Eine Hackfresse in Norwegen
– Ein bisschen untergegurgelt war „Lilyhammer“ bei uns in dem ganzen TATORT-Gehype und Getöse schon. Das ist, wie bei so vielen anderen grandiosen Dingen, die nicht in unseren Plapper- und Tüddel-Mainstream passen, leider so. Dabei ist die Serie saukomisch und richtig gut. – Auch wenn sich Lutz Göllner über die lieblose Präsentation auf Blu-ray ärgert.
Steven Van Zandt, das ist nicht nur seit ewigen Zeiten als Miami Steve der Gitarrist von Bruce Springsteens E Street Band, das war auch die schauspielerisch komplett talentlose, aber urkomische Hackfresse, die in den „Sopranos“ den Bada-Bing-Strip-Club managte und immer vergeblich versuchte, Michael Corleone zu imitieren. In der Netflix-Serie „Lilyhammer“ (die falsche Schreibweise ist durchaus Programm) kopiert Van Zandt sich nun der Einfachheit halber selber. Er spielt mit genau zwei Gesichtsausdrücken das Mafia-Mitglied Frank „The Fixer“ Tagliano, der mit seinem neuen Paten über Kreuz liegt.
Nach einem misslungenen Mordanschlag – nur Franks geliebter Terrier beißt ins Gras – verdingt sich der stets schlecht gelaunte Fixer fürs FBI als Kronzeuge. Zur Belohnung darf er sich aussuchen, wo er in Zukunft leben möchte. In seiner verwirrten Birne erinnert er sich an die Olympischen Spiele 1994: Tolles Wetter, hübsche Bienen, gute Stimmung, alles sauber, Frank will nach Lillehammer, Norwegen. Doch die Provinzstadt 180 Kilometer nördlich von Oslo entpuppt sich als verschnarchte Kühbläke. Getreu dem alten Schlingensief-Motto „Scheitern als Chance“ sieht Frank schnell die Möglichkeit, in Lillehammer zum Chef zu werden. Mit Methoden, die er in seinem alten Leben gelernt hat. Das gibt Zoff, denn die kulturellen Unterschiede zwischen dem Amerikaner, den Einheimischen und den restlichen Einwanderern, befeuern die Handlung immer wieder. Wie lässt man den Kadaver eines illegal gejagten Wolfes verschwinden? Wie „überredet“ man unbestechliche Behördenleiter zur Zusammenarbeit? Wozu ist eine ausgediente Skisprungschanze noch gut?
Saukomisch
Das ist vor allen Dingen saukomisch und wird mit Fortschreiten der Handlung immer besser. In der ersten Staffel (8 Episoden) gab es ganz ersichtlich wenig Geld, niemand glaubte an den Erfolg der Serie. Season 2 (wieder mit 8 Folgen) sieht dann nicht nur verdammt gut aus, sie hat auch nicht mehr die kleinen Durchhänger des Anfangs, und am Ende – wenn die norwegischen Bauern sogar nach New York müssen – geht alles wunderbar auf und die Anspielungen (z.B. auf Springsteen und die „Sopranos“) sind zahlreich und liebevoll. Van Zandt als Mitautor, Produzent und für die großartige Musik Verantwortlicher hat ersichtlich Spaß, die norwegischen Darsteller kennt hierzulande zwar niemand, sie sind aber durch die Bank fantastisch. In Norwegen selber ist die Serie ein veritabler Straßenfeger, eine dritte Staffel ist bereits angekündigt, diesmal sogar mit Van Zandts Boss Bruce Springsteen als Gaststar.
Allerdings ist die Art, in der die deutschen Blu-rays präsentiert werden, eine echte Frechheit. Staffel 1 hat ein paar Outtakes zu bieten, zwei nichtssagende Specials und – immerhin – ein Wendecover, Season 2 kommt als komplette Vanille-Version daher. Schlimmer noch: Die Dialoge sind im Original Englisch und Norwegisch, daraus bezieht die Serie teilweise ihren skurrilen schwarzen Humor. Die deutschen Blu-rays sind nicht nur komplett durchsynchronisiert, so dass einige Späße gar keinen Sinn mehr machen, es gibt nicht einmal die Möglichkeit sich das Original mit deutschen Untertiteln anzusehen. Vollkommen lieblos gemacht.
Lutz Göllner
Lilyhammer – Die komplette 1. Staffel.
1 Blu-ray. Studiocanal. Laufzeit: 363 Minuten. Produktionsjahr: 2011. Darsteller: Steven Van Zandt, Marian Saastad Ottesen, Trond Fausa Arvåg, Kyrre Hellum u.a. Regisseure: Simen Alsvik, Geir Henning Hopland, Lisa Marie Gamlen. Erscheinungstermin: 8. Mai 2014. Sprache: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1). Lilyhammer – Die komplette 2. Staffel. 1 Blu-ray. Studiocanal. Laufzeit: 362 Minuten. Produktionsjahr: 2013. Darsteller: Steven Van Zandt, Marian Saastad Ottesen, Trond Fausa Arvåg, Sven Nordin u.a. Regisseure: Simen Alsvik, Ole Endressen, Geir Henning Hopland. Erscheinungstermin: 10. Juli 2014. Sprache: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1).
