Geschrieben am 12. Januar 2011 von für Bücher, Litmag

ROLAND HEER: FUCKING FRIENDS

Nach den Sternen greifen

– Es ist eine heikle Sache, wenn man an den Anfang seines Debütromans das Zitat eines berühmten Autors setzt. Und dann gleich Franz Kafka. Sein „Von einem gewissen Punkt an gibt es keine Rückkehr mehr. Dieser Punkt ist zu erreichen“ ist ein Klassiker, ganze Generationen von Schriftstellern haben das schon irgendwo mal gebracht. Damit legt man die Messlatte hoch. Kafkahoch. Von Christiane Geldmacher.

Wir erinnern uns: Kafka ist einer der berühmtesten deutschsprachigen Schriftsteller. Okay, es gibt auch noch andere. Georg Büchner, Thomas Bernhard und Friedrich Hölderlin zum Beispiel, Ingeborg Bachmann, Robert Musil, Robert Walser – you name it. Und genau das macht Debütant Roland Heer auch. 50 Namen präsentiert er uns im Nachwort. Warum? Er hat sie alle zitiert, verballhornt und erwähnt, die tollen Autoren. Wir fragen uns: Was will er uns damit sagen? Dass er die ganzen Autoren gelesen hat? Dass er sein Debüt genialisch um die Zitate illustrer Geister baut? Beides, steht zu befürchten.  Debütanten ist jedoch von Namedropping abzuraten. Das  muss gedeckt sein – und bei welchem Debütanten ist das schon? Welchen Jahrhundertgeist könnten sie schon erreichen? Sie nerven damit nur den Leser, bevor der überhaupt angefangen hat, den Roman zu lesen. Und am Schluss nochmal – nach den ganzen Zitaten, Verballhornungen, Erwähnungen. 50 Namen, getarnt als Danksagung.

Die Story von „Fucking Friends“ geht so: Extrembergsteiger Gregor klettert mit ein paar Leuten auf einen Siebentausender im Himalaya, und während er da noch hochkeucht, stürzen am Mont Blanc Frau und Kind ab. Ein furchtbarer Schicksalsschlag. Und schuldbeladen, denn Held Gregor hat zuvor eine andere gevögelt. Überhaupt. Man trennte sich im Streit.

Absturz, Suff, Drogen und Cybersex

Damit ist der interessante Teil der Story leider schon erzählt, und wir befinden uns erst auf Seite 23 von 379. Der Rest ist Absturz, Suff, Drogen und Cybersex. Das Problem dabei: Wir leben in Zeiten des Absturzes, des Suffs, der Drogen und des Cybersex. Da muss man schon einen verflixt guten Roman schreiben, um jemanden damit noch hinter dem Ofen vorzulocken. Jedenfalls wenn man so auf Effekte schreibt wie Heer. (Madonna gelingt das auch schon seit über einem Jahrzehnt nicht mehr)

Foto: Adrian Moser

Ein Absturz also. Der Held verliert seine Freelancer-Arbeit (er ist Comic-Zeichner; daraus hätte man was machen können, so viele Comic-Zeichner gibt’s in der Literatur noch nicht) und gewinnt all over the Internet Fucking Friends.  Die werden – nun ja, gevögelt. Das wird auch nicht origineller, indem man die Rechtschreib- und Grammatikfehler der Onlinedater übernimmt, um eine Authentizität des Geschriebenen anzutäuschen („Ich bin 170cm groß und habe lange Rehbraunen Haaren mit goldfarbenen Stränchen dazu kommen Rehbraune Augen und ein paar Sommersprossen“). Voller solcher Kalauer steckt das Buch. Um es mit den Worten des Helden zu sagen: zu flau. Ein Satz wie „Ich liege, ich stehe, es kommt mir, aber nicht in den Sinn“ will sich hier zur Katharsis aufschwingen. Im Angebot ist natürlich auch das unvermeidliche „Der Raum wabert“.

Trotz Internetschnickschnacks irgendwie ziemlich 80er

Am Ende hat der Held übrigens Aids. Was soll uns das sagen? Im Netz gibt’s keine wahre Liebe, sondern nur – bildlich gesprochen! – tödliche Krankheiten? Oha? Nichts wie raus? Die Message ist uns genau so egal, wie es der Held ist.

Vielleicht hätte dieser Roman mit nur 200 Seiten eine Chance gehabt. Extrembergsteiger und Comic-Zeichner – das hätte was werden können. Wenn man es verdichtet und die Pointen und Gags präziser rausgearbeitet hätte. So wird man nur von einem diffusen Redeschwall erschlagen, der trotz allen Internetschnickschnacks irgendwie ziemlich 80er ist.

Gelungen ist jedoch das Cover, deswegen ein Kompliment an den Schweizer Bilger Verlag. Sehr schön das Orange des FUCKING  gegen das  Pink der FRIENDS. Eine prima Idee, ein Zitat auf den Buchdeckel zu setzen. Das kannte man so noch nicht.

Christiane Geldmacher

Roland Heer: Fucking Friends. Roman. Zürich: Bilger Verlag 2010. 379 Seiten. 26 Euro. Roland Heer beim Bilgerverlag. Ein Interview mit dem Autor finden Sie hier.