Geschrieben am 10. August 2011 von für Bücher, Litmag

Martin Mosebach: Das Rot des Apfels – Tage mit einem Maler

Der Maler und sein Modell

Martin Mosebach über den Maler Peter Schermuly. Von Carl Wilhelm Macke.

Der Plot dieses Buches ist denkbar einfach und schnell dargestellt. Über viele Jahre hinweg sucht ein Schriftsteller einen Maler auf, um sich von ihm immer wieder porträtieren zu lassen. Und der Schriftsteller versucht dabei in Worte zu fassen, was den Maler bewog, das Modell so und nicht anders zu porträtieren. Sehr viel mehr geschieht in diesem Buch nicht. Lässt man sich aber in aller Ruhe und Konzentration auf dieses nicht besonders umfangreiche Buch von Mosebach ein, wird man Seite für Seite mehr in einen faszinierenden Lernprozess über Kunst hineingezogen. Und parallel dazu wird auch das Panorama einer engen Freundschaft zwischen einem Maler und seinem Modell gezeichnet, in der die Verständigung über die Kunst zum alles zusammenfügenden Band der Nähe wird.

Schon zu Beginn wird man mit einem irritierenden Zitat von Picasso auf die weitere neugierige Lektüre des Buches eingestimmt: „Ein Porträt muss unähnlich sein“. Die Kunst des Porträts liegt also nicht im Kopieren der Wirklichkeit, sondern in der Arbeit mit dem Modell. Dafür reicht eine flüchtige Begegnung auf der Straße nicht aus, wie man sie vor allem in den weltweiten Tourismusnestern immer wieder sieht. Der Künstler muss sich schon viele Stunden auf den Menschen einlassen, dessen Porträt er zeichnen möchte. Zwischen Maler und Modell beginnt mit dem ersten Zusammentreffen ein spannungsvoller, sich gegenseitig bereichernder Dialog. Der Maler Peter Schermuly hat in vielen Atelierssitzungen einige abgeschlossene oder halbfertig gebliebene Porträts von Martin Mosebach geschaffen. Sie sind auch in das vorliegende Buch integriert worden. Gleichzeitig hat aber auch Mosebach ein ungemein konzentriertes Porträt aus Worten von seinem Gegenüber, dem Maler Schermuly, gezeichnet. Sein Verhältnis zum Licht, seine Art, ein Bild zu „komponieren“, seine Inspirationen durch Vorbilder aus der Geschichte der Malerei. Wie malt man eigentlich die Haut des menschlichen Körpers? Welche Bedeutung haben die Hände als Teil eines Porträts? Welches Material ist welchem Modell angemessen? Wann ist die Arbeit an einem Bild abgeschlossen? Herrlich auch die Nachzeichnung der scharfen „Meinungskanten“ des Malers Peter Schermuly. Caravaggio ist für ihn ein „kalter und liebloser Vorläufer des sozialistischen Realismus“. Cèzanne besitzt nur ein „bescheidenes Talent“, dessen Bilder den Charme eines „zerbröselnden Zwiebacks“ ausstrahlen.

Peter Schermuly

Ein doppeltes Porträt

Nichts lässt der Schriftsteller in seinem ununterbrochenen Dialog mit dem Maler aus. Mosebach, der ja ansonsten auch seine oft provozierend konservativen Weltansichten mit schneidernder Polemik zu präsentieren weiß, konzentriert sich hier ganz auf die Darstellung des künstlerischen Prozesses. Und so ist dieses Buch über die „Tage mit einem Maler“ zu einem beeindruckend dichten literarischen Kammerstück geworden, das den Leser um viele Erkenntnisse über den Prozess der künstlerischen Arbeit reicher macht. Wer hat hier eigentlich wen porträtiert: der Maler den Schriftsteller oder der Schriftsteller den Maler? Wenn der Leser sich diese Frage am Schluss der in keinem Moment langweiligen Lektüre stellt, hat er den Sinn dieses Buches gut verstanden. Maler wie Schriftsteller lehren uns das genaue Sehen, das vertiefte Nachdenken über den Prozess des künstlerischen Schaffens.

Carl Wilhelm Macke

Martin Mosebach: Das Rot des Apfels. Tage mit einem Maler. Springe: Zu Klampen-Verlag 2011. 143 Seiten. 24,00 Euro.