieb unberücksichtigt, welche ökonomischen Strategien hinter einer popkulturellen Ebene deren Oberflächendesign maßgeblich bestimmen und manipulieren. SF generiert in ihren vielfältigen Formen auch einen riesigen Markt, vielleicht in einem tieferen Sinne verstanden als eine Kraft der Phantasie, welche die Entstehung des Kapitalismus mit vorangetrieben hat – so wie auch die christliche Religion (in tragisch-paradoxer Weise):
„Vorstellungen von Zukunft scheinen zunächst durch ihre Einbindung in religiöse Deutungssysteme kollektiviert worden zu sein. […] Die Zeitvorstellungen waren durch die Wiederholung kreisförmig ablaufender Phasen […] geprägt, aber auch von der Angst, daß die Beständigkeit dieser Zyklen – ohne entsprechende rituelle Sicherungspraktiken – in Gefahr sei. Zukunft ist hier die Erwartung und Sicherung der Wiederkehr des Vergangenen als Bekanntem und Vertrautem. […] Seit der Renaissance ist die zunehmende Verlagerung der räumlichen Plazierung der Utopien von entlegenen irdischen Regionen und Inseln (>Inselutopien<) in den Weltraum (>Planetenromane<) feststellbar. Dies mag zum einen der in dieser Zeit durch Kopernikus, Galileo Galilei und Johannes Kepler populär werdenden Astronomie geschuldet sein. […] Mit dem vorläufigen Abklingen der eschatologischen Bewegungen gegen Ende des 16. Jh. wird auch der Gedanke an ein Morgen im Diesseits eindeutiger. Eine schrittweise von der kirchlichen Autorität sich lösende Naturbetrachtung führte zu der Auffassung, daß die Zukunft rational beeinflußbar und gestaltbar sei. Auch der beginnende Siegeszug kapitalistischen Wirtschaftens (zunächst im Fernhandel) mit seinen im wesentlich zeitlich-zukünftig orientierten, von der Hoffnung auf Gewinn bestimmten Operationen (Kredite, Investitionen, Zinsen, Gewinnerwartungen, Risikoabschätzung) hat zur Entwicklung und Popularisierung säkularer Auffassungen von Zukunft beigetragen.“[41]
Den vielfältigen Aspekten, Ambivalenzen und Erscheinungsformen von Religion beispielsweise über Weltdeutung über sozial-gesellschaftlichen, gewaltbereiten Missbrauch des eingebildeten Göttlichen oder bis zu Kants Versuch einer ethisch-moralischen, vernunftgestalteten Lebensführung[42] entspricht die Ambivalenz der technischen Umsetzung von Naturwissenschaft unter dem negativen Vorzeichen einer instrumentalisierten Vernunft (um ökonomischer oder militärischer Interessen willen) und dem positiven Vorzeichen, die Lebensverhältnisse der Menschheit zu verbessern. Auch Literatur und kulturelles Schaffen überhaupt sind immer der Gefahr einer ideologischen Instrumentalisierung ausgesetzt. SF ist auch Religion, und wie jede Religion eine Metapher, darum ist SF im Grunde Poesie.
„Die Voraussetzung einer originären und durchgängigen Metaphorizität vermag […] auch einsichtig zu machen, warum sowohl Wissenschaft als auch Dichtung sich nicht erschöpfen: Kraft des in der Metaphorizität aufbewahrten Innovationspotentials schrumpft Sprache nicht auf den Bereich von allseitig bereits Besprochenem und als Nichtssagendem zusammen, sondern kommen immer wieder kreative Prozesse in Gang oder werden Aussagen gewagt, die ins Unerkundete vorstoßen.“[43]
Naturwissenschaft und ihr literarischer Ableger SF haben die alten Götter nach Hause geholt: in die Gegenwart. Dieser Kosmos ist unser Zuhause. Darum soll hier am Ende das Plädoyer einer neuen kulturellen Hermeneutik christlicher Theologie stehen, das Mut macht in der Begegnung mit der Popkultur der (Post)Moderne, in der sie vieles von sich selbst wieder entdecken könnte und davon lernen könnte:
„Zunächst muss sich Theologie den religiösen Implikationen des kulturellen Mainstreams stellen. […] Solange Religion und Religiosität den tradierten Religionen zugeordnet werden, bleiben sie separierte Bereiche, die mit der tatsächlichen religiösen Sozialisation durch popkulturelle Zeugnisse wenig verknüpft sind. Erst wenn es gelingt, theologische Kulturhermeneutik als theologische und religionspädagogische Grundaufgabe in Forschung und Lehre vertieft zu verankern, können die Lernenden Religion und Religiosität als eine Wirklichkeit verstehen, die sich auch bei denen, die einer tradierten Religion fernstehen, ereignet.“[44]
Unser Gehirn, das sind hier gewiss keine neue Erkenntnisse, ist eine neuronale Maschine (ein Bio-Computer), die ständig Fiktionen generiert (und via Fiktionen über diesen Prozess reflektieren kann) – zur Orientierung in der Umwelt, zu ihrer Beherrschung, und um sie zu transzendieren, zu deuten, jenseits der Notwendigkeiten des blanken Überlebens. Diese Fiktionen können zu Modellen und Theorien, zu Meta-Erzählungen gebündelt werden, die sich bewähren als Ethica, kritisch reflektiert, oder einer naturwissenschaftlichen Überprüfung[45] standhandalten, die aber auch, katastrophal, ungeheures Elend produzieren können.[46] Ein Medium, Dauer dem ständigen Fluss der Fiktionen zu geben, ist Literatur: sie war schon immer ein virtuell-imaginärer Raum, eine virtuell-imaginäre Zeit, ein Multiversum, unabhängig davon, ob sie in mündlichen Traditionen, auf Stein oder Papyrus, in Büchern oder mittels Computern verewigt wurde. Das Verfahren bleibt, die Speicherformen variieren.
In diesem nie abschließbaren Spiel der Phantasie und des Fingierens hat SF ihren Platz: sie kreiert schöne, neue Welten: faszinierend und atemberaubend, sie kreiert aber auch andere (alien) Welten: furchterregend und bestürzend. SF stellt Fragen und führt Diskurse fort (ohne vielleicht auch gleichzeitig die entsprechenden Antworten geben zu können oder zu wollen), denen traditionelle Politik und archaische Religionen vorerst noch sprachlos gegenüber stehen, gefangen in Traditionalismus, Nationalismus, Fundamentalismus, kurz: in Machtkämpfen, Gier und Angst. SF kann den umgekehrten Weg gegenüber bestimmten politischen und religiösen Strömungen gehen, die mit Komplexitätsreduktionen vermeintliches irdisches oder jenseitiges Heil verheißen. SF generiert, ob banal oder großartig, Bilder von kosmischen Dimensionen: eine nie abschließbaren Entdeckungsreise (wunderbar!); ein je mehr verstanden, desto mehr entzogenes Universum; eine geradezu beängstigenden Verantwortung im Zuge der sich weiter entwickelnden Naturwissenschaften, die aber zu vernachlässigen fatal wäre; Abschiede von politischen und religiösen Traditionen, die irgendwann vielleicht einmal evolutionär ihren Sinn gehabt haben mögen. Ich könnte hier pathetisch, kritisch, hymnisch oder apokalyptisch beliebig fortfahren, aber um es kurz zu machen: SF ist eben nichts anderes als … Literatur.
Epilog
Ein Hauch von Melancholie und Idealismus: Wenn es eine Meta-Erzählung gibt, kann man eine Akropolis bauen, falls nicht, bleibt nur der Supermarkt:
„Die Postmoderne ordnet kulturelles Material neu – »Intertextualität« lässt sich nicht länger als direktes Zitat aus einzelnen Texten beschreiben, sondern eher als Verarbeitung ganzer (pop-)kultureller Cluster – Filme, Comics, Bücher, Videos, Musik. Man hat das richtig als »Recycling« von äußerlichen Merkmalen erkannt, weniger als substanzielle Funktionalisierung.“[47]
Markus Pohlmeyer
Markus Pohlmeyer lehrt an der Universität Flensburg (Schwerpunkte: Religionsphilosophie; Theologie und Science Fiction).
[1] W. Jeschke, in: Ders.: Der Zeiter. Erzählungen, Berlin 2006, ohne Seitenzahl.
[2] Im Weiteren abgekürzt mit SF.
[3] H. M. Enzensberger: Scharmützel und Scholien. Über Literatur, hg. v. R. Barbey, Frankfurt am Main 2009, 358.
[4] R. Harms: Philosophie des Films. Seine ästhetischen und metaphysischen Grundlagen, hg. v. B. Recki, Hamburg 2009, 167 f.
[5] Vgl. dazu auch M. Bauer: „Im Wechsel der Rollen und (moralischen Positionen), der einen Wechsel des sozialen Umfelds einschließt, spiegelt sich die Relation des Zuschauers zu den Figuren, aber auch der Umstand, dass der Zuschauer für die Dauer der Spielhandlung aus seiner Lebensbahn heraustritt und dank dieser Ekstase einer erzählte Spiel-, Wunder- und Anderswelt betritt, die als Reflexionsinstanz der Realität fungiert.“, in: Ders.: Aus dem eigenen Körper heraus- und in einen anderen hineinfahren. Immersion, Ekstase und Inkarnation im Actionthriller Face/Off, in: T. Koebner (Hg.): Ekstase, München 2012, 161-177 , hier 175.
[6] F. Truffaut: Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?, hg. v. R. Fischer, übers. v. F. Grafe u. E. Patalas, 7. Aufl., München 2012, 276.
[7] Oder schlichtweg mit einem ganz anderen Effekt: vgl. dazu die Kapitelüberschrift: „Populäre Kultur macht Spaß – Probleme der Forschung“, in: Handbuch Populäre Kultur. Begriffe, Theorien und Diskussionen, hg. v. H.-O. Hügel, Stuttgart 2003, 1.
[8] Vgl. dazu O. Höffe: Aristoteles, 3. Aufl., München 2006, 74-76.
[9] Vgl. dazu Enzensberger: Literatur (s. Anm. 3), 356.
[10] Th. Pröpper verweist exemplarisch auf die Ablösung des aristotelischen Substanzbegriffes durch einen Kantischen und die damit entstehenden Probleme in der Vermittelbarkeit der Transsubstantiationslehre unter Beibehaltung des theologischen Gehaltes; vgl. dazu Th. Pröpper: Evangelium und freie Vernunft. Konturen einer theologischen Hermeneutik. Freiburg im Breisgau – Basel – Wien 2001, 246; ebenso 245 f.: „Es geht nicht an, sich ad hoc beliebiger Denkmittel zu bedienen: so etwa die Feier der Glaubensmysterien mit platonischen, die eucharistische Präsenz Jesu Christi aber mit aristotelischen Kategorien zu konzipieren, die Einheit von Gottheit und Menschheit in ihm selbst wiederum neuchalkedonisch oder auch hegelianisch-spekulativ zu begreifen […]. Denn damit würde, da mit dem Wechsel einer Denkform auch das in ihr Gedachte sich ändert, entweder die sachliche Interferenz der behandelten Themen oder die Inkompatibilität der benutzten Denkform übersehen und in beiden Fällen die Kohärenzforderung vernünftigen Verstehens verletzt. […] Das zum Verstehen beanspruchte Denken muß vernünftig ausweisbar, also dem historisch erreichten Problem und Reflexionsstand gemäß und den zum Mitvollzug Bereiten (grundsätzlich) zugänglich sein.“
[11] C. Hartshorne: Omnipotence and Other Theological Mistakes, New York 1984, 43.
[12] Hartshorne: Omnipotence (s. Anm. 11) 43 f.
[13] Als Abgrenzung oder Ergänzung zur aristotelischen Poesie hier drei weitere Lyrik-Definitionen: „Lyrik ist also fiktionale Nachahmung von individuellen Äußerungen.“ „Lyrik […] strebt danach, Ereignis zu sein.“ Und: „[… D]ie Lyrik zeigt uns, wie Bedeutung oder eine Geschichte aus der Struktur der Wörter erst entsteht.“ Zitiert nach J. Culler: Literaturtheorie. Ein kurze Einführung, übers. v. A. Mahler, Stuttgart 2002, 110, 113 u. 114. Und mit Blick auf das letzte Zitat: „Die dichterische Sprache kann folglich nicht als Reduzierung der Sprache auf eine sog. ‚dichterische Funktion’ interpretiert werden und auch nicht als Sprache + einer sog. dichterischen Funktion. Einerseits stellt die dichterische Sprache keine Reduzierung der Sprache dar, andererseits wird eigentlich keine Funktion hinzugefügt, da die verschiedenen Möglichkeiten, die in ihr aktualisiert werden, auch schon bei der Sprache schlechthin festgestellt werden. […] Man kommt damit zum Schluß, daß die dichterische Sprache die volle Funktionalität der Sprache darstellt […].“ E. Coseriu: Thesen zum Thema ‘Sprache und Dichtung’, in: Beiträge zur Textlinguistik, hg. v. W.-D. Stempel, München 1971, 183-188, hier 184 f.
[14] Aristoteles: Poetik, gr./dt., übers. u. hg. v. M. Fuhrmann, Stuttgart 1993, 29.
[15] Höffe: Aristoteles (s. Anm. 8), 71.
[16] M. Fauser: Einführung in die Kulturwissenschaft, 3. Aufl., Darmstadt 2006, 55.
[17] T. Wörtche: Das Mörderische neben dem Leben. Ein Wegbegleiter durch die Welt der Kriminalliteratur, Libelle Verlag 2008, 166.
[18] L. Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen, in: Ders.: Tractatus logico-philosophicus u.a., in: Ders.: Werkausgabe, Bd. 1, 11. Aufl., Frankfurt a. M. 1997, 567. Ein wunderbares erzählerisches Beispiel für die Verknüpfung von Astronomie, Astrologie, Finanzen und Politik in den Gestalten Keplers und Wallensteins findet sich in L. Perutz: Nachts unter der steinernen Brücke. Roman, München 2002.
[19] S. Mamczak: Die Zukunft. Eine Einführung, München 2014, 27.
[20] Mamczak: Zukunft (s. Anm. 19), 110.
[21] Divinatio als juristischer Terminus bleibt hier unberücksichtigt.
[22] Vgl. dazu ausführlich: M. TVLLI CICERONIS DE DIVINATIONE, hg. v. A. S. Pease, Darmstadt 1963 (Text und Kommentar), 39 f. Siehe ferner auch T. Zielinski: Cicero im Wandel der Jahrhunderte, 5. Aufl., Darmstadt 1967, 50-56.
[23] Cicero: Über die Weissagekunst, in: Ders.: Werke in drei Bänden, 3. Bd., übers. v. H. Dieter u. L. Huchthausen, Weimar 1989, 5-122, hier 42.
[24] R. P. Feynman u.a.: Vorlesungen über Physik, Bd. III: Quantenmechanik, übers. v. H. Wessel, 4. Aufl., München 1999, 30.
[25] Cicero: Über die Weissagekunst (s. Anm. 23), 69.
[26] Cicero: Über die Weissagekunst (s. Anm. 23), 69.
[27] Cicero: Über die Weissagekunst (s. Anm. 23), 86.
[28] Cicero: Über die Weissagekunst (s. Anm. 23), 76.
[29] Cicero: Über die Weissagekunst (s. Anm. 23), 79.
[30] Cicero: Über die Weissagekunst (s. Anm. 23), 86.
[31] Cicero: Über die Weissagekunst (s. Anm. 23), 109.
[32] Cicero: Über die Weissagekunst (s. Anm. 23), 110.
[33] Cicero: Über die Weissagekunst (s. Anm. 23), 115.
[34] Cicero: Über die Weissagekunst (s. Anm. 23), 121.
[35] Cicero: Über die Weissagekunst (s. Anm. 23), 121.
[36] Cicero: Über die Weissagekunst (s. Anm. 23), 83.
[37] U. K. Le Guin: Vorbemerkung, in: U. K. Le Guin: Die linke Hand der Dunkelheit, übers. v. G. Stege, München 2014, 5-11, hier 9. Vgl. dazu J. Ratzinger: Einführung in das Christentum. Vorlesungen über das Apostolische Glaubensbekenntnis, München 1968, 133: Trinitätslehre „[…] ist eine Grenzaussage, eine verweisende Geste, die ins Unnennbare hinüberzeigt; […]. Jeder der großen Grundbegriffe der Trinitätslehre ist einmal verurteilt worden; sie alle sind nur durch diese Durchkreuzungen einer Verurteilung hindurch angenommen; sie gelten nur, indem sie gleichzeitig als unbrauchbar gekennzeichnet sind, um so als armseliges Gestammel – aber auch nichts mehr – zugelassen zu werden.“
[38] Le Guin: Vorbemerkung (s. Anm. 37), hier 6 f.
[39] J. Werbick: Propheten, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 8, hg. v. W. Kasper u.a., 3. Aufl., Freiburg im Breisgau 2006, 633-635 hier 634.
[40] U. Kropač – U. Meier – K. König: Elf Thesen zum Kongress, in: U. Kropač u.a. (Hrsg.): Jugend, Religion, Religiosität. Resultate, Probleme und Perspektiven der aktuellen Religiositätsforschung, Regensburg 2012, 243-256, 243.
[41] M. Nagl: Zukunft, in: Handbuch Populäre Kultur. Begriffe, Theorien und Diskussionen, hg. v. H.-O. Hügel, Stuttgart 2003, 530-539, hier 530 f.
[42] Vgl. dazu R. Koselleck: Begriffsgeschichten. Studien zur Semantik und Pragmatik der politischen und sozialen Sprache, Frankfurt am Main 2010, 360: „»Die allgemeine Einhelligkeit« aller in ihren Gewissen verbundenen autonomen Menschen sollte letztlich die Kirchen erübrigen: und zwar nicht auf Kosten der Religion, sondern gerade, um in Zukunft die wahre Religion zu verwirklichen.“
[43] K. Müller: Homiletik. Ein Handbuch für kritische Zeiten, Regensburg 1994, 88.
[44] Kropač: Thesen (s. Anm. 40), 247.
[45] Vgl. zur Schwierigkeit und Notwendigkeit von Theoriebildungen R. Penrose: Der Weg zur Wirklichkeit. Die Teilübersetzung für Seiteneinsteiger, übers. v. A. Ehlers, Heidelberg 2010, 153-218.
[46] Wie Kultur umschlagen kann in Barbarei dazu vgl. beispielsweise E. Fredsted: Bürgerliche Antibürgerlichkeit. Zur autoritären Revolte des deutschen Bildungsbürgertums, in: Leid der Worte. Panorama des literarischen Nationalsozialismus, hg. v. J. Thunecke, Bonn 1987, 3-25: „Eine zerstörerische Bewegung wie die faschistische erreicht ihren Erfolg eben nicht dadurch, daß sie allein an die destruktiven Triebe appelliert: um Anhänger zu gewinnen, muß sie auch den Schein des Idealismus bewahren, der die Anhänger von ihren eigenen edlen Motiven überzeugt und ihnen hilft, die weniger schönen zu übersehen.“ (25)
[47] Wörtche: Leben (s. Anm. 17), 165.