Geschrieben am 16. August 2014 von für Carlos, Crimemag, Kolumnen und Themen

Carlos

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DIE PULPOTRILLOGIE Teil 2

Es geht weiter, nervenzerfetzend, innovativ, schonungslos und verdammt realistisch.
Strandzeit!
Lesezeit!
Krimizeit!

Voilá!

Teil 2: Pulpo hat mehr als ein Problem

(Don Sinistre, den alle „Pulpo“ nennen, da er penetrant nach Fisch stinkt, hat im Affekt seine Frau erschossen, da diese seinen Sohn aus der Ehe mit einer weiteren Frau, die er ebenfalls erschossen hat, gezüchtigt hat. Er sucht Rat beim fetten Privatermittler Whopper.) (Hier geht’s zu Teil 1.)

„Wie alt ist dein Sohn nochmal?“
„Vierundzwanzig, warum?“ Ich bevorzugte es zu schweigen. „Gut, er hat sie auch geschlagen, hat gesagt, dass die Pasta zu lange gekocht hat …“

Pulpo war für seinen unglaublichen Geiz bekannt. Obwohl er Geld hatte, um den Vatikan zu kaufen, wenn er das nicht schon getan haben sollte, leistete er sich keine Hausangestellten. Aber auch für seinen Sohn war er bekannt. Salvatore Sinistre, gebildet wie ein Totgeborenes und von der Herzensgüte eines Nilkrokodils. Einer der sich beim Schuhebinden den Vorgang im Selbstgespräch erläutern muss und ohne zu zögern einen Vierjährigen exekutieren würde, wenn der ihm nichts von seinem Eis abgibt.

Man nannte ihn Nero.

„Wenn ich es nicht gemacht hätte“, führte Pulpo meinen Gedanken weiter, „hätte Nero es selbst gemacht, mein Nerolein“, zärtlich lächelnd schüttelte er den Kopf. „So ist es besser. Was wäre das für eine Welt, wo der Sohn die eigene Mutter erschießt. Die Stiefmutter. Trotzdem nicht gut. Nicht gut. Bei Gott! Nicht gut.“

Da ich Pulpo nicht unbedingt für den kompetentesten Gesprächspartner in Sachen Ethik hielt, wollte ich die Sache abkürzen: „Ich weiß immer noch nicht, was du von mir willst. Und ich habe Hunger!“ Das stimmte. Der Bagel hielt mich so eben noch bei Bewusstsein.

„Meine Frau war eine geborene Silicone. Hast du das vergessen, Whopper?“ In seinen Mauseäuglein schimmerten Tränen.

Ich hatte es nicht vergessen, aber ich wollte es von ihm hören. Pulpo beherrschte die gesamte Ostküste, der Silicone-Clan beherrschte den Rest, von Alaska bis zur mexikanischen Grenze. Jeder hatte bei der Ehe auf eine politische Aktion getippt, aber Pulpo hatte herumgekräht, nach wie vor seien alle Silicones schwanzlose Bastarde, aber seine Frau, die liebe er sehr. Wahrscheinlich würde er das auch jetzt noch behaupten.

„Wann hast du sie erschossen?“, fragte ich.
„Zwölf, halb eins, es ging ja um die Pasta, hätte sie die nicht schon wieder …“
„Ist gut!“, unterbrach ich ihn. „Also vor wenigen Stunden!“, wehmütig dachte ich an das Steak zu Mittag. „Sind sie schon hinter dir her?“
Pulpo breitete verzweifelt die Arme aus: „Ja! Ich konnte sie gerade noch abschütteln und hierher kommen!“
„Wer war dabei?“

Pulpo kratzte sich am Kopf, ich löffelte Instantbrühe. „Na, ich glaube Enzo die Ratte, Flavio Forza und dieser schwule Priester, der das Bein nachzieht, seit ich ihm …“
„Herrgott! Ich meine nicht deine Flucht“ Der mittlerweile rasende Hunger brachte mich fast um den Verstand. „Wer war dabei, als du deine Alte umgenietet hast?“
„Rede nicht so über meine Frau, bei der Jungfrau Maria!“, schon fuchtelte er wieder mit der Nähmschine herum, merkte aber irgendwo in seinem öden Schädel, dass das nicht so richtig glaubhaft war. „Mein Täubchen“, seufzte er. „Vielleicht hätte es wirklich gereicht, ihr in die Kniescheiben zu schießen.“
„Dann wären ihre Beine steif geworden. Wie hättest du sie dann von hinten gevögelt?“ Hunger macht mich zynisch.

Pulpo begrub sein Gesicht in den Händen: „Das wäre schon irgendwie gegangen, jetzt geht es ja gar nicht mehr. Sie ist ja noch da, aber das wäre eine Sünde. Wie sollte ich jemals meinem Schöpfer gegenübertreten, wenn ich mich an einer Leiche vergangen hätte?“
„Ich glaube, für dein Rendevouz mit Gott solltest du dir sowieso was einfallen lassen. Bring auf jeden Fall Pralinen mit und vielleicht eine Krawatte.“ Ich saugte an meinem Stempelkissen, Hunger, Hunger, Hunger.
Pulpo dachte nach, schließlich sagte er: „Keine schlechte Idee. Aber keine Krawatte, eher einen Kaschmirschal.“
„Warum keine Krawatte?“
„Naja, Whopper, Gott wird ja wohl jede Menge Krawatten haben …“
„WER WAR BEI DEM VORFALL DABEI!“, schrie ich aus Leibeskräften und versuchte meinen gepeinigten Leib zu besäntigen, indem ich ein Löschblatt aß.
Pulpo dachte nach, nahm sogar die Finger zu Hilfe. „Nur Nero“, sagte er schließlich.
Ich fand in meiner Hosentasche ein Stück Käse und etwas Kraft kehrte zurück. „Und er hat hinterher nicht zufällig telefoniert?“
„Nein, nein!“, Pulpo schüttelte energisch den Kopf. „Er hat gesagt, er geht in sein Zimmer und liest.“
„Er kann nicht lesen, Pulpo“, man merkte, dass sich Don Sinistre nicht mehr so ganz sicher war. „Vielleicht hat er die bunten Bilder angeschaut?“

Nächste Woche Teil 3: Pulpo hat mehr als ein Problem und noch eins (Hier geht’s zu Teil 1.)

Carlo Schäfer

Mehr von Carlos gibt es hier. Und zu seinem eBook Tod dreier Männer bei CulturBooks.

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