Geschrieben am 9. August 2014 von für Carlos, Crimemag

Carlos

carlos41

DIE PULPOTRILLOGIE Teil 1

Der August lodert!
Strandzeit! (Zumindest für Ba-Wüler, liebe Wiederarbeitenmüsser, HARR, HARR!)
Lesezeit!
Krimizeit!
Voilá!
Es beginnt:

Teil 1: Pulpo hat ein Problem

Ich saß in meinem Büro in Upper-Lower-Eastside West und ordnete ein paar Papiere: Rechnungen, die ich noch nicht zahlen würde, Rechnungen, die ich nie zahlen würde sowie die wöchentlichen Liebesbriefe einer durchgeknallten Mormonin namens Abigail, die ich nie beantworten würde. Außerdem aß ich ein Straußenrührei.

Es klopfte. Es war Pasquale Sinistre, den alle „Pulpo“ nannten, weil er überall seine Pfoten drin hatte, nach Fisch roch und hässlich war.

„Pulpo!“; sagte ich. „Welch hoher Besuch!“

„Ich darf doch!“, sagte er und setzte sich gegenüber von meinem Schreibtisch. Er sah gehetzt aus und war ein bisschen blass. „Nicht viel los, das Geschäft läuft nicht so, stimmt’s, Whopper? Oder geht es doch, Whopper, ich meine es reicht doch zum Leben?“ Seine wirren Reden sollten wohl eine freundliche Plauderei darstellen, dazu war er aber auch im Normalzustand kaum in der Lage, schließlich fängt man bei Gesprächen nicht an zu bluten, das machte ihn unsicher. So wie er jetzt herumfaselte, schien mir aber doch mehr dahinterzustecken.

Ja, ich heiße Whopper. Das heißt, natürlich heiße ich nicht wirklich Whopper, von Geburt heiße ich Fred Hammer III. Meine Vorfahren väterlicherseits stammten aus Deutschland und sind glücklicherweise tot. Whopper nennen mich alle, weil ich so wahnsinnig fett bin. Es macht mir nichts aus. „Reicht für die ein oder andere Mahlzeit, Pulpo, was willst du?“

„Oh ja!“, stöhnte er. „Ich habe einen Plan … Unsinn, ich habe eben keinen. Ein Problem, also ich habe ein Problem …“ Ich sah, dass der hässliche Sizilianer vor Angst schwitzte wie ein Ministrant bei einer Privataudienz, der Vergleich drängte sich auf, denn er sagte: „Man will meinen Arsch. Ich bin in Schwierigkeiten, Whopper!“

„Ich dachte, du bringst mir eine Tafel Schokolade, weil du mich letztes Jahr ersäufen wolltest?“

Er hob verzweifelt die Hände: „Herrgott Whopper, du hast da für die Apollinis gearbeitet, was hätte ich denn machen sollen! Außerdem haben wir dich ja dann doch nicht … Ich bringe die Schokolade das nächste Mal!“

Ich bot ihm eine Havanna an, er nahm sie, obwohl er schon eine Zigarette rauchte, der Mann war am Limit, dafür habe ich einen Blick. Gut, gegen die Apollinis hatte er gewonnen, aber die hielten Europa für einen Bundesstaat im Westen. „Ihr habt mich nur deshalb nicht ertränkt, weil das Gewicht nicht schwer genug war, ich war zu fett, Fett schwimmt oben, das war alles.“ Pulpo schnitt eine Grimasse, die wohl nach einer Entschuldigung aussehen sollte, sie machte ihn aber nur noch hässlicher. „Du stinkst, Pulpo“, legte ich nach. „Du stinkst nach einem ganzen verfickten Geigenkasten voll toter Fische.“ Er wurde wütend, das gefiel mir.

„Es ist eine Erbkrankheit!“, brüllte er. „Eine Stoffwechselstörung, schon mein Opa hatte die!“

„Ist schon bedauerlich, wenn man im sizilianischen Hinterland nur die eigenen Schwestern zum Vögeln hat, seid ihr deshalb ausgewandert? Inzucht macht die Gene kaputt.“ Ich sah die schiere Mordlust in seinen Augen. Aber er wollte etwas von mir. Sonst wäre er nicht gekommen. „Was kann ich für dich tun, Pulpo?“, fragte ich honigsüß. „Fass dich kurz, ich habe seit einer Stunde außer Knabberzeugs und ein wenig Ei nichts gegessen und muss mir gleich ein Brathuhn genehmigen.“

Jetzt sackte einer der mächtigsten Männer des Kartells geradezu zusammen, die Schultern hingen bis zur Stuhllehne. Er blickte zu Boden, schwieg. Ich aß getrocknetes Beef.
„Ich habe meine Frau erschossen“, sagte er schließlich.
Ich war ehrlich erstaunt. Nicht dass er seine Frau umgebracht hatte, er brachte pausenlos Leute um. Nein, dass er mit so einer Lappalie zu mir kaum, war unfassbar.
„Nun …“, sagte ich schließlich, „du musst eigentlich keine Angst vor der Polizei haben. Denn die Polizei gehört dir.“
„Das weiß ich auch. Ist schließlich nicht das erste Mal, dass ich meine Frau erschieße. Also, es ist natürlich jedes Mal eine andere!“
Ich nickte: „Die dritte genauer gesagt und die ersten beiden Male hat auch keiner aus deiner Bande …“
„Es ist eine Familie!“, unterbrach mich der Don und vergaß vor lauter Ehre kurz zu schwitzen.
„Jedenfalls hatte da niemand was dagegen“, fuhr ich fort. „Mafia und Polizei halten still, da kann eigentlich nicht mehr viel kommen, es sei denn irgendwelche Baptisten aus den Südstaaten halten dich für einen liberalen Gynäkologen.“
Dieser Satz überforderte ihn vollkommen. Er zog eine Knarre, die so groß war wie die Nähmaschine meiner tauben Tante Esther. „Ich blas dir dein schlaues Hirn raus, wenn du mir mit irgendwelchem Geschwuchtel kommst!“
„Beruhige dich, Pulpo!“ Ich bot ihm von der Dauerwurst an, ein Zipfel war noch übrig.
„Friss deine Wurst selber, du fettes Schwein“, aber er bekam sich sichtlich wieder in den Griff. Es klang schon fast versöhnlich, als er noch ergänzte: „Sag nie mehr so ein Wort wie Gringologe oder wie das hieß …“
„Was hat sie denn eigentlich gemacht?“, wechselte ich das Thema.
„Wer?“
„Na, deine Frau.“

Pulpo zuckte mit den Schultern: „Sie hat ein bisschen komisch gekuckt und so das übliche ‚oh nein, nein‘, gesagt, dann ist sie umgefallen und gestorben.“

„Nein“, jetzt wurde ich doch etwas ungeduldig, „warum hast du sie erschossen?“

Pulpo fasste sich an die Stirn. „Sie hat meinen Sohn geschlagen. Das kann nicht sein. Sie kann doch nicht mein eigenes Fleisch und Blut schlagen … Es war eine große Dummheit von mir, sagen wir, eine mittlere… ich weiß, aber sie darf meinen Sohn nicht schlagen, mein Bübchen …“

Nächste Woche Teil 2: Pulpo hat mehr als ein Problem

Carlo Schäfer

Mehr von Carlos gibt es hier. Und zu seinem eBook Tod dreier Männer bei CulturBooks.

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