Geschrieben am 1. September 2019 von für Crimemag, CrimeMag September 2019

Andreas Pflüger & Bernhard Sabel

Sabel und Pflüger in der Sahara © Foto: privat

Von Gantenbein zu Frankenstein

Andreas Pflüger und sein Fachberater Professor Dr. Bernhard Sabel über die Liaison von Literatur und Hirnforschung, Jenny Aarons Stressfaktoren, toxische Hoffnung, Reparaturmechanismen des Nervensystems und Blindheit als anderes Sehen.

Gerade ist im Hauptprogramm von Suhrkamp sein dritter Thriller mit der blinden Elitepolizistin Jenny Aaron erschienen. Mit „Geblendet“ übertrifft Andreas Pflüger sich selbst und „zementiert seinen Ruf als bester Thrillerautor der Welt“, schreibt Alf Mayer in seiner Besprechung im Frankfurter strandgut (S. 31). Nichts von den Schwächen und Problemen, die das dritte Buch einer Trilogie gerne hat. Wesentlich zu Güte und Dichte seiner Romane trägt – neben der meisterlichen Schilderung von action-Szenen – bei, wie tief und kundig Pflüger in die Welt der Blinden taucht. Man muss nur einmal eine seiner Lesungen bei einem Blindenverband erlebt haben oder wissen, dass sich seine Hörbücher ebenso gut verkaufen wie die gedruckten – dieses Mal sogar von ihm alleine selbst gesetzten – Bücher. Pflügers Fachberater Professor Dr. Bernhard Sabel ist Forscher, Erfinder und Firmengründer im Bereich Sehtherapie. Er lehrt und forscht an der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg und ist Autor des bewusst sehr verständlich geschriebenen Buches „Wieder Sehen. Wie Sie Ihr Restsehen aktivieren und besser mit einer Sehstörung leben können„. Anlässlich von „Geblendet“ haben sich die Beiden miteinander über ihre Zusammenarbeit unterhalten.

Pflüger: Als Wissenschaftler wirst du vermutlich das Gefühl kennen, ein Ziel anzustreben und ihm keinen Millimeter näher zu kommen, mehr noch, dich scheinbar immer weiter davon zu entfernen. So ging es mir bei der Recherche zu Endgültig, dem ersten Roman mit Jenny Aaron. Nach einem Dreivierteljahr hatte ich mich zwar durch einen Berg von Literatur gewühlt, war Menschen begegnet, die erblindet waren oder sich als Experten mit Sehverlust befassten, und doch bekam ich keinen zwingenden Zugriff auf den Stoff. Dann meinte ein Neurochirurg erschöpft am Ende eines sehr langen Gesprächs, dass es wohl nur einen gäbe, der auf meine Fragen umfassende Antworten hätte: ein Professor in Magdeburg namens Bernhard Sabel. Er sprach von dir, als ob du übers Wasser gehen könntest. Ich habe noch aus dem Auto heraus in deinem Institut angerufen.

Sabel: Meine Sekretärin sagte, dass ein Schriftsteller am Telefon sei – ob ich überhaupt mit ihm sprechen wolle? Ich meinte, er hätte sich sicher verwählt, denn was solle ein Spezialist der Phantasie von einem Gehirnforscher wohl wollen? Nein, nein, sagte sie, er schreibe einen Kriminalroman mit einer blinden Polizistin und interessiere sich dafür, durch welche Verletzung seine Heldin blind geworden sein könnte. Das klang so verrückt, dass es mich gereizt hat. Was folgte, hätte ich nie erwartet: eine intensive Zusammenarbeit, gar eine enge Freundschaft und zum Schluss ein Krimi-Bestseller – phantastisch!

Pflüger: Genau das ist ja der Trick bei großen Recherchen: das Gegenüber zuerst einmal mit einer vermeintlich simplen Frage anzufüttern. (lacht) Dass wir so hervorragend miteinander harmonieren, halte ich nicht für pure Chemie. Wir sind gleich alt, stammen beide aus der Saar-Mosel-Region, das hat sicher geholfen. Aber Hirnforschung und Literatur haben auch einiges gemeinsam. Die meiste Zeit tasten wir uns auf unerforschtem Terrain vor, ohne zu wissen, ob wir je ankommen. Scheitern ist wahrscheinlicher als Gelingen. Um Erfolg zu haben, müssen wir über Grenzen gehen.

Sabel: Gibt es noch andere Beispiele für eine Verbindung unserer Disziplinen, oder sind wir da Vorreiter?

Pflüger: Nein, das ist längst etabliert, schon seit Mary Shelley und Frankenstein, zu dem wir später noch kommen. Aus der jüngeren Zeit sind vielleicht Stanisław Lem und Michael Crichton am bekanntesten. Oder William Boyd, mit Brazzaville Beach. Émile Zola ging noch weiter. Er stellte in seinem Roman expérimental die These auf, dass ein literarisches Werk eine Art wissenschaftliche Versuchsanordnung sei und er als Autor ein neutraler Beobachter derselben.

Sabel: Dann tröste ich mich damit, dass du als Erster eine blinde Heldin ins Leben gerufen hast, deren wissenschaftlich belegte Superfähigkeiten nur durch ihren Sehverlust möglich sind.

Pflüger: Seit wann beschäftigst du dich mit Sehbehinderung?

Sabel: Bereits als Kind habe ich mich für die Beziehung von Geist und Körper interessiert und habe Meditation gelernt, noch ehe ich Psychologie an der Uni Trier zu studieren begann. Als stolzer Empfänger eines Austausch-Stipendiums traf ich mit zwanzig an der Clark University in Worcester (USA) auf Donald Stein, einen visionären Hirnforscher. Er hatte schon in den Siebzigern die These aufgestellt, dass das Gehirn mittels Neuroplastizität Schäden selbst beheben kann. Das war der Beginn meiner lebenslangen Suche nach Reparaturmechanismen des Nervensystems. Stationen am MIT, in Princeton, Harvard und München folgte 1992 der Ruf auf eine Professur nach Magdeburg, wo ich das Institut für Medizinische Psychologie an der Otto-von-Guericke-Universität leite.

Um noch einmal auf die Gemeinsamkeiten zurückzukommen: Durch das Publizieren von Büchern und wissenschaftlichen Artikeln bin ich ja auch Autor. In gewisser Weise sind wir wohl beide Phantasten, nur in umgekehrter Weise: Ich entwickle mit Phantasie aus Fakten neue Theorien, und du bereicherst deine Phantasien mit Fakten. Was hat dich denn in die Welt der Phantasie getrieben?

Pflüger: Als du vermutlich schon ein Meditations-Guru warst, also mit acht, habe ich Kurzgeschichten geschrieben und sie im Verwandtenkreis für fünfzig Pfennig verkauft. Was nützt die Kunst, wenn man nicht davon leben kann? (lacht) Im Grunde wollte ich mein ganzes Leben lang immer erzählen, und das durfte ich dann zum Beruf machen. Viele Jahre waren es hauptsächlich Drehbücher; dass ich mich nun ganz auf meine Romane konzentriere, hat nicht zuletzt mit den Kompromissen zu tun, die ein Drehbuchautor ständig eingehen muss. Ein schönes Beispiel ist eine Szene des »Tatort Weimar«, den ich mit meinem Freund Murmel Clausen erfunden und geschrieben habe.

Clausen (links) und Pflüger (rechts)

Tschirner und Ulmen sind in der Pathologie, Ulmen zieht eine Schublade auf, darin liegt eine uralte Frau. Die Kommissare erfahren von der Rechtsmedizinerin, dass es sich um die älteste Einwohnerin Thüringens handele, die sich mit einhundertsechs Jahren umgebracht habe. Sie hat einen Abschiedsbrief hinterlassen: »Habe jede Hoffnung verloren, eines natürlichen Todes zu sterben.« Aber Murmel und ich wollten etwas anderes und haben es nicht durchgekriegt: »Habe jede Hoffnung verloren, dem Führer ein Kind zu schenken.« Wenn du die erste Variante lustiger findest, suche ich mir einen anderen Fachberater.

Sabel: (lacht) Da kannst du unbesorgt sein. Musst du bei deinen Romanen keine Kompromisse machen?

Pflüger: Kompromisse sind der Tod jeder Kunst. Mit meinem Lektor tausche ich Argumente aus, das ist etwas anderes. Ich habe das große Glück, in Thomas Halupczok einen Mann an meiner Seite zu wissen, der meiner Vision folgen will und mich nicht einengt. Er macht Vorschläge, die in der Regel klug sind, also bin ich gut beraten, sorgfältig darüber nachzudenken. Aber am Ende muss nur einer für Wohl und Wehe des Textes geradestehen, und das bin ich. Eine große Befreiung ist im Übrigen, dass Worte nichts kosten. Ein Drehbuchautor muss ja immer auf die Kalkulation schielen, um die Geschichte dem finanziell Machbaren anzupassen. Darum lasse ich Jenny Aaron mit Wonne durch die halbe Welt jetten und betreibe einen Aufwand, der sich filmisch nur in Hollywood umsetzen ließe. Im neuen Buch, Geblendet, endet eine Observation beispielsweise im größten Flugzeugträger der Welt. Da würden deutsche Produzenten Betablocker wie Drops lutschen.

Sabel: Finde ich gut. Weil Aaron ja auch größer als das Leben ist. Was mich von Anfang an zu dir hingezogen hat: Du bist auf deine Weise genauso manisch wie ich, extrem detailversessen, akribisch, ohne dabei den großen Gedanken, den Leitstern aus dem Auge zu verlieren. Das Layout deiner Romane gestaltest du sogar selbst.

Pflüger: Vielleicht ist das der Teil der Arbeit, der mir am meisten Freude bereitet. Ich habe mit meiner Frau mal einen Dokumentarfilm über Gerhard Richter gesehen. In seinem Atelier stand ein offenes Miniaturmodell des MoMA, Richter hatte maßstabsgetreu seine Bilder reingeklebt, um eine Werkschau zu simulieren und die optimale Komposition festlegen zu können. Meine Frau meinte: »Ihr beide seid bei der Geburt getrennt worden.« Neulich war ich auch in meiner Druckerei, um zu sehen, wie das neue Buch durch die Walze gejagt wird. Der Roman ist zwar mein Baby, aber das war die Entbindungsstation. Abends bin ich dort aufgetreten, während unter mir die Worte auf das Papier gebannt wurden.

Pflüger mit der Suhrkamp-Herstellungsleiterin Alexandra Stender beim Andruck seines neuen Thrillers bei CPI Clausen & Bosse in Leck

Sabel: Das muss ein großartiges Erlebnis gewesen sein.

Pflüger: Besser als die Endorphine nach einem guten Satz. (lacht) Die Doppelbedeutung geht mir erst jetzt auf.

Sabel: Leider habe ich, anders als du, nicht den Luxus, in die Tiefe meiner selbst geschaffenen Welt einzutauchen und mir die Wahrheiten oder Fakten zu suchen, die zu meiner Idee passen. In der Welt der Wissenschaft brüllt die Wahrheit uns nicht an. Vielmehr habe ich mich an dem zu orientieren, was mir die Natur ins Ohr flüstert. Wie bei einer archäologischen Ausgrabung muss ich die Fakten behutsam aus dem Boden bergen, sie bewerten und mich von dem leiten lassen, was ich finde. Ob eine gefundene Scherbe des Wissens nur Abfall ist oder ein funkelndes Artefakt, hängt nicht allein von meinem Sachverstand ab, sondern auch von der Idee, die ich zuvor hatte, der Inspiration, der ich folge. Da bin ich wohl eher vergleichbar mit deiner Heldin Aaron als mit dir. Die Fakten sind bei dir Untertanen deiner Phantasie, und meine Phantasie ist der Untertan der Fakten.

Pflüger: Nein, nein, so ist das nicht. Das hieße ja, dass ich mir die Fakten zurechtbiege. Das mag bei geographischen Dingen gehen oder bei meinen erfundenen Bushidō-Weisheiten, aber in Bezug auf Medizin und Physik oder Aarons Blindheit muss ich mich an das Mögliche und Machbare halten, sonst fliegen mir die Fakten um die Ohren.

Sabel: Wissenschaft schafft Wissen. Am Anfang steht eine (hoffentlich geniale) Hypothese, sofern man die Fachliteratur ausreichend verinnerlicht hat. Mein Credo war immer, dass Blindheit und Sehbehinderung nicht unumkehrbar sind und es für Sehbehinderte am Ende des Tunnels mehr Licht als Finsternis gibt. Also entwerfe ich immer neue klinische Studien. Wir sammeln Informationen, manchmal hunderte oder tausende von Datensätzen, werten sie aus, interpretieren die Befunde. Nicht selten tun wir einen Schritt nach vorn und zwei zurück, jahrelang. Dann schreibt man einen Beitrag für eine Fachzeitschrift, um die Forschung von anderen zu befruchten.

Pflüger: Sei nicht so bescheiden. Du publizierst in Top-Journalen wie Science oder Nature.

Sabel: (lacht) Ich hatte im Stillen gehofft, dass du es erwähnst. Oft genug muss man auch kleinere Brötchen backen – aber wissenschaftliche Käseblätter sollte man meiden wie der Teufel das Weihwasser. Das wäre tödlich für den guten Ruf.

Pflüger: Was mich am Anfang irritiert hat: Du hattest noch nie einen Kriminalroman gelesen. Ich hatte schnell den Eindruck, dass du komplett in deiner Arbeit aufgehst, alles ausblendest, was dich davon ablenken könnte. Daneben scheinst du nur in der Meditation und der Musik ganz bei dir zu sein, vielleicht auch auf deinem Segelboot. Erst später habe ich erfahren, dass du beinahe Musiker geworden wärst.

Sabel und Gitarre

Sabel: Das einzige Buch, dass ich neben Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer in meiner Jugend gelesen habe, war der Vogelführer Was fliegt denn da? Für Literatur hatte ich als Hobby-Ornithologe weder Zeit noch Lust, mich trieb es mit dem Feldstecher hinaus in den Wald. Aber zu meiner Ehrenrettung: Ich war immer ein kleiner Künstler, denn dank meiner musikalischen Familiengeschichte hatte ich ein bisschen Talent geerbt und konnte ganz passabel Geige (und auch etwas Gitarre) spielen. In Amerika habe ich es als Student sogar geschafft, mein Taschengeld im Symphonieorchester aufzubessern: zweite Geige, letztes Pult. Auch in der Musik – wie in der Wissenschaft – folgt die Phantasie den Fakten, also die musikalische Interpretation den Noten und der Instrumentierung. Ist es nicht interessant, dass viele meiner Mediziner-Kollegen auch Musiker sind? In gewisser Weise ist ja gerade Musik ein akustischer Spiegel unseres Gehirns: Es kommt auf die Synchronisation vieler Elemente an – der Instrumente in der Musik und Hirnwellenaktivität im Gehirn. Es ist eine höhere Ordnung, die richtige Reihenfolge, die ästhetische Schönheit des Arrangements, wenn der magische Moment einer Harmonie einem Gänsehaut bereitet. Oder, noch beeindruckender, wenn eine Stille folgt, in der die Musik und die Hirnwellen nachschwingen. Der Musikästhetiker Ferruccio Busoni meinte, die wahre Musik sei die Pause, die Idee, die unser Gehirn verarbeitet, auch wenn die musikalische Passage bereits vorbei ist. Ist es das, was deine Romane vielleicht in unserem Gehirn bewirken: eine Art Neuordnung oder Synchronisation unserer eigenen Gedanken, Erinnerungen, Wünsche und Phantasien? Ist es vielleicht das, was passiert, wenn wir uns trotz der Spannung beim Lesen deiner Thriller immer wieder zeitvergessen in der Ruhe der Lektüre und der Poesie deiner Sprache verlieren, was wie Busonis Pause ist – die wahre Musik in unserem Gehirn? Auch deine Leser brauchen sicher zwischendrin mal eine Pause, oder?

Pflüger: Eigentlich entsteht Literatur ja immer in den Pausen, den Leerräumen zwischen den Wörtern, die jeder mit einer eigenen Bedeutung füllen muss. Aber das gilt natürlich nicht für meine Actionpassagen, da treibe ich den Leser erbarmungslos durch. Und dann musst du als Autor ein Gefühl dafür haben, wann der Scheitelpunkt der Erregung erreicht ist, und dem Leser die Chance geben, wieder durchzuatmen, sich in eine Kontemplation fallen zu lassen. Deshalb sind meine Romane in einer Wellenbewegung erzählt, das ist ein fein austarierter Rhythmus. Ich verwende nicht wenig Zeit darauf, bis ich damit zufrieden bin.

Sabel: Das ist das Nichts-tun nach dem Tun. Kein Tun, kein Nacheffekt. Darum praktiziere ich seit über vierzig Jahren täglich Mantra-Meditation, ein Abtauchen in den stillen Ozean des innersten Selbst. Es ist nicht nur ein hervorragender Ausgleich für den Alltagsstress, sondern auch der Nachhall des Tages, den ich einfach genieße, der die Gedanken mühelos aufsteigen lässt, sie entkrampft, damit ich sie anschließend neu sortieren kann.

Pflüger: Genau das empfinde ich, wenn ich auf meiner Harley sitze.

Pflüger und Harley, Road King von 1997

Sabel: Entschleunigen durch Beschleunigen, finde ich gut.

Pflüger: Wie passt deine esoterische Ader eigentlich zu einem Wissenschaftler, der nur an Fakten glaubt?

Sabel: Meditation ist keine Esoterik, sondern eine praktische Angelegenheit. Auch Gefühle und Stress sind Fakten, ganz persönliche. Mein originäres ist die Psychologie, die Lehre vom Erleben und Verhalten. Die ist sowohl empirisch als auch eine Erfahrungswissenschaft. In einer klinischen Studie habe ich letztes Jahr mit Kollegen aus New Delhi nachgewiesen, dass Meditation massiv Stresshormone abbaut, das Immunsystem stärkt und selbst die Aktivität von über hundert Genen verändern kann. Das haben wir an Patienten mit Grünem Star getestet. Nach vier Wochen war ihr Augendruck wieder normal, und zwar ohne Tropfen, wofür mich Augenärzte und die Pharmaindustrie sicher nicht lieben werden. Meditation ist hoch effektiv und darum auch ein wichtiger Teil meines ganzheitlichen Behandlungsprogramms. Übrigens auch viel gesünder als Rauchen. Auf deinem Schreibtisch sehe ich eine Zigarettenpackung mit dem Hinweis: Rauchen erhöht das Risiko zu erblinden.

Pflüger: Womit wir wieder bei Jenny Aaron wären. Sie führt ein Hochgeschwindigkeitsleben, allein das ist Stress genug. Aber hinzukommt, dass sie zum Opfer wurde, was ganz und gar nicht zu ihrem Selbstbild passt, und dass sie ihren Kummer mehr oder weniger mit sich allein ausmacht. Außerdem tut sie permanent so, als ob sie gar nicht blind wäre, was furchtbar anstrengend ist. Wenn man so will, ist sie ein Spiegelbild zu Gantenbein, der literarischen Figur von Aarons Lieblingsschriftsteller Max Frisch, einem Mann, der vorgibt, blind zu sein, obwohl er sehen kann.

Sabel: Es gibt auch Blinde, die mich an Gantenbein erinnern. Die setzen ihre Umgebung unter Druck, um Aufmerksamkeit zu erhalten oder ihren Kontrollzwang über andere zur vollen Entfaltung zu bringen. Das nennt sich »sekundärer Krankheitsgewinn«. Und was Aaron betrifft: Immerhin meditiert sie.

Pflüger: Aber das ist sicher nicht die Art Meditation, die du deinen Patienten zum Stressabbau rätst. Bei Aaron geht es darum, sich unempfindlich gegen Schmerzen zu machen oder Muskelkontraktion und Kampfkraft zu erhöhen.

Sabel: Das »mit sich allein ausmachen« ist ein wichtiger Punkt. Viele Menschen, insbesondere Frauen, stellen ihre eigenen Bedürfnisse stets hinten an. Sich für andere aufzuopfern ist Stress pur und kann zu Sehverlust führen. Jesus ist schon für die Schuld der Welt am Kreuz gestorben. Das braucht keiner zu wiederholen. Es ist kein Wunder, dass Aaron leicht kalte Hände und Füße bekommt und obendrein Schlafprobleme hat, klare Anzeichen für Stress.

Pflüger: Dabei muss ich an den Schweizer Augenarzt Josef Flammer denken, mit dem ich mich in der Recherche beschäftigt habe, nachdem du mich auf ihn aufmerksam gemacht hast. Der konnte diesen Effekt bei Glaukom-Patienten über Jahrzehnte beobachten.

Sabel: Ja, nach ihm wurde das »Flammer-Syndrom« benannt. Es beschreibt gleichzeitig Ursache und Folge verschlechterter Durchblutung im Auge (aber auch anderen Organen). Die Nervenzellen erhalten zu wenig Sauerstoff, bleiben inaktiv und können keine Sehimpulse mehr verarbeiten. Auch ein Ferrari mit dem stärksten Motor braucht Benzin. Es kann zu einem langsam fortschreitenden Sehverlust kommen, der nicht allein durch eine Steigerung des Augeninnendrucks erklärbar ist. Die gute Nachricht ist: Nicht alle Zellen sterben ab, und eine verbesserte Durchblutung von Auge und Gehirn – angeregt durch Mikrostrom oder Stressreduktion – kann diese Zellen tunen und eine Seherholung bewirken

Hirnwellenmessung von Pflüger in Magdeburg

Pflüger: Du hast mir schnell klargemacht, dass deine Therapie nur bei bestimmten Voraussetzungen greift. Darum haben wir für Aarons Schussverletzung ein »Design« entwickelt. Mir war von Anfang an bewusst, dass die Frage, ob sie irgendwann wieder sehen kann, zur Spannung der Romane gehören wird. Also sollte es zumindest theoretisch möglich sein.

Sabel: Das Designen einer Verwundung war eine intellektuelle Herausforderung, etwas kompliziert, würde ich sagen. Mir blieb nichts anderes übrig, als deinen Vorgaben zu folgen. Das mache ich sonst nur bei meiner Frau. Du hattest drei Anforderungen. Erstens: Es musste bei einem Einsatz oder Anschlag passieren, ganz klar also eine Art Neurotrauma. Da war zu entscheiden: Auge, Sehnerv oder Gehirn. Zweitens: Der Schaden musste zu einer kompletten Erblindung führen, von der sich, drittens, Aaron grundsätzlich erholen kann. Ich habe mich dafür entschieden, dass vor fünf Jahren, in Barcelona, ihr visueller Hirncortex von einem Projektil durchschlagen wurde, quer und symmetrisch durch beide Hinterhaupt-Hemisphären. Der anatomische Schaden, ein dünner Kanal, war verhältnismäßig klein …

Pflüger: … um es mit Aarons Worten zu sagen: »So niedlich, wie eine 44er sein kann.«

Sabel: … und das Restgewebe relativ groß, also mit guten Erholungschancen. In der Tat habe ich einmal einen Patienten mit einer ähnlichen Schussverletzung behandelt, dessen siebzigprozentiger Sehverlust sich durch meine Therapie auf ein Drittel verringerte. Die Frage war: Wie erklärt sich bei Aarons »niedlichem Schaden« eine komplette Erblindung? Hier habe ich einen Schockzustand des Gewebes um den Schusskanal herum gewählt, der aus zwei Komponenten bestand: erstens einer »Diaschisis« – bei der es sich um eine Art Übererregung handelt, und zweitens einer stressbedingten Autoregulationsstörung der Blutversorgung. Mit anderen Worten: Lahmlegen des visuellen Cortex ohne massiven Zelltod, jedoch mit funktionellem Stillstand des Cortex. Was hast du mich gepiesackt, bis es passte! Das ist deine Detailverliebtheit, die der eines Wissenschaftlers in nichts nachsteht. Aber die Frage, ob Aaron wieder sehen wird, war bei dir von Anfang an mehr ein Spiel mit Möglichkeiten als ein fester Plan.

Pflüger: Ich kann doch am Beginn einer Trilogie noch nicht das Ende kennen, das muss sich aus dem Erzählen heraus entwickeln, da spiele ich nicht Gott. Ich wollte nur, dass Aaron glücklich wird. Und dazu musste sie erst einmal herausfinden, was Glück für sie bedeutet. Sehen ist sicher kein Patentrezept dafür. Ich halte es mit Lenin und seinem Satz, dass blind zu sein weniger schlimm ist, als nicht sehen zu wollen. Ganz unabhängig von Aaron: Die Welt ist nicht so einfach, dass man vollkommen blind zum Onkel Doktor geht, und der macht dann alles heil.

Sabel: Am liebsten sind mir die Patienten, die realistische Vorstellungen haben und ihre Chancen richtig bewerten. Wir bewirken keine Wunder, völlig normales Sehen ist nicht zu erwarten. Das sage ich gleich vorweg. Sonst entwickelt sich eine »toxische Hoffnung«, die meine Patienten noch mehr stresst, als sie eh schon sind. Am Ende erleben mehr als dreiviertel von ihnen subjektiv oder objektiv Verbesserungen ihrer Sehleistung. Unser Starpatient ist ein junger Mann aus Stuttgart. Auf dem Nachhauseweg nach einer Party wurde er mit einem Baseballschläger fast totgeschlagen. Er hatte ein massives Schädel-Hirn-Trauma, lag für Wochen im Koma und erlitt einen neunzigprozentigen Sehschaden. Als er zu uns kam, wäre er mit der kleinsten Verbesserung zufrieden gewesen. Nach der Therapie hatte sich sein Sehen von zehn auf vierundsiebzig Prozent gesteigert. Dabei hatte sein Augenarzt ihm bescheinigt, dass er ein hoffnungsloser Fall sei. Solche Erfolge haben wir zwar nicht immer – aber oft genug.

Pflüger: Ist das die Standarddiagnose von Augenärzten: Hoffnungslos?

Sabel: Leider ja. Die meisten haben immer noch die pessimistische Haltung, dass sich nichts erholen kann und die Erblindung fast immer unweigerlich fortschreitet. Das ist fatal, weil diese Prognose den Patienten Angst macht und das Problem noch verschlimmert, denn der Stress stranguliert die Mikrozirkulation, die feinen Blutgefäße in Gehirn und Auge, und legt so die Nervenzellen lahm. Das ist es, was bei Aaron unaufhörlich die Erholung blockiert: maximaler Dauerstress.

Pflüger: Vor allem schaut sie nur auf das, was sie verloren hat. Andere hingegen betrachten einen Sehverlust nicht als Gebrechen, sondern als anderes Sehen. Das habe ich zum ersten Mal aus den Texten von Jacques Lusseyran erfahren, der als Kind sein Augenlicht verloren hatte und später sagte, dass sein Sehen sich dadurch verändert hat, aber nicht ausgelöscht worden ist. Er schrieb: »Wenn Blindheit als Entbehrung angesehen wird, dann wirkt sie auch wie eine Entbehrung. Wenn wir an die Blindheit nur denken, als sei sie ein Mangel, den man um jeden Preis kompensieren muss, dann öffnet sich ein Weg, aber er führt nicht weit. Wenn man hingegen die Blindheit als einen anderen Zustand der Wahrnehmung, als einen anderen Bereich der Erfahrung betrachtet, dann wird alles möglich.« Und dann gibt es jene, die ihren Frieden damit machen. Der Kameramann Michael Ballhaus war so jemand. Als er erblindete, sagte er: »Ich habe so viele Bilder in mir, die reichen für ein Leben.«

Sabel: Einer meiner Patienten war Klavierbegleiter in einer Ballettschule in Hamburg. Nach der Therapie hat sich sein Augenlicht nur unwesentlich verbessert, dafür bildete sich sein Riechsinn zurück. Er meinte, ich solle das nicht als Kritik verstehen, seine Nase sei nach der Erblindung so hypersensibel geworden, dass ihn der Schweiß der Tänzerinnen extrem gestört hatte und er eine offene Flasche Wein am anderen Ende des Raumes riechen konnte. Die Therapie habe das normalisiert, dafür sei er dankbar.

Pflüger: Ist das Erkennen nicht viel wichtiger als das Sehen? Es gibt Studien über Menschen, die nach langer Blindheit wieder sehen konnten, es aber nicht vermochten, eine Banane von einem Telefon zu unterscheiden, einen Ball von einem Hund.

Sabel: Oliver Sacks nannte das »Wahrnehmen ohne Bedeutung.« Zwar ist es selten, doch von den Betroffenen wird es als Alptraum erlebt. Sehende werden vom Sehen dominiert. Mehr als fünfzig Prozent des Nervengewebes unseres Großhirns sind mit der Verarbeitung von Sehimpulsen befasst. Wenn dort ein Zellabbau stattfindet, bricht etwas weg, und viele denken dann, das Leben sei zu Ende. Doch das ist nicht der Fall, ganz unabhängig davon, ob eine Therapie greift oder nicht. Da ist Lusseyran ein gutes Beispiel.

Pflüger: Was ist die häufigste Ursache für Sehverlust? Ich nehme an, dass eine Kugel bei Tempo 260 eher die Ausnahme ist.

Sabel: Das ist unterschiedlich; sowohl die Netzhaut im Auge, der Sehnerv oder das Gehirn können das Problem sein. Am häufigsten sind das Glaukom und Schädigungen des Sehnervs. Es fehlt dann ein Teil des Gesichtsfeldes. Da ist nichts schwarz, es ist einfach nichts da, auch kein Bewusstsein einer Abwesenheit. Darum wird das fehlende Sehen oft nicht bemerkt. Evident wird der Gesichtsfeldausfall dadurch, dass man gegen Dinge stößt, immer wieder stolpert oder kleine Gegenstände nicht registriert. Viel tiefgreifender können Schäden im Gehirn sein …

Pflüger: … was zu Doppelbildern oder visuellen Echos führen kann.

Sabel: Richtig. Ein eben betrachtetes Objekt erscheint gleich mehrmals nebeneinander, wie in einem Kaleidoskop. Oder es werden durch die mangelnde Löschung des letzten Bildes zwei Dinge gleichzeitig gesehen. Dann kann es passieren, dass man aus dem Fenster einem fahrenden Auto nachschaut, man sich umdreht und das Auto durch das Zimmer und durch die Wand fährt.

Pflüger: Ich war öfter bei dir in deinem Magdeburger SavirCenter, habe die Tests absolviert und Patientengesprächen beigewohnt, sowohl bei der Aufnahme als auch nach der Therapie. Da habe ich viele glückliche Menschen gesehen.

Sabel: Sie kommen aus der ganzen Welt zu uns und nehmen den weiten Weg auf sich, weil es sonst kein vergleichbares Angebot gibt.

Pflüger: Wie nimmst du diese Menschen wahr?

Sabel: Für viele ist unsere Therapie die einzige Hoffnung. Sie sind unsicher und glauben, nur als Sehende könnten sie wieder glücklich sein. Ein solches Denken führt zu nichts, außer zu Angst und Depression. Wie du ganz richtig angemerkt hast: Auch mit Sehverlust gibt es viele Wege zum Glück. Ich erzähle diesen Patienten von Menschen, die trotz Erblindung zu Zufriedenheit und innerer Ruhe gefunden haben; das ist kein Privileg für Geburtsblinde.

Pflüger: Die haben es natürlich in mancherlei Hinsicht einfacher, weil ihr kognitives System keinen Verlust erlitten hat; sie kennen es ja nicht anders. Ihr Gehirnsystem hat schon früh die besondere Fähigkeit entwickelt, über hypersensibles Hören und Fühlen die Welt wahrzunehmen; dazu zählt selbst die räumliche Orientierung in 3D.

Sabel: Ja. Und was nie da war, hinterlässt keine Wunde.

Pflüger: Elektrostimulation des Gehirns hat sich für mich am Anfang wie Science Fiction angehört. Das spricht Aaron auch in Geblendet an. Dort antwortet dein Alter Ego Professor Reimer: »Tatsächlich wurde das Verfahren bereits im frühen 19. Jahrhundert erfunden. Zuerst hat man es als medizinische Revolution gefeiert, doch dann kam Mary Shelley mit Frankenstein, und die Elektrotherapie galt für lange Zeit als Scharlatanerie.«

Sabel: An der Stirn der Patienten werden Elektroden platziert, über die Mikroströme in die Augen und entlang der Sehnerven ins Gehirn geschickt werden. Es ist eine Art Hirnschrittmacher, der die Zellen der Retina zu synchronen Impulsen zwingt und so das Muster der Hirnwellen verändert. Um Aarons Professor in Geblendet zu zitieren: »Stellen Sie sich Ihren Cortex als einen abgestürzten Rechner vor, bei dem wir den Reset-Schalter drücken. Zehn Tage lang, immer eine halbe Stunde.«

Pflüger: Wenn wir schon bei deinem Alter Ego sind: Wie ist es für dich, eine Romanfigur zu sein?

Sabel: Das hätte ich mir nie träumen lassen. Es ist ein wunderbares, unerwartetes Geschenk. Und deine Recherchen haben mir für meine Wissenschaft etwas gebracht, weil du dich auch auf Feldern umtust, auf denen ich weniger versiert bin: Traumabewältigung, Mobilitätstraining, Alltagsbeherrschung. Vor allem das Klicksonar fasziniert mich, dieses Zungenschnalzen, mit dem Aaron sogar weit entfernte Objekte orten kann.

Pflüger: Dass sie sich, ähnlich wie Fledermäuse oder Delphine, aktiv am Schall orientiert, halten manche meiner Leser für reine Fiktion, doch das ist es mitnichten. In Berlin kann man das beim Verein Anderes Sehen lernen, für den ich bei jeder Gelegenheit werbe, weil ich von dem Engagement dieser Leute total überzeugt bin. In Deutschland waren sie Vorreiter und lassen schon blinde Kinder in Klicksonar unterrichten, ein großer Schritt auf dem Weg zur Selbständigkeit. Im Herbst werde ich in ein Seminar von Juan Ruiz reinschnuppern. (lacht) Allerdings muss ich dafür noch kräftig üben, bis jetzt bin ich ein jämmerlich schlechter Schnalzer.

Steffen Zimmermann übt mit seiner Tochter Juli Klicksonar © Foto: privat

Sabel: Literatur inspiriert Forschung. Es hat meinen Horizont erweitert und mir neue Ideen geliefert. Ich bin dankbar für diese Zusammenarbeit und dankbar für die Freundschaft, die sich daraus entwickelt hat.

Pflüger: Genau wie ich. Im Nachwort von Niemals habe ich Groucho Marx zitiert: »Es gibt kein schöneres Geräusch als das Zähneknirschen eines Kumpels.« Aber du bist auch ein gutes Beispiel dafür, was meine Romanfiguren so umtreibt: Seit ich dir beiläufig erzählt habe, dass Reimer im nächsten Roman sterben könnte, kommst du mit immer neuen Gegenargumenten, mit Vorschlägen, wie ich ihn auch in Zukunft in die Handlung einbauen kann.

Sabel: Gegen das Sterben habe ich im Prinzip nichts. Aber bitte nicht so bald und vor allem nicht in deinem Roman. Mein Traum ist, dass meine Ideen und meine Therapie weiterleben und etlichen der weltweit einhundertsechzig Millionen Blinden und Sehbehinderten helfen, ein Stück Lebensfreude zurückzuerlangen. Meine Wissenschaft und mein Buch Wieder sehen sind da ein erster Schritt. Und weißt du, was mich richtig freut: Dass so viele blinde Menschen zu den Fans deiner Bücher zählen. Was bedeutet Aaron für sie?

Pflüger: Das ist ganz unterschiedlich. Manche mögen einfach die Action, andere das Freundschaftsthema, die Philosophie oder meine Sprache, da unterscheiden Blinde sich nicht von Sehenden. Für andere ist Aaron ein Vorbild, weil sie ihr Schicksal meistert, sich in jeder Situation wehren kann und keins der gängigen Blindenklischees bedient. Die wissen natürlich, dass Aarons Leben von dem eines »normalen« Blinden meilenweit entfernt ist. So wie eben Jack Reacher von meinem. Manche sorgen sich auch, dass Sehende von Aaron auf die Leistungsfähigkeit von Blinden im Allgemeinen schließen könnten. Aber das liegt denen fern, wie ich aus Leserbriefen und von Gesprächen bei meinen Veranstaltungen weiß; alles andere wäre auch absurd. Dennoch gibt es in der wirklichen Welt durchaus blinde Menschen, die einige von Aarons Fähigkeiten besitzen, und durch dich habe ich gelernt, dass die Neuroplastizität unseres Gehirns der Grund dafür ist.

Sabel: Was bei Geburtsblinden schon früh der Fall ist, entwickelt sich auch bei Späterblindeten nach relativ kurzer Zeit: Der auditive Cortex und der sensomotorische Cortex vermehren die Zahl ihrer Synapsen und nutzen die freigewordenen Zellen zur Ausbildung super-normaler Fähigkeiten. Die sind messbar und wissenschaftlich zweifelsfrei nachgewiesen. Es ist ein besonders beeindruckendes Beispiel, wie unser Gehirn Potential aktivieren kann, das sonst nicht zur Verfügung stehen würde. Jenny Aaron mag Fiktion sein, aber Superblinde gibt es tatsächlich, wie etwa Homer, Ray Charles, den Surfer Derek Rabelo oder den Extrembergsteiger Andy Holzer, von dem du ja ein großer Fan bist.

Andy Holzer © Wiki Commons

Pflüger: Sensationeller Typ. Er hat die »Seven Summits« erklommen, die höchsten Gipfel aller Kontinente, und durchstieg unter anderem die Nordwand der Großen Zinne in den Alpen, was schon für jeden Sehenden eine Glanzleistung wäre. Zwar ist Holzer geburtsblind und hat das traumatische Erlebnis eines Sehverlusts nie erfahren. Aber wie wunderbar wäre es, wenn auch Späterblindete ohne Heilungschance sich seine Worte zu eigen machen könnten: »Ich führe ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben. Ich bin ein glücklicher Mensch. Es ist gut so, wie es ist.«

Das Gespräch erschien zu erst im Suhrkamp-Logbuch. Mit freundlicher Genehmigung des Verlags und der beiden Autoren.

  • Andreas Pflüger: Geblendet. Thriller. Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. 508 Seiten, 22 Euro. Verlagsinformationen.
  • Bernhard Sabel: Wieder Sehen. Wie Sie Ihr Restsehen aktivieren und besser mit einer Sehstörung leben können. Verlag Prof. Sabel, Magdeburg 2019. 278 Seiten, 38,50 Euro. Informationen zum Buch.

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