Geschrieben am 29. Juni 2013 von für Crimemag, Film/Fernsehen

DVD: Kommissarin Lund – Das Verbrechen III

Kommissarin Lund IIIDer Strickpulli im Düstern

– Eigentlich müssen den deutschen Fernsehverantwortlichen die Ohren klingeln, so oft bekommen sie als Antidot zu unserer TV-Tristesse die dänischen Abenteuer der „Kommissarin Lund“ um nämliche Lauscher geschlagen. Die dritte Staffel gibt es jetzt auf DVD, Anna Veronica Wutschel hat sie sich genau angesehen …

Zu Recht wird „Kommissarin Lund – Das Verbrechen“ als eine der besten Fernsehproduktionen gefeiert. Das liegt sicherlich nicht zuletzt an den intelligenten, thematisch breit gefächerten, und doch hochkonzentriert zielorientierten Drehbüchern wie auch an der überaus gewandten Inszenierung. Doch was ist eigentlich das Faszinierende an der Figur dieser so eigensinnigen Kommissarin mit dem Faible für sonderbar gemusterte Strickpullis? Sie spricht sich selten mit jemandem ab, setzt sich über Vereinbarungen mit Kollegen wie auch über Anweisungen von Vorgesetzten hinweg, sobald sie sie für sinnlos erachtet. Sarah Lund ist hart im Nehmen, ermittelt stur und lässt sich auch von den schwersten Rückschlägen niemals von ihrem Weg abbringen.

Doch selbst wenn man glaubt, solche Frauenfiguren ganz vereinzelt, immer wieder aufs Neue entdecken zu dürfen, gibt es die wilden, unbändig sich von niemandem bevormunden oder bezwingen lassenden Schwestern seit Menschengedenken in der Fiktion wie in der Realität. Zudem ist Sarah der Inbegriff sozialer Inkompetenz – auch das ist im Krimi-Ermittlergeschäft nicht wirklich neu, doch verglichen z. B. mit ihrer schwedischen Kollegin Saga Norén (vgl. „Die Brücke – Transit in den Tod“, mehr dazu hier bei CrimeMag) scheitert Lund praktisch bereits im Vorhinein bei jedem vermeintlichen Versuch, ernsthaft auf ihre Umwelt zuzugehen. Und sie leidet schweigend an ihrem zwanghaften Unvermögen, Beziehungen aufzubauen, und lässt dabei den Blick vielleicht allzu oft schwermütig ins Leere schweifen.

Keine Heiterkeit, nirgends

Erlauben andere dänische, nicht minder großartige Produktionen wie eben „Die Brücke – Transit in den Tod“ oder auch „Borgen – Gefährliche Seilschaften (hier mehr hier im CrimeMag)“ immer wieder ein humorvolles Augenzwinkern, bietet „Kommissarin Lund“ drei Staffeln, denen auch der leiseste Anflug von Heiterkeit elementar ausgetrieben wurde. Stattdessen regnet es beständig im dänisch-düsteren Lund-Kosmos, in dem der Gesellschaft der Gemeinschaftssinn komplett abhandengekommen scheint.

Zwar kann der Einzelne die Werte, die Moral, durchaus noch erkennen, doch räumt er letztlich praktisch immer dem eigenen Vorteil den Vortritt ein. Das Auslaufmodell Familie scheint längst gescheitert und die Verortung des Individuums auf grundlegender Entwurzelung zu basieren. Ein Funken Hoffnung, dauerhaftes Glück, Liebe, Erfüllung, das Gefühl von Sinn scheinen außer Reichweite und damit für das eigene Handeln faktisch belanglos. Dieses Setting von lichtloser Trostlosigkeit, das den Facettenreichtum von Realität ablehnt, um sich in einer sorgenschweren Tristesse festzusetzen, will in seiner rigorosen Absolutheit wenig überzeugen.

Sarah Lund (Sofie Gråbøl)

Sarah Lund (Sofie Gråbøl)

Die dritte und letzte Staffel der Trilogie erzählt im bekannt elegant weit gespannten Erzählbogen mit zahlreichen Strängen und falsch gelegten Spuren vor dem Hintergrund der Finanzkrise erneut von dem fatal verschlungenen Geflecht von Privatem, Politischem und Wirtschaftlichem. Zehn Tage vor den Parlamentswahlen bahnt sich für Premierminister Kamper (Olaf Johannessen) eine Krise an. Die Wiederwahl steht auf dem Spiel, als bekannt wird, dass die einflussreiche Reederei Zeeland ernsthaft überlegt, ihren Standort aus Dänemark nach Asien zu verlegen.

Sarah Lund, die sich von der Ermittlerfront an den Schreibtisch versetzen lassen will, nicht zuletzt, um sich mit ihrem sich vernachlässigt fühlenden Sohn zu versöhnen, feiert ihr 25-jähriges Dienstjubiläum, als sie zu einem zerstückelten Mordopfer im Kopenhagener Hafen gerufen wird. Zunächst scheint alles wie ein Routinefall, doch bald stößt man auf weitere Leichen, und als die Tochter des Reedereibesitzers, Emilie Zeuthen (Kaya Fjeldsted), entführt wird, offenbart sich bei den Verhandlungen mit dem Kidnapper ebenso allmählich wie mühsam, dass hier ein Einzeltäter operiert, dem weder Menschenleben noch Geld etwas zu bedeuten scheinen. Doch was ist dann zu tun, um das Leben der kleinen Emilie zu retten?

Während sich die Entführung immer stärker zum Politikum entwickelt, gerät die Polizei mehr und mehr unter Druck. Lund muss mit ihrem ehemaligen Geliebten Mathias Borch (Nikolaj Lie Kaas), der inzwischen für den dänischen Nachrichtendienst PET arbeitet, kooperieren, was selbstverständlich auf mehreren Ebenen zu Verwicklungen führt. Und während Borch ganz offensichtlich internes Wissen vor ihr geheim hält, führt der Täter Lund zu einem vor Jahren vertuschten Mordfall an einer 13-Jährigen. Hartnäckig gräbt Lund so lange, bis sie den Täter überführt hat, um dann schlussendlich vor der wohl schwersten Entscheidung ihres Lebens nicht zurückzuschrecken.

The End?

„Kommissarin Lund – Das Verbrechen“ war von der ersten Stufe der Planung an als Trilogie geplant, und auch die besten Kritiken, Traumquoten sowie internationale höchste Auszeichnungen wie z. B. die Verleihung des amerikanischen Emmy Awards oder des englischen BAFTA konnten den zuständigen Hauptautor der Serie Søren Sveistrup nicht umstimmen, doch noch in eine Verlängerung zu gehen. So muss der Zuschauer nach der dritten Staffel von Sarah Lund und ihrem Team Abschied nehmen. Und gerade das Ende der Serie wurde von Kritikern wie von den Fans überaus kontrovers diskutiert. Zumindest scheint die Hauptdarstellerin Sofie Gråbøl, die in der Verkörperung der Sarah Lund der Figur eventuell am nächsten stand, durchaus im Einklang mit dem Finale: „Es war wichtig für uns, die Story richtig zu Ende zu führen. Sveistrup entscheidet sich immer für die beste Idee“, sagt sie in einem Interview mit „The Telegraph“. Und an anderer Stelle betont Gråbøl: „… Søren Sveistrup wollte, dass sie [Sarah Lund] den höchsten Preis bezahlen muss … Das Ende mag schmerzhaft und hässlich sein, aber es bleibt der Figur treu.“

Castet til Forbrydelsen III .

Das Team von Kommissarin Lund

Remix

Gerechtigkeit, die Frage nach Verantwortung und Schuld, das Scheitern der Institutionen sowie das des Individuums sind die zentralen Themen der letzten Staffel. Stilvoll, gewohnt ideenreich und clever realisiert, lässt der dritte und letzte Teil der Serie die eigensinnige Querdenkerin Lund in einem fast klinisch depressiv erbauten Sittengemälde im Finstern ermitteln. Gemessen an den von den Machern selbst gesetzten Maßstäben ist das jedoch eher ein souverän gebastelter Remix als ein fulminanter Abschluss.

Anna Veronica Wutschel

Kommissarin Lund – Das Verbrechen III. 5 DVDs. Studio: Edel Motion. Laufzeit: 565 Minuten. Darsteller: Sofie Gråbøl,  Nikolaj Lie Kaas, Morten Suurballe u. a.  Regie: Mikkel Serup. Drehbuch: Torleif Hoppe, Michael W. Horsten, Søren Sveistrup. Kamera: Marcel Zyskind. Erscheinungstermin: 2013. Produktionsjahr: 2012. Sprache: Deutsch (Dolby Digital 5.1). 25,99 Euro. Zur deutschen Homepage der Serie. Fotos: Pressematerial.

Den Blog von Anna Veronica Wutschel finden Sie hier.

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