Geschrieben am 21. April 2012 von für Crimemag, Film/Fernsehen, Spotlight, die TV-Kritik

Spotlight: DVD: Die Brücke – Transit in den Tod

Der Mörder und die Politik

– Skandinavische Krimiserien haben eine hohe Reputation. Ziemlich oft sogar zu Recht. Ein besonderes Glanzstück ist „Die Brücke – Transit in den Tod“,  gerade noch im Fernsehen, jetzt auf DVD. Friedemann Sprenger hat sich’s angesehen.

Gleich am Anfang der ersten Episode (die fünf Teile liefen im März und April jeweils am Sonntag auf dem 22:00-Uhr-Sendeplatz des ZDF) durfte man ahnen, dass diese neue Serie wohl gut werden wird. Wie genial der Anfang wirklich war, wird allerdings erst vom Ende her so richtig verständlich …

Leichenteile

Die Leiche, die auf der großen Brücke über den Öresund liegt, ist fein säuberlich zerteilt. Ein Teil ragt nach Schweden, ein Teil nach Dänemark und hat deswegen dramaturgisch den schönen Vorteil, die beiden Protagonisten ins Spiel zu bringen: die schwedische Kommissarin Saga Norén (anbetungswürdig: Sofia Helin) und ihren dänischen Kollegen Martin Rohde (gegeben von dem wunderbaren Routinier Kim Bodnia), die fürderhin immer über die Brücke zwischen Kopenhagen und Malmö hin- und herzischen müssen.

Die Tote auf der Brücke ist, erster Gag aus dem Nichts und erstes Beispiel für die abgedrehte Komik der Serie, zusammengesetzt. Oberkörper und Unterkörper stammen von zwei verschiedenen Frauen, die eine aus der Gegenwart, die andere, die jahrelang tiefgefrorene und jüngst aufgetaute, aus der Vergangenheit. Dieses dualistische Prinzip zieht die Serie strikt durch. Zunächst ist „Die Brücke“ (den „Transit in den Tod“ sparen wir uns, weil wir wissen, dass wir nicht von Bernhard Wicki reden) eine klassische skandinavische Krimi-Serie mit allen deren Tugenden, und erfreulicherweise ohne die Untugenden, die manchmal die Nord-Serien so prätentiös wie gerade „Kommissar Winter“ oder so epigonal wie neulich „Nordlicht“ machen.

Saga Norén (Sofia Helin) und Martin Rohde (Kim Bodnia

Frauen

Noomi Rapace als Lisbeth Salander

„Die Brücke“ wartet mit brillanter Lichtregie auf, mit großer Akkuratesse des Castings (jede noch so kleine Rolle ist perfekt besetzt), vernünftigen Dialogen und einem Plot mit genügend schönen Wendungen, Drehs und Kniffen auf, comme il faut. Die leicht autistische, ultrafokussierte, sozialdebile und doch hochsensible Salga Norén ist eine Figur mit Kult-Qualitäten; eine weitere Ikone aus der ganzen Riege starker und sehr eigener Frauenfiguren – Lisbeth Salander, Kommissarin Lund und jetzt eben Salga Norén (wobei interessant wäre zu sehen, ob auch ihre sehr witzig inszenierte sexuelle Autonomie auf einen gewissen Typus von Männchen so einschüchternd wirkt, wie wir das am Beispiel Lisbeth Salander bei ein paar Kritikern mitverfolgen durften). Aber all das ist skandinavischer state of the art, inklusive der, nun ja, postimpressionistischen Musik plus Pathos-Pop …

Auch die Verschränkung von Politik und Privatem, seit Kommissarin Lund und der eher polit-thrillerhaften, nicht minder hervorragenden Serie „Borgen“ – auf Deutsch „Gefährliche Seilschaften“ –,  ist hier Thema. Allerdings haben die Serien-Konzeptionisten Måns Mårlind, Hans Rosenfeldt (zu einer CM-Rezension hier) und Björn Stein im Falle „Die Brücke“ noch eine Ebene draufgesetzt.

Daniel Ferbé (Christian Hillborg)

Politik

„Die Brücke“ reflektiert im fiktionalen Raum ein politisches Phänomen, das nicht nur in Skandinavien, sondern so ziemlich überall im Westen zu beobachten ist: Der Mörder tötet ja, so funktioniert „Die Brücke“, eine Zeit lang aus beinahe edlen Motiven (der Massenmörder  Breivik konnte noch nicht Pate gestanden haben). Spektakuläres, schon fast als benevolentes verkauftes Killen, um auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen, auf „Randgruppen“ und die Mühseligen und Beladenen. Die Presse applaudiert, springt in Gestalt des sehr gelungen gezeichneten Krawall-Journalisten Daniel Ferbé (von Christian Hillborg so verkörpert, dass wir den Typ alle kennen) auf den Sensationszug auf – zaghafte und kokettierende Sympathie für den „Wahrheitsterroristen“ (man wird ja wohl mal die Wahrheit sagen dürfen – von Sarrazin bis Grass die Standardformel einer bestimmten Denke, die dann nie etwas damit zu tun hat, wenn’s am Ende aus Prinzip blutig wird) kommt auf und niemand sieht durch diesen Nebel des angeblich polit-aktivistischen Treibens die ganz konkreten Hintergründe.

Stefan Lindberg (Magnus Krepper)

Manipulation

Deswegen stieß vermutlich auch die letzte Folge auf Unverständnis eines Publikums, das eher an Standard-Krimi gewöhnt zu sein scheint, bei dem am Ende alles so aufgeht, wie es angelegt ist. Aber „Die Brücke“ dreht manipulativ und sehr subtil solche Konstellationen um: Der Mörder handelt aus keinesfalls gemeinnützigen Motiven, sondern setzt hinter dem Mantel der Notwendigkeit von sozialem Protest resp. Engagement eigene Ziele durch: schlichte Rache. Gespiegelt werden seine Oberflächenmotive durch eine geschickte Nebenhandlung, in der ein Sozialarbeiter (dargestellt von Kommissar-Winter-Mime Magnus Krepper, hier viel überzeugender) aus guten, gar plausiblen Gründen tötet.

Der Mörder der Haupthandlung agiert in der Tat so, wie offizielle Politik agiert … Hinter den Vorwänden gehen die wahren Absichten verloren. Neoliberale Politik nennt immer andere Gründe als das, um was es geht: um Umverteilung von unten nach oben. Außenpolitik geht es offiziell um Demokratie und Menschenrecht, um Wandel durch Handel und ähnlich hehre Ziele, wo es in Wirklichkeit um Exportmärkte, Erdöl und sonst dergleichen geht – ich muss die Litanei nicht herbeten.

Eine solche Inversion zum heimlichen Thema einer immerhin doch sehr epischen Krimi-Serie zu machen, das hat etwas sehr Überzeugendes und ziemlich Ausgekochtes. Deswegen die dringende Empfehlung, das ganze Teil auf DVD noch mal genauer anzuschauen. Man findet immer noch ein paar nette Details, die auch klarmachen, wie dicht man Fernsehen knüpfen kann, wenn man nur von angeblich „objektivem“ Druck verschont bleibt, der ebenfalls oft lediglich dem Gutdünken einer Hierarchie oder der TV-Hierarchen nutzt und frommt.

Wem das aber alles zu kompliziert ist, der kann sich – und auch das ist eine Qualität – ganz einfach an einer prima Cop-Serie ohne Albernheitsquotient erfreuen.

Friedemann Sprenger

Die Brücke – Transit in den Tod. (Broen/Bron, 2011). 5 DVD-Box (5 Folgen, 565 Min incl. Bonus Material). Dänemark/Schweden plus Produktionspartner 2011. Edel: Motion 2012. 29,99 Euro. Mehr zu der Serie hier beim ZDF.

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