Geschrieben am 10. Januar 2009 von für Bücher, Crimemag

Tim Binding: Cliffhanger

Ehefrust und Liebeslust

Tim Binding räsoniert in „Cliffhanger“ über fehlgeschlagene Beziehungen und Mordversuche. Die meisten Leser finden das Buch saukomisch. Viele Kritiker auch und der Verlag erst recht. Sie kriegen sich sogar kaum noch ein. Das ist Jörg von Bilavsky schlicht schleierhaft …

Was tun, wenn die Ehefrau nervt? Scheiden, Schweigen oder Schubsen. Der 50-jährige Taxiunternehmer Al Greenwood entscheidet sich für Letzteres. Gelegenheit und Gegend sind günstig. Schließlich lebt er mit seiner Gattin in einem Haus direkt am Ärmelkanal. Genauer gesagt unweit einer abgrundtiefen Klippe, die zum Spazieren wie zum Stürzen einlädt. Und als seine ihm vor vielen glücklicheren Jahren Angetraute einen ihrer gemeinsamen Aussichtspunkte am Kliff aufsucht, ist ihr Al schon auf den Fersen.

Ein kurzer Stoß und eine Frau im gelben Regenmantel segelt die Klippe hinunter. Wohlgemerkt eine Frau. Denn seine eigene räkelt sich kurz darauf wieder vor dem heimischen Kamin. Bereit, ihn nach langer Zeit wieder einmal so richtig körperlich und seelisch zu verwöhnen. Von ihrer Lebendigkeit wie von ihrer neu erwachten Liebeslust überrascht, taumelt Al nun zwischen Traum und Wirklichkeit. Vergisst dabei allmählich den Ehefrust und versucht, seinen Mord an einem unbekannten Menschen mit allen Mitteln zu vertuschen. Was ihm freilich nicht so einfach gelingt, da die Frau auch seine plötzlich vermisste Tochter aus unehelichen Tagen sein könnte.

Bauz!

Diese Ungewissheit hält den Romanhelden natürlich mächtig auf Trab. Und auch der Leser möchte gerne wissen, wer die Unbekannte in Gelb wirklich gewesen ist. Doch bis es soweit ist und der Mörder seiner mehr oder minder gerechten Strafe zugeführt wird, erfahren wir en detail, wie Alan „das Leben in die Quere“ gekommen ist. Wieso er nie von der englischen Küste weggekommen ist, warum er geheiratet hat und was ein Karpfenzüchter, Wohnwagenbesitzer und Taxifahrer so den ganzen Tag treibt, wenn er seine Vergangenheit zu bewältigen versucht. Dabei verheddert sich der Autor allzu oft in dem ein oder anderen Erzählfaden, so amüsant er ihn auch durch gewitzte Situationskomik und -dramatik zu schmücken weiß. So kommt der tragische Showdown zwar überraschend, aber nicht gerade überzeugend. Vieles bleibt so unklar, wie es bereits nach dem missglückten Mordversuch an seiner Frau ausschaut. Bindings spannungsversprechender „Cliffhanger“ entpuppt sich am Ende leider nur als ein unauffälliger Stolperstein.

Jörg von Bilavsky

Tim Binding: Cliffhanger (Cliffhanger, 2008). Roman. Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Hamburg: marebuchverlag 2008. 350 Seiten. 19,90 Euro.