Geschrieben am 15. Februar 2016 von für Bücher, Crimemag

Roman: Andrea Camilleri: Das Spiel des Poeten

camillieri_Montalbano hat Entzugserscheinungen … und wir auch …

Stefan Linster hatte sich auf den neuen Montalbano gefreut, auf „Das Spiel des Poeten“. Jenseits einer virtuosen Übersetzung aber war es keine rundum freudige Begegnung.

„Womöglich war sein mörderischer Wahnsinn eine Spielart der Grausamkeit von Kindern, die einer Eidechse den Schwanz abschneiden.“

Wenn es auch schmerzt, so muss ich es doch einmal loswerden. Das letzte Werk des hochverehrten Camilleri hat mich ziemlich enttäuscht! Wobei es eigentlich ganz munter angefangen hat. Nämlich so:

Nach Jahrzehnten friedlich ausgelebten religiösen Fanatismus beschließt ein steinaltes Geschwisterpaar, das sündige Volk Vigàtas wenn nicht der Erlösung, so doch der gerechten Strafe Gottes zuzuführen, und belegt darob die Unbußfertigen von hoch aus ihrer Wohnung herab mit sehr irdischem Kugelhagel. Nachdem Montalbano und seine Leute ihrer Herr geworden sind und sie dingfest gemacht haben, taucht unvermutet die durch eifrigen und langen Gebrauch stark ramponierte Gummipuppe des alten Zausels – die „Braut […], die Gott [ihm] gegeben hat” – auf, zunächst zwar bloß visuell in den einschlägigen Medien, dann aber auch als vermeintliche Leiche in freier Natur, was allgemein zu großer Heiterkeit führt, Montalbano indes nur mäßig amüsiert. Als der Commissario endlich glaubt, die Angelegenheit ad acta gelegt und die Puppe(n) sicher verwahrt zu haben, erhält er in kurzen Abständen mehrere Briefe mit unbeholfen zusammengestoppelten Rätselgedichten und alpha-numerischen Aufgaben, welche ihn zu einer „Schatzsuche” (so auch der Originaltitel!) herausfordern. Und da im Rayon Gelichter und Schandtaten gerade mächtig Flaute herrscht, lässt Montalbano sich halbherzig auf die Sache ein, bis er schließlich feststellen muss, dass sich das Spiel als grausiger Ernst erweist und der unbekannte Rätselfreund als perverser, zu allem bereiter Widersacher.

andrea_camilleriDie Haare raufen …

Hört sich gar nicht schlecht an, meinen Sie? Nun ja. Denn gewiss hat Camilleri seiner Fabulierlust kaum je Zügel angelegt und war sein Universum Vigàta mit den bukolischen Figuren rund um Commissario Montalbano stets eher surreal zu nennen und von den Fesseln der reinen Plausibilität nie über die Maßen gehemmt. Diesmal aber fand ich es doch des Guten zuviel, die – ja tatsächlich! – bestehende Verbindung zwischen den anfänglichen Puppendoktorspielen, einer nicht unlustigen bösen Posse würdig, und dem abartigen Ende des Duells wirkt dermaßen an den Haaren herbeigezogen, dass man sich selbige ausreißen möchte, ein erstaunlich skandinavisch krudes Ende zudem, was man vom alten Schöngeist so gar nicht kennt. Hoffentlich kein Symptom einer Anbiederung an die nordische Splatterei, wenn auch wahrscheinlich Zeichen einer gewissen Müdigkeit des Autors, wie ich sie bereits in „Der Tanz der Möwe“ diagnostiziert habe. Und dass manche Leser das Buch offenbar als spannend einschätzten, vermag ich lediglich auf den letzten 30, 40 Seiten nachzuvollziehen, was vor allem daran liegen dürfte, dass Natur und Urheber dieses gar nicht spielerischen „Spiels” eines arg unpoetischen Aufschneiders viel zu früh auf der Hand liegen. Allerdings ist es ja auch mit Büchern wie mit Wein, was dem einen ein rechter Krätzer, mag dem anderen die Lebensgeister anregen; und hoffentlich ist der nächste Jahrgang wieder besser …

NB: Zu guter Letzt aber meinen Respekt den Übersetzerkollegen Seuß und Kögler, welche die arg knitteligen Verse sowie die sicher schwer zu handhabenden Zahlen-Buchstaben-Rätsel eben nicht nur sinnfällig, sondern wohl eher virtuos übertragen haben.

Stefan Linster

Andrea Camilleri: Das Spiel des Poeten. Commissario Montalbano liest zwischen den Zeilen (La caccia al tesoro). Roman. Aus dem Italienischen von Rita Seuß und Walter Kögler. Lübbe 2015. 272 Seiten. 19,99 Euro.

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