Geschrieben am 2. April 2011 von für Bücher, Crimemag

Steven Jay Schneider (ed): 101 Gangsterfilme, die Sie sehen sollten, bevor das Leben vorbei ist

Gangsterfilme, viele Gangsterfilme

– Eigentlich kennt Friedemann Sprenger schon viele Gangster-Filme und hat auch schon viel darüber gelesen. Dennoch freut er sich über ein klasse Handbuch.

Was für ein wunderbar nützliches Bändchen, na ja, ein kompaktes, kleinformatiges Wopperchen, aus der bewährten „101 XXX Filme“-Reihe („101 Horror-“ „101 Action-“ etc. Filme), die man gesehen haben sollte, bevor man in die Grube fährt. Diese gewollt drolligen Aufreißer-Titel sind aber schon das Albernste an der ganzen Angelegenheit.

Diesmal also Gangsterfilme. Selbst wenn man ganze Regalmeter reference books über Gangster-Filme, Cop-Filme und Privatdetektiv-Filme hat und auch noch sämtliche ideologiekritischen und poststrukturellen Auslegungsmanuale besitzt, die die richtige Betrachtungsweise zwingend vorschreiben, selbst dann – oder gerade dann – wird man viel lieber zu diesem hübschen, handlichen Kompendium greifen.

Einfach aufgebaut: Kurze Filmographie, ein Plakat (möglichst das Originalplakat), ein still, zwei Seiten Text, ein oder zwei knuffige Zitate – das reicht schon.  Die Texte (von einer ganzen Reihe richtig kompetenter Autoren – darunter Marcus Stiglegger und Steffen Hantke) sind erfreulich ungeschwätzig und kommen schnell auf den Punkt. Meinungsstark, d.h. mit begründeter Wertung, informativ, lesbar und auf Niveau.

Wir imaginieren uns hier die übliche Diskussion, welche Filme auf gar keinen Fall hätten aufgenommen werden dürfen und welche fehlen. Solche Diskussionen tauchen eigentlich immer auf, wenn nun mal nur 101 statt 1010 Filme (oder Bücher etc.) verhandelt werden; sie dienen eher dem Nachweis, dass der Rezensent auch was weiß und eigentlich das Buch viel besser selbst geschrieben hätte (dieses Argument gilt nicht, wenn aus Gründen der Inkompetenz bizarre Beispiele auftauchen, aber das ist hier nicht der Fall).

Wir konstatieren nur, dass Schneiders Crew zum Beispiel Melville und die Franzosen niedrig hängt, Hongkong und Japan dafür im Blick hat, Scorsese und de Palma sehr mag und mit ein paar Überraschungen aufwartet („The Petrified Forest“ von Archie Mayo etwa, 1936, oder Jonathan Galzers „Sexy Beast“, den man auch nicht sooo selbstverständlich auf der Platte hat). Zudem schert man sich erfreulich wenig um die Definition von „Gangsterfilm“, was hin und wieder zu kleinen brillanten filmtheoretischen Twists führt wie diesem: „Wenn man sich The Rise and Fall of Legs Diamond – deutsch J.D., Der Killer von Budd Boetticher, 1960 – ansieht, wird unweigerlich klar, dass der Gangsterfilm kein Subgenre des Kriminalfilms, sondern der Komödie ist.“ Ja!

Ach, deutsche Filme gibt es auch, ein paar wenigstens: „Kurz und schmerzlos“ von Fatih Akin (1998), „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“ von Fritz Lang (1960) und natürlich dessen Ursprung: „Das Testament des Dr. Mabuse“ (1933).

Der erste Gangsterfilm ist „The Musketeers of Pig Alley“  von D. W. Griffith (1912), der letzte des Buches (aus Redaktionsschlussgründen) die grandiosen „Eastern Promises“ von David Cronenberg, 2006.  Dazwischen jede Menge klug kommentierter Klassiker, die man eigentlich, wenn man über crime fiction in jeder Form reden will,  auswendig kennen sollte. Dann braucht man auch die Regalmeter von reference books mit zwingend vorgeschriebenen Rezeptionsanleitungen nicht mehr …

Friedmann Sprenger

Steven Jay Schneider (ed): 101 Gangsterfilme, die Sie sehen sollten, bevor das Leben vorbei ist (101 Gangster Movies You Must See Before You Die, 2009).  Deutsch von Stefanie Kuballa-Cottone. Zürich: Edition Olms 2011. 416 Seiten. 11,99 Euro.
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