Geschrieben am 26. Januar 2011 von für Bücher, Litmag

Rolf Dieter Brinkmann: vorstellung meiner hände

„Poesie … ist ein blinder König ohne Reich“

– Rolf Dieter Brinkmann ist ein Schriftsteller, der zeit seines kurzen Lebens versucht hat, die Grenzen der Literatur zu überschreiten und sich dabei nicht einordnen zu lassen. Der Rowohlt Verlag hat nun die frühen Gedichte „vorstellung meiner hände“ veröffentlicht. Von Karsten Herrmann

Der 1940 in Vechta Geborene und 1975 bei einem Autounfall in London Verstorbene hat ein Werk hinterlassen, das von Lyrik, Prosa, Essays und einem Roman über experimentelle Hörspiele und Filme bis zu späten Collage-Bänden wie „Rom, Blicke“ reicht. Das lyrische Opus Magnum ist der in seiner avancierten Technik geradezu programmatische und erst posthum erschienene Gedichtband „Westwärts 1&2“, der heute Kultstatus genießt.

Aus dem von der Witwe Maleen Brinkmann verwalteten und in den letzten Jahren Stück für Stück herausgegebenen Nachlass ist jetzt ein schmaler Band mit frühen Gedichten dieses späteren Underground-Avantgardisten erschienen. Sie geben Einblick in die Inkubationszeit eines jungen Dichters, der sich hier ausprobiert, der mit Formen, Stilen, Themen und Bildern variiert und die Gedichte als Resonanzraum für aktuelle Auseinandersetzungen mit Dichtern und Künstlern nutzt.

Eine starke Rolle spielt im ersten, zwischen 1959 und 1961 entstandenen Gedichtzyklus „Don Quichotte auf dem Lande“ noch eine melancholisch grundierte Naturlyrik, in der sich auch die Weiten und Einsamkeiten des Oldenburger Münsterlands widerspiegeln: „Wenn zu Mittag / im Holunderdickicht / die Stille die Messer / schärft.“ In freier Versform verbinden sich hier Naturerlebnisse mit Erinnerungen an die Kindheit oder Liebes-Topoi und kommen zuweilen durchaus schon gebrochen und surreal-märchenhaft verfremdet daher.

Im Gedichtzyklus „Vorstellung meiner Hände“ rückt die grundsätzliche Frage nach dem Sinn des Daseins und die Verzweiflung über eine ausbleibende Antwort stärker in den Vordergrund: „Wider meine Herkunft, dem / zufälligen Menschsein, das gewalttätig / seinen Anfang nahm als Schrei.“ In Gedichten wie „Fall out“ kündet sich aber auch schon die beißende und wütende Zivilisationskritik des späteren Brinkmann an.

„Vergessene Sprache zwischen Vogel und Fisch“

Trotz einiger origineller Ansätze sind die frühen Gedichte von Rolf Dieter Brinkmann sicherlich kein Geniestreich. Der junge Dichter hat hier nicht mit leichter Hand vollendete Poesie verfasst, sondern es ist das Gärende, Tastende, Suchende, die Auseinandersetzung mit den widerspenstigen Worten unmittelbar zu greifen und zu verfolgen. Viele

Rolf Dieter Brinkmann

Gedichte und Verse lassen entsprechend noch den eigenen Sound und Rhythmus vermissen, wirken in Bildsprache und Sinngehalt allzu gespreizt und überfrachtet.

So ist Brinkmanns Lebensprojekt einer Erneuerung und Erweiterung der Sprache in den frühen Gedichten überwiegend nur als Suchbewegung spürbar. Doch die lakonisch-(selbst)ironische Diagnose des Status Quo besticht schon hier: „Poesie neunzehnhundertsechzig / ist ein blinder König ohne Reich / ist eine vergessene Sprache zwischen Vogel und Fisch / ist ein alter Kinderschuh und ausgetreten.“

Karsten Herrmann

Rolf Dieter Brinkmann: vorstellung meiner hände. Frühe Gedichte. Reinbek: Rowohlt Verlag 2010. 98 Seiten. 16,00 Euro. Zu einer Homepage über Rolf Dieter Brinkmann. Zur Rolf-Dieter-Brinkmann-Gesellschaft geht’s hier.

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