Geschrieben am 27. April 2013 von für Bücher, Crimemag

Sharon Kasanda: Dante International

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– Sharon Kasandas „Dante International“ zwischen „Pamela“ reloaded und solidem Krimidebüt.

„Dante International“, der Debütoman von Sharon Kasanda, hatte es Ende 2012 zur Freude der jungen namibischen Autorin und ihres Verlags Wordweaver Publishing auf die Longlist für den Commonwealth Book Prize geschafft. Das mit der Freude war nachvollziehbar, denn englischsprachige Literatur aus dem entkolonialisierten Namibia hat es nicht eben einfach auf dem internationalen Markt. Bis auf Neshani Andreas’ mit vielen postkolonialtheoretischen Versatzstücken angereichertem Subalternen-Roman „Purple Violet of Oshaantu“, der vom renommierten Heinemann Verlag herausgegeben wird, gibt es weit und breit nichts, was der Rede und Erwähnung wert wäre. Auf die Shortlist für den Literaturpreis, das steht seit letzter Woche auch fest, gelangte Kasandas Business World-Krimi aus Windhoek dann nicht mehr. Im Grunde verständlich, meint Bruno Arich-Gerz.

Dante Dumeno ist das, was man nicht nur im nachkolonialen Namibia einen in jeder Hinsicht erfolgreichen Upstart-Unternehmer nennt. Der Mittdreißiger kommt aus bescheidenen Verhältnissen, legt eine lupenreine Tellerwäscher-zum-Millionär-Karriere hin, sieht blendend aus, gibt in Lifestyle-Klamotten den Partylöwen und hat – niemand wundert’s, aber dick aufgetragen ist es trotzdem – pro Tag handgestoppte dreimal Vorgesetztensex mit den Mitarbeiterinnen dem titelgebenden Dante International-Unternehmen und den weiblichen Bediensteten seiner Windhoeker Werbeagentur. Auch bei der frisch eingestellten Mediengestalterin Farusja Mumba aus Sambia fackelt der afrikanische Don Juan nicht lange herum:

„Farusja closed her eyes as he kissed her forehead , kissed the shiny hair covering her head and came back down to her lips. Goosebumps raised themselves all over her skin. She barely felt it when her zipper on the side of her dress made its way down to her waist, and when her black strapless bra followed. His hands were burning long forgotten fires across her bare breasts and skin. She had forgotten what it felt like to be alive like this“ (S .59).

Cover 2Ficken mit Pamela

Anders als sonst, bleibt Dantes Geplänkel mit Farusja kein one night stand, und die Beschreibung der folgenden Begegnungen mit und ohne Schleimhautkontakt wird auf kuriose Weise zu einer Art Remake von Samuel Richardsons Briefromanklassiker „Pamela, or: Virtue Rewarded“. Ständig lässt Dante sie spüren, dass und wie er sich Frauen nur hält, um sein Kasperl zu schneuzen und sie sich als Trophäe an seine Ego-Wand zu pinnen. Ständig törnt Farusja das ab, und doch kann sie nicht anders, als sich Dante beim leisesten Hauch seiner Pheromone hinzugeben und die Lingerie abpellen zu lassen: in etwa so wie die tugendhafte Pamela mit ihrem Mr. B. aus dem 18. Jahrhundert, hier nur mit viel weniger Kopfkino und viel mehr handfestem Sex. Pamela mit Poppen, sozusagen.

Und dann doch noch Krimi …

Die gefährliche Liebschaft zieht sich durch die geschlagene erste Hälfte des Romans: wie in Zeitlupe also, und man fragt sich, warum der Roman als Krimi gelabelt ist, als die Story doch noch Fahrt aufnimmt. Ein Serial Killer hat es auf die von Dante kopulativ vorfiletierten jungen Damen abgesehen und legt sie der Reihe nach ein zweites Mal – nun endgültig – flach.

Effektiv streut die Debütautorin in indirekter Rede gehaltene Einblicke in die Gedankenwelt des Killers ein, die vor psychopathologischen Eigenheiten nur so triefen und es durchaus mit Mo Hayder oder dem frühen Thomas Harris aufnehmen, beziehungsweise nein: von der gelehrigen und wahrlich nicht untalentierten Miss Kasanda mit großer Wahrscheinlichkeit dort abgeschaut wurden.

Auch den idealen Kompromiss zwischen enger Fokussierung durch Killer, Opfer oder Helfershelfer und den für das Vorantreiben des Handlungsverlaufs wesentlichen Hinweisen extern-allwissender Art findet Kasanda souverän. Hinzu kommt ein Tableau an Psychogrammen, das bei sämtlichen weiblichen Figuren zu überzeugen vermag: von der tugendhaft den Unverschämtheiten Dantes widerstehenden Farusja bis hin zur militant eifersüchtigen business bitch an Dantes Seite mit dem putzig deutschangelehnten Namen Roberta Erlichmann.

Die männlichen Charaktere wirken allerdings etwas überzeichnet: nicht alle, aber doch die wichtigen, vor allem Dante selbst. Während die Begleiter seines Aufstiegs es sich in seiner Entourage gemütlich gemacht haben und weiterhin mit Drogen dealen, auf den großen Bruder hinaufblicken und sich nicht zuletzt an den von ihm selbst abgelegten „fuck exploits“ (S. 99) schadlos halten, wird bei Dante ein Schippchen zu viel aufgelegt. Dante ist Sexmaschine und Beau, skrupellos und dann doch gewissenhaft, Business Whiz Kid und der Pate von Namibia in einem, dem niemand so recht in die Quere zu kommen wagt, als er zwischen Mord Nummer 2 und Mord Nummer 3 endlich selbst ins Visier der Herren Ermittler vom Morddezernat der Kripo gerät.

Die Figur fällt am Ende auseinander; mehr Dosierung in den expositorischen Kapiteln des ersten Drittels hätte dem sicher abgeholfen. Auch dem Serienkiller selbst wird das Dämonenhafte mehr angedichtet und auf den Leib affirmiert, als dass er es durch Taten oder indirekt geredete Worte unter Beweis stellt. Dass Kasanda es auch anders kann, zeigen die Zeichnungen der beiden Windhoeker Detectives: vor allem mit dem Sidekick des Ermittlers und dessen so beharrlichen wie klugen Hinterzimmeraktivitäten sorgt sie auf den letzten Metern vor dem Dénouement für Schwung.

600px-Namibia_on_the_globe_(Africa_centered).svgFazit

Dass die von Dante Dumeno dominierte Businesswelt der namibischen Gegenwartsrealität nicht unbedingt entspricht: egal. Dass bei der multikopulativen Freizeitgestaltung Dantes eine Menge übler Geschlechter- und Geschlechtsverkehrsklischees fröhliche Urstände feiern, HIV/AIDS aber nie ein Thema ist: sei’s drum. Dass Windhoek seltsam gesichts- und geruchslos bleibt und der Roman in jeder beliebigen anderen Kapitale im entkolonialisierten Afrika spielen könnte: geschenkt. Was Sharon Kasanda mit „Dante International“ vorlegt, ist ein ambitionierter und streckenweise überzeugender, allerdings nicht wirklich überragender Einstieg in die Crime Novelist-Szene Afrikas. Dass es für die Longlist des Commonwealth Buchpreises (aber noch nicht für die Shortlist) gereicht hat, geht in Ordnung.

Bruno Arich-Gerz

Sharon Kasanda: Dante International. Windhoek: Wordweaver Publishing House 2012. 18,99 Euro. oder 180 N$ (= Namibia Dollar).  Mehr hier. 

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