Schöner Sterben
Guiliermo del Toro liefert die ultimative Hommage an ein klassisches Unterhaltungsgenre: den Gothic- und Schauerroman. Christopher Werth hat sich Riechsalz besorgt und den romantischen Horrorfilm angesehen.
Wir befinden uns um das Jahr 1900 im amerikanischen Buffalo. Mia Wasikowska spielt eine anämische, intellektuelle junge Frau, die davon träumt, Schriftstellerin zu werden. Und sie hat noch mehr Talente: Sie kann Geister sehen. „Hüte Dich vor Crimson Peak“ – das empfahl ihr der vermoderte Geist ihrer Mutter bereits als kleines Mädchen. Sie lebt allein mit ihrem verwitweten Vater (Jim Beaver), einem einflussreichen Industriellen. Das gesellschaftliche Leben interessiert sie genausowenig wie der gutaussehende Arzt ihres Vaters („Sons of Anarchy“-Darsteller Charly Hunnam), in dem sie lediglich einen aufmerksamen Gesprächspartner sieht und der ihr extra Fotografien von Geistern besorgt. Männer sind kein Thema, bis dieser sensible englische Gentleman und glücklose Erfinder Sir Thomas Sharpe (Tom Hiddleston) mit seiner Klavier spielenden Schwester Lucille (Jessica Chastain) auftaucht. Das klassische „Rebecca“-Motiv setzt ein (Schauerroman von Daphne du Maurier, 1938 von Alfred Hitchcock mit Laurence Olivier verfilmt). Die junge Frau verliebt sich in den blassen Adeligen, heiratet ihn, lässt alles hinter sich und folgt ihm als neue Schlossherrin auf seinen Landsitz. Ein Traum wird wahr – und zur Hölle.
Hier treffen wir dann auch auf den wahren Star des Films: Ein halb erhabenes, halb verfallenes Schloss, das lebt. Das atmet oder mehr röchelt, wie ein gestrandeter Leviathan. Dieses riesige Gebäude in den einsamen Hügeln des nordenglischen Cumberland wird aus Gründen „Crimson Peak“ genannt. Nicht nur wegen der roten Tonerde färbt sich der Schnee hier im Winter blutrot. Irgendwie verträgt unsere tapfere Heldin den englischen Tee nicht so gut, und nach und nach entdeckt sie die grauenvollen Geheimnisse von Crimson Peak. Natürlich ist sie hier nicht nur allein mit ihrem Gemahl und seiner überfürsorglichen Schwester – und die in der ersten Szene des Films angedeutete Horrorshow beginnt. Aber damit ist es eigentlich auch schon fast zu spät für sie …
Am Ende hat man einen großartig komponierten Film gesehen. Grässliche Geister, schockende Actionszenen, literweise Hämoglobin und wunderschön morbide Szenenbilder – aber man hat auch das leicht peinliche Gefühl, als hätte man voller Begeisterung einen Kitschroman verschlungen. Aber keine Angst. Es gilt auch hier, was ein Wiener Dirigent über das Dirigieren von Donizetti-Opern gesagt haben soll: „Vorher und nachher isses a bissl peinlich – aber wenn man drin ist, is es schee!“ Zum uneingeschränkten Genuss trägt das perfekte Getränk zum Film bei: guter, richtig schwerer Portwein. Am besten schon vorher.
Hier geht es zum Trailer.
USA 2015
120 Minuten
Regie: Guillermo del Toro
Buch: Guillermo del Toro, Matthew Robbins, Lucinda Coxon
Musik: Fernando Velázquez
Kamera: Dan Laustsen
Schnitt: Bernat Vilaplana
Mit: u.a. Tom Hiddleston, Jessica Chastain, Mia Wasikowska, Charlie Hunnam, Jim Beaver