Geschrieben am 26. Oktober 2011 von für Bücher, Litmag

Nichi Vendola: Es gibt ein besseres Italien

Hoffnung für Italien

– Nichi Vendola ist ein Phänomen. Nach einem wie ihn muss man in der deutschen Politik erst einmal suchen – und man wird niemanden finden. Seit Jahren schon gehört er zu den beliebtesten Politikern im Lande Berlusconis und der Mafia, der rassistischen Lega Nord und einer immer noch sehr einflussreichen katholischen Kirche. Selbstverständlich steht Vendola zu seinem „Schwulsein“. Von Carl Wilhelm Macke

Selbstverständlich bekennt er sich zu seinem katholischen Glauben und selbstverständlich ist er ein linker Politiker, dem die immer profilloser gewordenen ehemaligen Kommunisten zu harmlos sind. Und dann ist sein Erkennungszeichen auch noch ein Ring im Ohr, was den konservativen Bürgern ein ästhetisches Grauen ist. Ein charismatischer Redner ist der deutlich lispelnde Vendola auch nicht – aber alles zusammen macht ihn zu einem ungemein populären Politiker, der jetzt schon zum zweiten Mal zum Präsident der Region Apulien am Südende Italiens gewählt worden ist.

Und wenn man sein „Manifest für eine neuen Politik“ liest, dann kommt man manchmal aus dem Staunen nicht heraus. Er findet eine Sprache, die bei den Jugendlichen verstanden wird und gleichzeitig finden ihn auch ältere katholische Nonnen sympathisch, denen vielleicht das schwule Outing von Nichi unangenehm ist. Er attackiert ohne Kompromisse die vollkommen abgewirtschaftete politische Klasse in Rom, aber bleibt dabei auch immer sehr selbstkritisch. Wenn alle anderen Politiker – auch die der politischen Linken – nur noch von einem Tag zum anderen denken können, präsentiert Nichi Vendola Ideen für ein anderes, sozialeres, ökologischeres, bunteres Italien.

Die Titel einzelner Kapitel des Buches lesen sich wie aus einem Märchenbuch der Politik: „Eine bessere Welt ist möglich“ oder „Unterwegs zu neuen Perspektiven“ oder „Die Werkstatt der Kreativität“. Die Zyniker und Pragmatiker der Politik können über diese Naivität nur den Kopf schütteln. Und es wird auch in absehbarer Zeit vermutlich keinen Nichi Vendola als Nachfolger von Silvio Berlusconi geben, wie es sich viele in Italien erhoffen. Aber dass es da einen Politiker wie ihn gibt, der zu seinen vielen Widersprüchen steht und Naivität nicht als Schwäche interpretiert, vermittelt auch eine große Hoffnung – nicht nur für Italien. „Alle Ideen mit großer Wirkung sind einfache Ideen“, zitiert Nichi Vendola Leo Tolstoi – und es fällt schwer, ihm da zu widersprechen. Avanti Nichi!

Carl Wilhelm Macke

Nichi Vendola: Es gibt ein besseres Italien. Manifest für eine neue Politik. Aus dem Italienischen von Friederike Hausmann und Petra Kaiser. München: Verlag Antje Kunstmann 2011. 173 Seiten. 16,90 Euro.