Geschrieben am 1. April 2021 von für Crimemag, CrimeMag April 2021

Bodo V. Hechelhammer auf den Spuren von … „Serenade für zwei Spione“ (1965)

BR Deutschland/Italien 1965. Regie: Michael Pfleghar. Buch: Michael Pfleghar, nach dem Roman von K. H. Günther. Kamera: Ernst Wild. Musik: Francesco de Masi. Action-Szenen: Alberto Cardone. Schnitt: Margot von Schliffen. Darsteller: Hellmut Lange (John Krim), Barbara Lass (Tamara), Wolfgang Neuss (Geheimdienstchef), Dick Palmer (Cormoran), Tony Kendall (Pepino, Heidelinde Weis (Goldfasan) u. a.
Länge 87 min. Produktion: modern art film gmbh Berlin/Metheus Film Rom. Erstaufführung: 9.8.1965

Saloonartige Klaviermusik. Ein Mann mittleren Alters, dessen Brille seine Nasenspitze anvisiert, sitzt geschäftig an einem Mischpult. Er trägt Weste, ist mit einem Stift bewaffnet und in geheimnisvolle Papiere vertieft. Intensiv raucht er an einer Zigarette. Einzelne Rauchschwaden vernebeln den Raum. Der Name des Schauspielers wird nach wenigen Sekunden eingeblendet: Wolfgang Neuss. Neuss zieht einen Stecker am Mischpult, beendet damit die Musik und wendet sich direkt dem Zuschauer zu: »Fangen wir also an«. Schnitt. Doch er spricht zu einer anderen Person im Raum namens John Krim, der, zwischen zwei dunkelhaarigen Schönheiten, die natürlich ebenfalls aufgeregt rauchen, seine Fachkenntnisse über das neue Lasergewehr Zwei von sich gibt. Krim wird verkörpert durch Hellmut Lange, dessen Name wie bei allen Hauptdarstellern beim ersten Auftreten im Film eingeblendet wird.   

Es geht um ein neuartiges Lasergewehr, eine Weiterentwicklung der Waffe des Goldfingers, welches aus dem eigenen Labor gestohlen wurde. Der Verdacht besteht, dass der Agent 001, Deckname Cormoran, gespielt von Dick Palmer/Mimmo Palmara, aus der James-Bond-Schule, auf der Suche nach dem Lasergewehr in den USA übergelaufen sei. Als Drahtzieher wird ein Pepino Gonzalez, aka Tony Kendall, vermutet, welcher der Kopf der berüchtigten Pepitas-Bande in San Francisco sei. John Krim, der die Code-Nummer 006 trägt, muss sich auf den Weg nach Amerika machen, um Cormoran zu überwachen und das Lasergewehr sicherzustellen. Unmittelbar nach Krims Abgang wird der Agent 007 namens Bond hereingerufen. 

Mit dem nächsten Bild sieht man John Krim, wie er, im Trenchcoat und mit einem Aktenkoffer in der Hand, lässig auf Wasserskiern von einem Motorboot in die Bucht von San Francisco gezogen wird. Offenbar hat er die Strecke von Europa nach Amerika auf diese skurrile Art zurückgelegt, fliegt er doch ungern mit dem Flugzeug. In der italienischen Fassung wird dazu noch erklärt, dass er von Venedig aus gestartet ist.

Mit diesen Szenen beginnt Serenade für zwei Spione, eine knapp neunzigminütige deutsch-italienische Produktion aus dem Jahr 1965. John Krim erlebt in San Francisco und Las Vegas haarsträubende Abenteuer, auf der Suche nach dem Lasergewehr, seinem Kollegen Cormoran und auf der Flucht vor der Pepitas-Bande. Dabei begegnet er immer wieder zwei Frauen, bei denen sich Krim nicht sicher sein kann, ob er ihnen trauen kann oder ob sie nicht für die Gegenseite arbeiten. So trifft er zunächst auf die aufreizende Tamara (Barbara Lass), die nebenbei in einem Casino in Las Vegas arbeitet, ansonsten aber die Mitarbeiterin des Geheimdienstresidenten Percy Scott vor Ort ist. Doch der ist verschwunden. Auch aus einer weiteren Schönheit, die John Krim Goldfasan (Heidelinde Weis) tauft und die ihm erstmals im Fairmont, in seinem Hotel in San Francisco über den Weg läuft, wird er nicht schlau. Der Agent, der entsprechend dem zeittypischen Chauvinismus seinen Kolleginnen arrogant schnöselig mit einem Dauergrinsen begegnet, wird in Wahrheit zum Spielball zweier Spioninnen. 

Tamara: Sie sind John Krim, nicht wahr?
John Krim: Und Sie haben entweder das Drehbuch gelesen oder das State Department in Washington hat meinen Steckbrief veröffentlicht.
Tamara: Weder noch, aber offen gesagt, ich habe Sie nicht mehr erwartet. Ich dachte, es hätte Sie schon in San Francisco erwischt.

Die Pepitas- Bande bedroht John Krim (Hellmut Lange)

Der Film scherrt sich nicht annähernd um Realitätsnähe. Bewusst. Neben der Wasserski-Nummer von Europa nach Amerika, läuft John Krim mal schnell knapp 1.000 Kilometer durch die Wüste oder findet dort einfach ein Fahrrad, um damit gemütlich nach Las Vegas zu radeln. Später landet er dort einfach mit einem Sportflugzeug mitten auf dem Boulevard, um direkt vor dem Horseshoe Casino zu parken. In der alten Goldgräberstadt Goldfield in Nevada tanzt konsequenterweise ein Rock´n Roll-Ballett zur Unterhaltung der Gangsterbande, die mit ihren bunten Pullovern selbst eher einer Tanz-Gang ähnelt, zumal die Mitglieder bei ihrem Erscheinen stets Kastagnetten in ihren Händen klappern lassen. Dafür sprechen sie aber nicht: Klappern gehört hier eben wortwörtlich zum kriminellen Handwerk. Verfolgungen unternehmen die Pullover-Pepitas auch schon einmal unauffällig mit einem Feuerwehrlöschzug. Überhaupt ähneln deren Gangmethoden stark von Tempo, Körperhaltung und Mimik an die antanzende Brutalität der Jets aus West Side Story. Am Ende werden die Verbrecher durch eine unglaublich unrealistische Unterwasserschießerei in die Schranken gewiesen.

Tamara (Barbara Lass) im Casino

Als subtil lässt sich der Humor des Films nicht gerade bezeichnen, vielmehr erscheint dieser in Serenade für zwei Spione geradezu dadaistisch. Er zielt ohne Umwege direkt ins Schwarze, geht damit weder sparsam noch behutsam um. Goldfinger, James-Bond-Schule, 007, das Bond-Thema, ein Bond-Hotel: der Film geizt nicht mit direkten Querverweisen zum berühmtesten Filmagenten. Durch die zahlreichen Anspielungen auf Ian Flemings Spion sollte auch dem schwerfälligsten Zuschauer klar gemacht werden, in welchem Kontext sich der Agentenfilm selbst einordnen möchte. Sean Connery feierte als britischer Geheimagent seit drei Filmen ungeahnte Kinoerfolge, hatte einen wahren Hype des Genres Spionagefilm weltweit ausgelöst. Zuletzt war im September 1964 Goldfinger in die Kinos gekommen, der die Begeisterung der vorherigen Filme für das Thema nochmals toppte. Am Ende des Jahres 1965 stellten der brandneue Bond-Film Feuerball mit über elf Millionen Kinobesuchern, gefolgt von Goldfinger mit über zehn Millionen Zuschauern, die beiden erfolgreichsten Kinofilme des Jahres in Deutschland. Aber Serenade für zwei Spione rekurriert nicht ausschließlich auf 007, sondern zielt im kumpelhaften Haudrauf-Stil und seinen heute altklug erscheinenden Macho-Sprüchen ebenso auf Lemmy Caution-Filme, den ebenso wie Jerry Cotton erdachten FBI-Agenten, der seit den fünfziger Jahren erfolgreich in bereits acht Kinofilmen durch Eddie Constantine verkörpert worden war. Nicht umsonst zählt John Krim im Film Schlägereien nach »Adam Riese und Eddie Constantine«. Mit Lemmy Caution gegen Alpha 60 war der neuste Film der erfolgreichen Caution-Reihe kurz zuvor erschienen. Der auf der Berlinale 1965 ausgezeichnete Film, eine Mischung zwischen Science-Fiction und Film Noir, war grandios inszeniert vom französischen Regisseur Jean-Luc Godard. Im Mai 1965 hatte zudem mit Schüsse aus dem Geigenkasten der erste Jerry Cotton-Film mit George Nader in der Hauptrolle Premiere. Konsequenterweise phantasiert John Krim, als er gegen Filmende lebendig bis zum Hals im Wüstensand eingegraben wird und sein Ableben fürchtet, bereits passende Schlagzeilen der Presse: »Die Welt trauert um 006. BILD nimmt Abschied von John Krim. James Bond, Eddie Constantine und Jerry Cotton weinen am Grab des berühmten Geheimagenten«.[1]

John Krim mit Cormoran (Dick Palmer) in Deckung

Doch Serenade für zwei Spione hatte nie die Absicht mit seinen etablierten Vorgängern zu konkurrieren, wählte bewusst den Weg der Persiflage. Dadurch fällt der Film aus der Reihe der zahllosen Bond-Epigonen der 1960er Jahre heraus. Verantwortlich für den bewusst vollzogenen komödiantischen Ansatz war Michael Pfleghar, der Regie führte und als Co-Autor das Drehbuch entscheidend mitschrieb. Pfleghar, im Frühjahr 1965 gerade 32 Jahre alt, war bereits als Fernsehregisseur bekannt, bald schon berühmt für seine innovativen Fernsehshows, nicht zuletzt als Erfinder der Kult-Comedy-Fernsehserie Klimbim, die von 1973 bis 1979 laufen sollte. Erst 1963 hatte er sich mit Die Tote von Beverly Hills an seinen ersten Kinofilm gewagt. Produzent, sowohl von Beverly Hills als auch von der Serenade, war der damals 30-jährige Hansjürgen Pohland, Chef der Berliner modern art film gmbh; zusammen mit der italienischen Metheus Film. Ursprünglich soll auch noch ein spanischer Produzent mit an Bord gewesen sein. Michael Pfleghar hat sich dem Thema Spionagefilm auch nur angenommen, weil er die Gefahr sah, festgelegt zu werden. Es blieb der einziger Spionagefilm seiner Schaffenszeit.[2]

John Krim in Las Vegas

Während die James Bond-Filme auf Ian Flemings Romane zurückgingen, hatte Lemmy Caution seinen Ursprung in den Werken des britischen Kriminalautors Peter Cheyney. Jerry Cotton basierte auf den gleichnamigen Bastei-Krimis der fünfziger Jahre verschiedener Schreiber. Und auch bei der Romanvorlage von Serenade für zwei Spione wurde auf eine bekannte Größe des Fachs zurückgegriffen, auf den fränkischen Schriftsteller Karl-Heinz Günther. Allerdings ist kein Roman unter dem Titel veröffentlicht worden. Das Drehbuch beruhte somit auf eine nicht näher bezeichnete Romanvorlage Günthers, der seit Jahren unter Pseudonymen wie C. H. Guenther oder Bert F. Island erfolgreich Kriminalromane schrieb. Im November 1958 hatte er mit Das Attentat die Romanreihe um den Privatdetektiv Kommissar X (KX) für den Pabel-Verlag kreiert. 1965 folgte schließlich der erste Kinofilm, produziert vom Parnass-Chef Theo Maria Werner, Hans A. Pflüger und Mario Siciliano, mit Tony Kendall als Kommissar X und Brad Harris in der Rolle als Captain Tom Rowland. Kommissar X – Jagd auf Unbekannt feierte am 11. März 1966 seinen Kinostart in Deutschland. Insgesamt sollten sieben Filme der Reihe bis 1971 in die Kinos kommen. 1965 startete Karl-Heinz Günther zudem eine Taschenbuchserie um einen deutschen Geheimagenten. Von nun an erschienen monatlich Romane über Bob Urban, genannt Mister Dynamit, den besten Mann im Bundesnachrichtendienst (BND) – ein großes Porträt von Alf Mayer hier. Auch Günthers Dynamit-Stoff wurde schnell verfilmt, am Ende sogar mit Unterstützung des BND selbst. 1966 produzierte Theo Maria Werner Mister Dynamit – Morgen küsst euch der Tod, der 1967 in den Kinos prämierte.[3] Siehe CulturMag dazu hier und hier.

So stellt der Geheimagent John Krim eine Art von cineastischer Zwischenphase zwischen dem etablierten FBI-Agenten Kommissar X und dem kommenden BND-Mitarbeiter Mister Dynamit dar. Tatsächlich gab es vor 1965 bereits den Kriminal-Roman „Ein Mann mit Kanone“, in dem die Figur John Krim in Erscheinung trat. Der Roman war 1963 im Pabel-Verlag erschienen, geschrieben von Joe Amsterdam, einem weiteren Pseudonym, hinter dem sich Karl-Heinz Günther verbarg. Krim, der im Buch 1963 brutaler als im zwei Jahre späteren Film auftritt, stellt sich in Günthers Roman selbst vor:

Mein Name ist John Krim […] heute Privatdetektiv. […] 27 Jahre, unverheiratet. Früher einmal habe ich zum FBI gehört, zu diesem Verein von Hochleistungsathleten. Damals hatten sie angefangen, mich den „Greifer“ zu nennen.[4]

Doch die Romanfigur John Krim hat mit dem gleichnamigen Filmagenten nur den Namen gemeinsam. 

Basierend auf Karl-Heinz Günthers Romanvorlage schrieb Michael Pfleghar zusammen mit Klaus Munro das Drehbuch. Munro war eigentlich ein Komponist, hatte aber auch die Fernsehshow Hotel Victoria konzipiert und dazu Drehbücher verfasst. Aufgrund seines Mitwirkens spielt die Musik auch eine größere Rolle. Im Nachspann der italienischen Filmfassung werden allerdings neben Pfleghar, Alberto Cardone unter seinem Pseudonym Albert Cardiff sowie Valerie Bonomano als Drehbuchautoren genannt. Bereits bei Pfleghars erstem Kinofilm Die Tote von Beverly Hills hatte er entscheidend am Drehbuch mitgewirkt. Ausgehend von Günthers unbekannter Romanvorlage gab es aber viele Überarbeitungen des Filmstoffs, was sich auch in den bekannten Arbeitstiteln Swing für zwei SpioneSonate für zwei Spione und Es ist so schön, Spion zu sein niederschlug. Pfleghars ursprüngliche Idee 00SEX wurde am Ende nicht umgesetzt. Nicht nur die Titel, sondern auch die Drehorte änderten sich. So sollte der Film ursprünglich einmal auf dem Balkan, danach in Japan spielen, weshalb bei einer früheren Drehbuchfassung zunächst auch sämtliche Frauenrollen von Japanerinnen dargestellt werden sollten. Schließlich wurde der Westen der USA als hauptsächlicher Drehort ausgemacht. Dies hinderte Pfleghar offenbar aber nicht daran, dass ganz am Ende doch noch eine aufreizende Asiatin einen kleinen Auftritt bekommt.[5]

Nicht nur bei den Drehbuchfassungen und Drehorten gab es innerhalb der knapp halbjährigen Herstellungsgeschichte immer wieder Veränderungen. Auch das Schauspieler-Karussell drehte sich offenbar. Beispielsweise sollte ursprünglich auch Martin Held mitspielen, vermutlich den Geheimdienstchef darstellen. Die nur wenige Minuten und genau eine Szene umfassende Rolle zu Filmbeginn, spielte am Ende Wolfgang Neuss.[6]

Uwe Friedrichsen (links) und Hellmut Lange in „John Klings Abenteuer“

Die männliche Hauptrolle des Euro-Agenten John Krim übernahm Hellmut Lange. Der damals 42-jährige Berliner konnte bereits über Erfahrungen mit Krimi- und Agentenrollen vorweisen und hatte daran durchaus Gefallen gefunden, obwohl er selbst gar keine Action-Filme mochte. So stellte er im März 1958 in der ersten Folge der Fernsehserie Stahlnetz den Kommissar Mattern dar, spielte in zwei Folgen der von 1963 bis 1968 laufenden deutschen Spionageserie Die fünfte Kolonne mit und übernahm nach Serenade für zwei Spione in der 1965/66 und 1969/70 laufenden Fernsehserie John Klings Abenteuer die Rolle des Agenten John Kling. Vor allem hatte er knapp ein Jahr vor Produktionsbeginn die Hauptrolle des FBI-Agenten Claus von Dongen in dem Agentenfilm Im Nest der gelben Viper übernommen; einer deutsch-italienischen Co-Produktion von 1964, die allerdings erst 1966 in die deutschen Kinos kam. Das Drehbuch basierte auf einer Idee von Ralph Anders, der auch die Vorlage für Todesgrüße von Gamma 03 gegeben hatte, hinter dem sich möglicherweise der Weltraumpionier Jesco von Puttkamer verbarg, der als Student zumindest auch unter diesem Pseudonym Science-Fiction-Romane verfasst hatte.[7]

Den weiblichen Gegenpart als Spionin, die Rolle der mysteriösen Tamara, übernahm die knapp 25-jährige polnische Schauspielerin Barbara (Kwiatkowska-) Lass, die bereits einige Filme gedreht hatte; im Jahr zuvor etwa Rififi in Tokio. Bekannt war sie aber durch ihre erste Ehe mit Roman Polanski, mit dem sie von 1959 bis 1962 verheiratet war und durch ihre zweite Verbindung. 1963 hatte sie Karl-Heinz Böhm geheiratet, mit dem sie 1964 die gemeinsame Tochter Katharina Böhm bekam. Neben Lass spielte schließlich noch Heidelinde Weis mit, verkörperte die mysteriöse Rolle einer Spionin namens Goldfasan. Michael Pfleghar hatte mit ihr in der Hauptrolle wenige Monate zuvor bei seinem ersten Kinofilm zusammengearbeitet und war seitdem von Weis begeistert. Daher schrieb er für sie extra das Drehbuch nochmals um und eine Rolle für Heidelinde Weis hinein. In einer kleinen Rolle, immerhin im italienischen Nachspann genannt, spielte Annie Giess die Geheimdienstsekretärin zu Filmbeginn, die 007 aufrufen darf. Ilse Pagé ist ebenfalls als eine Sekretärin zu sehen, hatte jedoch keinen Text..[8]

Untertitel: Kommissar X, Die Rückkehr der reitenden Leichen

Die Rolle des Anführers der Pepitas-Bande übernahm Tony Kendall. Der italienische Schauspieler, der mit bürgerlichem Namen Luciano Stella hieß, wurde schon bald in Deutschland für die Verkörperung des Jo Walker mit den beginnenden Kommissar X-Filmen einem breiten Publikum bekannt. Als weiterer italienischen Schauspieler übernahm Mimmo Palmara aka Dick Palmer die Rolle des FBI-Agenten Cormoran, der zuvor durch seine Herkules-Rollen in den berüchtigten italienischen Sandalenfilmen in seiner ganzen Größe zur Geltung kam und Kultstatus erlangt hatte.[9]

Serenade für zwei Spione folgte mit seinem Casting einer bewährten Strategie der zeitgenössischen Spy Thriller und Exotic Adventures. Mit Hilfe bekannter Schauspieler anderer etablierter Filmzyklen sollte eine gegenseitige Referenzialität zwischen den Genres und das Verwischen der Unterschiede gefördert werden. Der eigene Film wurde durch Verweise auf andere Filme und Genres, einhergehend mit ironischen Anspielungen, aufgewertet.[10]

Am 23. Februar 1965 begannen die Dreharbeiten; mit Eastman Color und in Franscope als Breitwandfilm. Die ersten Außenaufnahmen fanden zunächst in Marbella statt, ganz in der Nähe von Málaga in Spanien. Doch die Dreharbeiten verliefen chaotisch und ohne Drehgenehmigungen. Dies war nicht untypisch für Pfleghar. Nach zwei Szenen und knapp zehn Tagen wurde abgebrochen und das Team reiste zunächst nach München zurück. Dann wurde von Ende März bis Ende April im Westen der USA gedreht, zunächst in Kalifornien in San Francisco und danach in Nevada in Las Vegas und in der nahen Wüste bzw. im Death-Valley-Nationalpark. Während in Amerika ein acht-Mann-Team vor Ort arbeitete, war die Filmcrew insgesamt größer. Neben Pfleghar, assistiert von Reinhard Hauff, war der Italiener Alberto Cardone speziell für die Action-Szenen verantwortlich, der unter seinem Pseudonym Albert Cardiff in der italienischen Kinowerbung interessanterweise allein als Regisseur auftauchen sollte. Die Kamera verantwortete Ernst Wild, dem Jürgen Jürges zur Seite stand. Daneben werden im Nachspann, gerade in der italienischen Fassung im Detail, als weitere Crewmitglieder genannt: der Kostümbildner Helmut Holger, Margot von Schlieffen, zuständig für den Schnitt und Heidi Moser für die Maske, als Produktions-Assistent Peter Genée, Axel Madsen sowie Peter Michaelis, zuständig für Fotografie. Filmarchitekt war Peter Scharff, unterstützt von Max Baur, und für die Musik zeichnete sich der bekannte Filmkomponist Francesco de Masi verantwortlich.[11]

John Krim nähert sich Goldfasan (Heidelinde Weis)
. Der Goldfasan kommt John Krim im Death-Valley zur Hilfe

            Der 1965 damals erst 34-jährige Ernst Wild erregte mit einer einfallsreichen Kameratechnik Aufmerksamkeit. So kommt es schon einmal vor, dass das Bild wackelt, ganz auf dem Kopf steht oder bedingt durch Vaseline auf der Linse den Blick verwischt. Er selbst sagte über seine Herangehensweise in Serenade für zwei Spione in einem Interview:

Ich will die Wirklichkeit zeigen, die Realität. Wenn ich beispielsweise bei Dämmerlicht durch die Straßen gehe oder mich beim Schein der Kerzen im Zimmer aufhalte, sehe ich die Gesichter der anderen Menschen ja auch nicht im gleichbleibenden Licht. […] Wenn, wie es beispielsweise bei unserem Film „Serenade für zwei Spione“ geschieht, zwei Menschen durch die Straßen gehen, laufe ich mit der Kamera vor der Brust hinterher. Die sich daraus ergebenden Verwacklungen sind realer als das saubere Bild, das entsteht, wenn die Kamera auf Schienen fährt.[12]

Zwar drehte Michael Pfleghar eine überdrehte James-Bond-Persiflage, die Hellmut Lange einfach nur »sehr witzig, sehr ironisch [und] eine schöne Arbeit« fand. Doch gerade für ihn sollte die lustige Interpretation des John Krim und die mehrwöchigen Dreharbeiten in den USA zu seiner großen persönlichen Tragödie werden. Im Frühjahr 1965, zwei Wochen vor Drehende, während Lange gerade in San Francisco noch drehte, verstarb Mitte April seine dreijähriger Sohn Jonas auf tragische Weise in seinem Haus im Widweg 7 am Rande Münchens. Wenige Meter von seinem Bauernhaus entfernt fließt die Würm, die im Frühjahr viel Wasser führte und über starke Strömungen verfügte. Sein Sohn, der Angeln gehen wollte, geriet ins kalte Wasser und starb an Herzversagen. »Das Schlimmste war, dass ich nicht dabei war«, musste Hellmut Lange später eingestehen. In einem Dokumentarfilm von 2003 erinnerte sich der Schauspieler an diese, für ihn persönlich schlimme Zeit der Trauer, zumal er in den USA zeitgleich eine Spionage-Komödie drehte: 

Das war bitter. Ich konnte auch nicht zur Beerdigung kommen, weil es Gesetz ist, dass man [nur] 48 Stunden vom Drehen befreit wird, und da hätte ich gerade einmal herüberfliegen können von San Francisco bis nach München und sofort wieder zurück. Und da hat meine Frau gesagt, »Mir ist es lieber du kommst und bleibst«, und da habe ich die 14 Tage da noch durchgestanden.[13]

Wenige Monate nachdem in den USA Serenade für zwei Spione abgedreht worden war, erlebte der Film am 19. August 1965 in den Rathaus-Lichtspielen in München seine Uraufführung. Den Filmverleih übernahm die Münchener Constantin-Film. Die BILD-Zeitung berichtete von »Pfleghars Traum von null null Sex« und von der gefeierten Premiere seines zweiten Kinofilms. Als besonderen pressewirksamen Gag gruben Barbara Lass und Heidelinde Weis auf der Theaterbühne Helmut Lange aus einem Sandhaufen aus. Michael Pfleghar selbst konnte nicht anwesend sein, da er sein Flugzeug in Tokio verpasst hatte. Für die BILD war sein Film eine gelungene, traumhaft verspielte und spritzige James-Bond-Parodie. Nach der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung wartetet der Film »mit einer Fülle von amüsanten Gags auf [… und zog] die Konkurrenz, die sich aufs Agentengewerbe spezialisiert hat, hübsch durch den Kakao«.  Und auch die Neue Ruhr Zeitung attestierte: »Alles ist ganz verrückt überdreht und das ist der Witz des Films«. Aber nicht alle Kritiken verstanden diesen speziellen Humor und zeigten sich so schmeichelhaft. Der Spiegel urteilte in seiner Ausgabe vom 1. September 1965, dass Pfleghar zwar eine Bond-Parodie geplant habe, er aber nur »eine spannungs- und witzlose Geschichte zustande« brachte. Auch der evangelische Filmbeobachter von 1965 sah in dem Film nur eine »dürftige deutsche Imitation oder Persiflage der James-Bond-Filme. Unbedeutende Einfälle [ließen] nur Langeweile anstatt des angestrebten Vergnügens aufkommen. Überflüssig«. Unabhängig von den Kritiken hatte der Film an den Kinokassen kaum eine Chance, da 1965 das Jahr der Spionageverfilmungen und die Konkurrenz einfach zu groß war. Serenade für zwei Spione wurde kein großer kommerzieller Erfolg.[14]

            Drei Monate nach der Uraufführung in Deutschland, fand die italienische Premiere am 19. November 1965 in Rom statt, wo er unter dem Titel Sinfonia per due Spie in den Kinos lief. Es sollten weitere internationale Veröffentlichungen indenfolgenden Jahren folgen. So wurde er ab dem 14. Juli 1966 als Agente Secreto 006 ½ in Portugal präsentiert oder lief in Spanien unter dem Titel 006 contra las pepitas oder als Aventuras em Las Vegas in Brasilien. In den USA kam er schließlich als Serenade for two Spies am 4. November 1966 in die Filmtheater.[15]

            In den Jahrzenten danach lief der Film nur spärlich im deutschen Fernsehen, konnte schon fast als verschollen gelten. Doch am 16. Oktober 2020 erschien schließlich erstmals Serenade für zwei Spione auf DVD, als Teil einer Michael Pfleghar-Filmedition, jedoch in einer gekürzten deutschen Kinofassung. Die italienische Version weist neben stellenweiser anderer Musik vor allem eine zusätzliche und wichtige Szene mehr auf. Gleich zu Beginn wird anhand von eingeblendeten Fotos erklärt, dass die Doppelnull-Agenten frei und ungebunden sein müssen. Eine Ehe wäre wie ein Selbstmord, weshalb sich John Krim auch davor fürchtet. Nur so ergibt es auch Sinn, dass er während des Films immer wieder Angst vor Hochzeiten hat, in Tagvisionen seine angehimmelten Partnerinnen halluzinierend im weißen Brautkleid plötzlich sieht und ganz am Ende, als er von Tamara gerettet wird, zur eigenen Hochzeit im Flugzeug wieder zurück nach Venedig fliegen muss; in einem Hochzeitsfrack gekleidet und mit einem Strick an seine Braut gefesselt. John Krim, weil seit 1965 verheiratet, meldete sich vielleicht deswegen nie wieder zum Dienst als 006 zurück.

Bodo V. Hechelhammer

Empfohlene Zitierweise:
Bodo V. Hechelhammer: Auf den Spuren von … Serenade für zwei Spione (1965), in: CulturMag/CrimeMag 4 (2021), 1.4.2021. 
Online-Ausgabe: http://www.culturmag.de/category/crimemag.


[1] Vgl. Michael Pfleghar, in: Filmmuseum München, Heft 36, 2019, S. 62; Serenade für zwei Spione, Deutsche Kinemathek.

[2] Vgl. Vorstoß ins Freie, in: Der Film-Dienst, 44 (1991), S. 17.

[3] Vgl. Bergfelder, Tim: International Adventures: German Popular Cinema and European Co-Productions in the 1960s, 2005, S. 259 f.; Distelmeyer, Jan: Mister Dynamit – Morgen küsst euch der Tod (1967), in: Fredy Bockbein trifft Mister Dynamit. Filme auf dem zweiten Blick, C. Fuchs/M. Töteberg (Hg.), Hamburg 2007, S. 181-186; Hechelhammer, Bodo: „Jedenfalls kommt der BND ganz groß rauß…“. Der Bundesnachrichtendienst und das Filmprojekt Mr. Dynamit, Berlin 2014.

[4] Vgl. Amsterdam, Joe: Ein Mann mit Kanone, Rastatt 1963, S. 4 f.

[5] Vgl. Oldenburger Nachrichten, 6. und 13.3.1965; Werbeheft, BArch FILMSG 1/15334; Pfleghar, Michel: Ich liebe die Abwechslung, in: Illustrierter Filmkurier 54 (1965), S. 3 f.; Neues Filmprogramm Wien, Nr. 4028 (1965), S. 1-4; Neu in Deutschland, in: Der Spiegel, 36 (1965), 1.9.1965, S. 94; Zeitzeugeninterview mit Heidelinde Weis, 13.3.2021.

[6] Vgl. Neu in Deutschland, in: Der Spiegel 36 (1965), 1.9.1965, S. 94.

[7] Vgl. Hellmut Lange, in: Die Bunte (1965), S. 32; Galle, Heinz J.: Populäre Unterhaltungsliteratur – Volksbücher und Heftromane. Band 1: Der Boom nach 1945, 2019, S. 102; Britton, Wesley Alan: Onscreen and Undercover: The Ultimate Book of Movie Espionage, London 2006, S. 113.

[8] Vgl. Pfleghar, Michel: Ich liebe die Abwechslung, in: Illustrierter Filmkurier 54 (1965), S. 3 f.

[9] Vgl. Francia, Enrico/Melelli, Fabio: Spionaggio, avventura, eroi moderni: tutti i filmi italiani dal 1930 a oggi, Rom 2005, S. 252.

[10] Vgl. Bergfelder, Tim: International adventures. German popular cinema and European Co-productions in the 1960s, New York 2006, S. 222; Distelmeyer, Jan: Mister Dynamit – Morgen küsst euch der Tod (1967), in: Fredy Bockbein trifft Mister Dynamit. Filme auf dem zweiten Blick, C. Fuchs/M. Töteberg (Hg.), Hamburg 2007, S. 183.

[11] Vgl. Oldenburger Nachrichten, 6. und 13.3.1965; Philips, Klaus: New German Filmmakers from Oberhausen through the 1970s, New York 1984, S. 144; Zeitzeugeninterview mit Heidelinde Weis, 13.3.2021.

[12] Vgl. Wild, Ernst: Die einfallsreiche Kamera, Illustrierter Filmkurier 54 (1965), S. 9 f.

[13] Vgl. Schauspieler Hellmut Lange ist tot, in: Die Welt, 24.1.2011.

[14] Vgl. Werbeheft, BArch FILMSG 1/15334; Filmplakat Serenade für zwei Spione mit Pressemeinungen; Pfleghar, Michel: Ich liebe die Abwechslung, in: Illustrierter Filmkurier 54 (1965), S. 3 f.; Pfleghars Traum von null null Sex, in: Bild-Zeitung, 19.8.1965; Neu in Deutschland, in: Der Spiegel 36 (1965), 1.9.1965, S. 94; Serenade für zwei Spione, in: Evangelischer Presseverband, 318 (1965); Zeitzeugeninterview mit Heidelinde Weis, 13.3.2021.

[15] Vgl. DuVal, Gary: The Nevada Filmography: Nearly 600 Works made in the State, 1897 through 2000, Jefferson 2002, S. 152.

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