
Das Vaterland der finsteren Köpfe
Shpëtim Selmani
Ich mag den Menschen nicht. Er hat eine kräftige Faust.
Und diese Faust reagiert den Verstand
Nachdem vierzehn Tage lang in den Nachrichten keine Grenzkonflikte zwischen dem Kosovo und Serbien auftauchen und auch keine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für den Kosovo rausgegeben wurde, flieg ich über Stuttgart nach Pristina zu einem Literaturevent. Die Organisatorin des Internationalen Literaturfestivals REPUBLIKA V Vlora Ademi kenne ich aus dem letzten Jahr vom Poetry Festival in Saranda, Albanien.
In der Luft lese ich die Kurzfassung des Kosovokrieges und erinnere mich an die Berichterstattung und die Debatten damals in Deutschland. Dieser Jugoslawienkrieg dauerte vom 28. Februar 1998 bis zum 10. Juni 1999. Die UÇK rang mit der Armee Jugoslawiens und den Serbischen Ordnungskräften um die Macht. … Massaker, Kriegsverbrechen, Zerstörung von Kulturdenkmälern, Flüchtlingsströme … Ab 1999 griffen die NATO-Streitkräfte unter Führung der USA ein. Die Regierung um Slobodan Milosevic wurde zum Rückzug gezwungen.
Und seitdem? Keine Ahnung. Bankenkrise, Amerikanische Wahlkämpfe, französische Debatten, Brexit, Klimakrise, … wie vermutlich viele andere habe ich nur nach Westen geblickt mit dem Rücken zum Balkan, wie zum gesamten Osten. Aber jetzt bin ich da, fast. Der Taxifahrer kennt das Hotel nicht, in dem ich absteigen soll und behauptet, der Auftraggeber hätte umgebucht. Vor dem Hotel Sirius werde ich abgesetzt. Ich werde ein wenig nervös, als die mobilen Daten auf der Suche nach dem richtigen Hotel aufgebraucht sind, nehme mir ein Taxi, try and error. Vergeblich. Ich tauche nur tiefer in das Fiasko aus altneuhäßlichverfallenmodern.
Bausünden aller Stile vereinigt euch! Und mitten drin das EMERY Hotel, beste Lage, auf jeden Fall zentral, und innen glänzt der alte Plattenbau überraschenderweise up to date. Als Dichterin bin ich hart im Nehmen was Hotelzimmer betrifft, aber dieses hier ist klein und fein. Dank an das Goethe-Zentrum Pristina, an die Organisatorin Vlora Ademi und an das Social Creativity Team. Der Empfang hat keinen Stadtplan, ich keine mobilen Daten. Also Augen auf und ab zur Nationalbibliothek.
Ich mag den Menschen nicht. Er hat eine Symphatie fürs Blut.
Und diese Zuneigung ist seine Doktrin.

Die Nationalbibliothek ist der Hammer! Der Bau hat 99 Kuppeln, die nachts blau leuchten. Der Architekt ist Andrija Mutnjaković , von dem selbst wikipedia nichts weiß, 1982 ist die Bibliothek da eingezogen. Jetzt steh ich hier und kann nicht anders als Fotos und Selfies machen. Das Bauwerk ist protzhäßlich und brutalschön. Ich liebe den Klotz. Drinnen eine wirre Mischung zwischen Panthéon und Schulaula. Ich lieb es immer mehr.
Und da finde ich Vlora Ademi. Primo Shllaku, den ich ebenfalls aus Saranda kenne kommt an, umarmen, küssen, deutschenglisches Gemurmel. Primo Shlakku stammt aus einer Künstlerfamilie. Sein Vater war Theaterregisseur in Tirana, und Brecht und Weigel waren einmal bei ihnen zuhause zu Gast. Er hat mir erzählt, wie wirklich nichtschön er als kleiner Junge Frau Weigel fand, aber sie hat sich gleich seiner angenommen und sich um ihn gekümmert … Primo Shlakku ist Professor an der Universität von Tirana und ein Dichter, ein verehrter Maestro. Keiner aus dem politischen Widerstand gegen das abgeschottete kommunistische Systems Enver Hoxha. Shllakus Gedichte entstanden im inneren Exil, sie sind geprägt von Abkehr, Stille, Verzweiflung und dem Willen, der Verzweiflung nicht zu erliegen.
Stühle und Technik werden aufgebaut, immer mehr Dichter, Zuhörer treffen ein. Astrit Stafai spielt sich ein. Meli Qena, die Schauspielerin, mit der kräftigen dunklen Stimme einer Krähe grüßt und scherzt. Anvi Dalipi der charmante Schauspieler, der abwechselnd mit Qena die Gedichte der DichterInnen liest, nimmt Platz, die Moderatorin das Wort und schon ist das Festival im Gange. Die Ballerina Altina Basha tanzt eine zeitgenössische Choreographie. Qena und Dalipi lesen abwechselnd ein Gedicht desjenigen oder derjenigen, die dann selbst ein Gedicht vorträgt. Im Hintergrund improvisiert Astrit Stafai. Vor den abstrakten Fotos von Fahredin Spahija performt Dalila Hiaouli ihr Gedicht auf Arabisch, guttural, laut dann wieder flüsternd fast singend.
Das Ende: abrupt, alle stehen rum, reden, der Kulturattaché der deutschen Botschaft, Nertila Furruki und Avjosa Avdyli vom Goethe-Zentrum geben mir ihre Visitenkarten. Wir verabreden uns auf einen Kaffee. Ich tausche Kontaktedaten aus. So viel Kaffee kann ich gar nicht trinken gehen … gehen wir erst mal was essen. Ist das Haus in das Restaurant eingebaut oder das Restaurant in das Haus. Ich bin froh. Nicht an der anderen Seite der Tafel zu sitzen, wo besorgte Tischnachbarn Curtis Bauer, dem Dichter aus Texas, der in Spanien an einer Uni Übersetzung und Creatives Schreiben lehrt, alle Gemüsebeilagen ungefragt auf seinen Teller schaufeln, nachdem er sich als Vegetarier geoutet hat. Die Decke über ihm hängt verdammt durch. Das sieht nicht gut aus. Nach der Vorspeise bin ich satt, Zigarettenschwaden lullen mich ein, nach dem ersten Bier bin ich hinüber, es war ein langer Tag.
Ich mag den Menschen nicht. Er hat mit der Bombe gevögelt.
Und dann göttliches Wasser aus den Augen der Opfer getrunken.
Ich such das Goethe-Zentrum. Blöd ohne Navi. Nebenbei stelle ich fest, es gibt Bushaltestellen, aber keine Fahrpläne. Ich frage. Nein. Auch nicht online. Aber Busfahren sei billig. Man zahlt bar im Bus. Aber es gibt keine Fahrpläne. Das ist mal ein ausgeklügeltes System. Wäre was für die BVG.
Nach und nach finde ich alles: das Goethezentrum, den Weg zurück zum Hotel, die besten Cafés: Soma Book Station und das Dit‘ e Nat‘ ein paar Meter weiter, Buchläden. Stehe im BUZUKU, hmmm Agatha Christie, John Grisham, wenigsten kein Fitzek, keine Donna Leon, kein Mankell. „Gibt es Kosovarische Kriminalliteratur?“ „Nein.“ „Thriller?“ „Nein.“ Wenn ich schon mal beim Fragen bin „Kosovarische Comics?“ „Nein.“ Graphic Novels?“ „Nein.“ Der Kulturattaché meint, hier wird nicht viel gelesen. Was ich erlebe ist die Blase. Er unterstreicht seine Position: „Es gibt nicht mal mehr eine nationale Tageszeitung, nicht mal so was wie die BILD, gibt’s nicht.“ (Was es noch gibt ist das Hochhaus, in dem früher die Redaktion der kosovarischen Tageszeitung untergebracht war.) Berichterstattung sei hier die Wiedergabe dessen, was gesagt wurde, es wird nicht kritisch hinterfragt, sondern notiert und wiedergegeben. Wenn einer was sagt, wird es stimmen.
1,9 Millionen Einwohner hat das kleine umstrittene Land, etwa 170.000 Kosovaren leben in Deutschland und etwa 100.000 in anderen EU-Mitgliedsstaaten. Ich schlage vor, die Kriminalliteratur hier her zu holen.
Ich mag den Menschen nicht. Er hat seine Krallen in den schweißigen Hals
der Liebe geschlagen und dann auf sie gepisst.
Auf meinen Wanderungen durch die City begleiten mich oft Straßenhunde. Sie lungern friedlich rum, haben ihr eigenes Ding am Laufen. Sie sind im Ohr gechipt. Vielleicht ist es wie auf Mauritius, wo sich die Hunde einen schönen Tag machen und abends zu ihren Besitzern tummeln, um gefüttert zu werden. Aber Vlora Konushevc meint, nein. Hier in der Innenstadt sind die Hunde harmlos, weiter draußen, wo die meisten Leute leben, sind sie es nicht. Ihr Sohn wurde von einem Hund gebissen. Das passiert oft. Die sind auch nicht alle kastriert, obwohl der Chip im Ohr das suggeriert. Die Kommune zahlt Geld dafür. Letztens hat sie eine schwangere Hündin gesehen, die eine Kastrationsnarbe hatte. Wie kann das sein? Ich denke, das hat nichts mit Religion zu tun, sondern mit Geld. Da sind wir uns einig. Gesetze wie Rauchverbote in Restaurants sind das eine, Pristina ist etwas ganz anderes.
Mittlerweile habe ich gemerkt, alles ist hier 5 bis 10 Minuten entfernt oder 1 bis 2 Stunden mit dem Bus, muss man bloß jemanden finden, der wirklich weiß, wann der fährt. Alle helfen gern und entschlossen schickt man mich zu oft in falsche Richtungen. Besser Augen auf und im Hotel maps.me runterladen.
Ich mag den Menschen nicht. Seiner Träume wegen wird er zum verlängerten Arm des Teufels. Und zur Hand, die nicht gereicht wird.

Ich treffe Shpëtim Selmani um 19 Uhr an der blau erleuchteten Nationalbibliothek und wir gehen ins Cafe Soma. Der Kaffee ist klasse, die Musik gut, nicht zu laut, der Service 1a, das Ambiente sehr schön, eine Bücherwand, bequeme Sessel, hier fehlen die berühmten letzten 20 % nicht, finde ich. Im Soma trinken die Soldaten der KFOR, StudentInnen, SchriftstellerInnen und solche, die es werden wollen. Es ist voll. Wir kriegen den kleine Personaltisch. Wir reden Englisch. Mein Englisch ist stets das schlechtere, mit wem ich mich auch unterhalte. Was solls, wir verstehen uns, richtig gut.
Ich hatte ein paar Leute aus dem Kosovo auf Facebook gefragt, ob sie mit mir Kaffee trinken gehen würden. Ich bin so alt, ich kann das gut. Es war ein Sternstundengespräch, manchmal passt es einfach. Wir sind später umgezogen, ein paar Meter weiter ins Dit‘ e Nat‘, etwas luftiger, mehr Bücher, jüngere Leute und wieder fantastischer Kaffee. Wir reden und reden. Kafu stürmt den Laden mit einem breiten Grinsen, die Freunde umarmen sich. Kafu ist Musiker, er erzählt von einem neuen Ort den er für seine Band Gypsy Groove aufgetan hat. Hier ist es bis ins Letzte unkorrekt, Bandnamen inbegriffen. Später im Hotelzimmer such ich die Band Gypsy Groove „Balkan Mania“ schlägt voll ins Herz.

Genau wie Shpëtim Geschenk „Das Notizbuch der Liebe“ auf dt. 2021 in der Parasitenpresse erschienen. 2004 erschien im gleichen Verlag mein Bändchen „pandoras box“. Adrian Kassnitz, dem Kölner Verleger, müssten die Ohren klingeln. Die Welt ist ein Dorf. Auf dem Rückflug, über den Wolken, lese ich das Buch durch. Der beste Ort im Nirgendwo dein Buch zu lesen, schreibe ich Shpëtim. Von Seite zu Seite tauche ich tiefer ein. Wovon handelt es, wovon nicht. Es gibt Notizen zu den „Deutschen“ zu „Leipzig“ zu David Bowie und Döner Kebab“ zu „Tito, der Sohn und der Heilige Geist“. Schönes Ding zu Recht mit einem Literaturpreis der Europäischen Union ausgezeichnet. Ich will nicht spoilern, lohnt sich selbst zu lesen.
Ich mag den Menschen nicht. Er argumentiert ehrlos.
Und ehrlos wird er vom Bösen fett.

Am nächsten Tag bin ich mit Latif Mustafa verabredet, ich grüße ihn von Shpëtim. Latif Mustafa ist Theaterkritiker und schreibt Drehbücher. Als hätten wir uns lange nicht gesehen und würden das letzte Gespräch einfach fortsetzen, so fühlt es sich an. Auf welchen Busch wir auch klopfen, so abgelegen das Thema sein mag, die Haltung des anderen, ist vertraut oder zumindest haltbar. Die Sonne scheint, die Überdosis Koffein wirkt. Übrigens nachts ist es in Pristina bitterkalt, morgens liegen die Temperaturen immer noch unter Null, aber jetzt am Nachmittag sitzen wir ohne Jacke im Café. Wir genießen die Wärme und wieder muss ich mit meinem grottigen DDR-Schulenglisch auskommen. Wen interessieren hier meine letzten fehlenden 20 %? Irgendwann muss ich los, bin mit Curtis Bauer und Vlora Konushevc im Café Union verabredet. Diesmal Wein und fantastischen Schokoladenkuchen aus dem die warme Schokolade wie Lava strömt, fett, süß, köstlich. Der Kosovarische Wein ist fruchtig, trocken und leicht.

Vlora Konushevc hat in der Anthologie MAGMA albanisch-sprachige Autorinnen versammelt und ins Englische übertragen. Ihr Vater war Übersetzer und obwohl sie selbst noch nie in einem Englischsprachigen Land war, ist ihr Englisch fantastisch. Sie erzählt, dass jetzt die Kinder in den Kindergärten alle mit Englisch aufwachsen. Ich merke, dass auch viele Deutsch sprechen: im Taxi, im Hotel, im Café. Viele Kosovaren zieht es nach Deutschland. Und in den nächsten Jahren wird es sicher einen Brain-Drain geben. Wie alle reichen Länder lindert Deutschland seine Probleme auf Kosten schwächerer Staaten, hier ausgebildete ÄrztInnen und Pflegekräfte werden aus dem Land gesaugt. Und so macht es Österreich und die Schweiz erst recht. Und ich kann jeden verstehen, der gehen will. Mein Blick auf diese quirlige Stadt ist romantisierend. Für die Leute hier ist das Leben schwer. Alles stagniert. Es gibt keine Lösung für die Probleme auf dem Balkan. Die Machtverhältnisse sind zu komplex, die Bestrebungen zu diametral, die Wunden zu tief.
Ich mag den Menschen nicht. Er lebt um gegen den anderen zu sein.
Er begeistert sich für Nägel.
Für das Kreuz und tausend Nöte.

Auf dem zentralen Platz haust das Alte Grandhotel Pristina. Untenrum verwahrlost, Straßenhunde liegen schlafend vor dem vermüllten Eingang, die Dachterrasse ist geschlossen, Titos Zimmer nicht zu besichtigen, das Gebäude ist teilweise gesperrt. Wer Abenteuer sucht und hier bucht, findet schon mal Zigarettenkippen auf dem Teppich, wenn er das Zimmer bezieht, und das Ganze zu gehobenen Preisen, also auf jeden Fall zu teuer. Warmes Wasser gibts nicht immer vor dem mauen Frühstück.
Mit der MANIFESTA 14, der Europäischen Biennale für zeitgenössische Kunst, hat Hedwig Fijen, Direktorin der Manifesta-Stiftung, 2022 Leben in das alte Grandhotel zurückgeholt. Erbaut wurde das sozialistische Prachtstück von 1974 und 1978 von den Architekten: Bashkim Fehmiu, Dragan Kovačević und Miša Jevremović. Auf etwa 32.000 m2 und 13 Etagen verteilen sich 350 Zimmer unterschiedlicher Größe. Heute befinden sich Fitness- und Nachtclubs im Hotel, Unternehmenssitze und noch etwa 1% der Zimmer werden vermietet. Die Manifesta belebte das Hotel, hier wurden Ausstellungen gezeigt, Lesungen organisiert und Konzerte gegeben, offene Ateliers eingerichtet und temporär Cafés, Loungen, Terrassen mit Panoramablick eröffnet. Außerdem standen den Teilnehmenden die Hotelzimmer zum Übernachten zur Verfügung.
Jetzt lottert das Grand Hotel wieder vor sich hin.
Ich mag den Menschen nicht. Er glaubt an den Frieden, während
das Maschinengewehr still unter seinem Bett ruht.
Mineralien, Artefakte, Münzen werden im KOSOVO Museum ausgestellt und auch eine Menge Gewehre und der Hut von Madeleine Albright. 1889 wurde das Haus im österreichisch-ungarischen Stil für militärische Zwecke errichtet. Zwei Säle werden für Schausammlungen und einer für Sonderausstellungen genutzt. Im dritten Stock des Gebäudes befindet sich das Archäologische Institut des Kosovo. Es gibt keine Kassen, kein Aussichtspersonal, die Türen stehen weit offen, Schulklassen lärmen, ich strolche durch die Räume. Räume voller Waffenschränke der UCK, die Uniformen der Befreiungsarmee, das Motorrad des Kommandanten Adem Jashiri und in den Ecken steht schwereres Gerät. Auf Texte wurde weitgehend verzichtet, mitunter liegt ein Zettel dabei, der Auskunft gibt. Herausforderungen, wohin man schaut.
Ich mag den Menschen nicht. Er zerstört die Funktionen.
Er demaskiert die Mittel. Und missbraucht den Zweck.
Vom Museum treibe ich über den Markt, wo die Bauern aus der Umgebung Obst und Gemüse anbieten. Es gibt Eiermänner und Trachtenstände, Gewürze, vielerlei Nüsse, Gestricktes, Genähtes, Zeug aus Holz, Garne, Haushaltswaren und Designer-Fakes wie wohl auf den meisten Märkten, nicht nur im Kosovo. Wenige Leute schieben sich durch enge Gänge, ist nicht gerad schön hier, ob‘s billig ist, weiß ich nicht. An den Markt schließt sich eine lustige Ladenstraße an, linker Hand nur Juweliere, rechts ein Laden neben dem anderen für Haute Couture, Bröckel & Chanel, hier geht alles, bloß nicht graue Haare. Manchmal starren Passanten meine grauen Haare an.
Letzter Tag: letztes blind date ist ein NATO-Brigadegeneral, der sich für Lyrik interessiert. Und wie alle Treffen zuvor wird auch dieses einen Platz in meinem Herzen finden. Wir reden und reden, tauschen Bücher aus und Adressen und vereinbaren den nächsten Kaffee in Berlin zu trinken. Sein Geschenk „Ich sattle das Ross den Tod“ von Ali Podrimja. 1991 bei Wieser Verlag Klagenfurt-Salzburg erschienen, lese ich in kleinen Dosen. Schwermut und Pathos vereinein sich in der Sprache Podrimjas, eines der wichtigsten zeitgenössischen Lyriker des Kosovo. Geboren am 28. August 1942 in Đakovica, gestorben irgendwann zwischen dem 18. und 21. Juli 2012 bei Lodève, Frankreich unter ungeklärten Umständen. Seine Leiche wurde am 22.07.2012 in einem Waldgebiet vier Kilometer außerhalb der südfranzösischen Stadt aufgefunden, in der der 70jährige Dichter am Poeten-Festival „Voix de la Méditerranée“ teilgenommen hatte.

Es gäbe noch viel zu erzählen, über die Vorliebe der EinwohnerInnen Pristinas für Berliner Döner, über eine BAR, die tatsächlich COÑO heißt, was im Albanischen eine andere Bedeutung hat, über die vielen Filmfestivals, über die Sehnsucht zu Europa zu gehören …
In Pristina bläst das Kraftwerk ordentlich Dreck in die Luft und das rieche ich nicht nur in den Straßen und auf den Plätzen, auch im Hotel, die Klimaanlage des Hotels versorgt mich vollumfänglich mit Monoxidodeur. Trotzdem will ich sehr bald wiederkommen.

DAS NÄCHSTE MAL IM KOSOVO stehen Pristina, Prziren und Peja auf meinem Programm und wenn ich mir was wünschen dürfte, ein Konzert von Kafu mit seiner Band Gypsy Groove und viele Tassen Kaffee mit Shpëtim, Latif und Vlora.
(und so endet das Gedicht von Shpëtim Selmani)
Ich mag den Menschen nicht. Er hat ein finsteres Gesicht.
Wie eine Nacht die der Gnade der Traurigkeit überlassen wird.
Ich mag den Menschen nicht. Er beneidet eine Kreatur,
die Kinder frisst. Und streicht sich dann den Bauch.
Ich mag den Menschen nicht. Er füttert die Gerechtigkeit
Mit verdorbener Milch der Masse.
Ich mag den Menschen nicht. Sein Messer wurde gefunden
Hineingestoßen in den Schlund des Schicksals.
Ich mag den Menschen nicht. Er hat einen wilden Blick.
Gerötete Augen. Und die Gestalt einer Kugel.
Ich mag den Menschen nicht.
Das letzte politische Arschloch.