Geschrieben am 14. April 2012 von für Bücher, Crimemag

Liza Marklund: Weißer Tod

Gähn!

Serienhelden und -heldinnen können dem Leser ans Herz wachsen, und dann schmerzt es, wenn ihre geistigen Väter oder Mütter so recht nichts mehr mit ihnen anzufangen wissen. Dieses Schicksal ereilt nun Annika Bengtzon, die Stockholmer Kriminalreporterin. In „Weißer Tod“ lässt Liza Marklund sie zum neunten Mal recherchieren, doch spannend geht anders. Eva Karnofsky gähnt.

Nach drei Jahren als Korrespondentin in den USA kehrt Bengtzon zurück in ihren alten Job, und es wartet auch gleich eine Frauenleiche im Schnee auf sie. Doch bevor sie sich in die Recherchen stürzen kann, wird ihr Mann entführt. Zwar ist Annika von dem ewigen Fremdgänger Thomas inzwischen geschieden, doch die beiden leben erneut zusammen.  Thomas ist im Innenministerium für Frontex zuständig, die „Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen“, die verhindern soll, dass Bewohner aus armen Drittstaaten in die EU gelangen. Die an Masochismus grenzende Duldsamkeit, die Marklund ihrer Protagonistin in ihrer Beziehung Thomas zuschreibt, ist nur schwer erträglich.

Die Katze lässt natürlich das Mausen nicht, und so ist Thomas zu einer Frontex-Tagung nach Nairobi aufgebrochen, weil er dort, von Annika ungestört, Kolleginnen anbaggern will. Die weiß natürlich Bescheid, weil er sein rosa Hemd eingepackt hat. Bei einer Reise ins Landesinnere werden die Frontex-Delegierten verschleppt, von einer Gruppe schwarzafrikanischer Terroristen, die damit gegen die Ausbeutung durch die Erste Welt protestieren, aber vor allem ordentlich abkassieren will.

Lächerlich

Zwar wird die schwedische Regierung nicht zahlen, doch sie stellt Thomas‘ Chef ab, Staatssekretär Jimmy Halenius, um die Verhandlungen mit den Kidnappern zu führen. Und von da an wird die Sache unglaubwürdig, ja geradezu lächerlich: Halenius macht das Schlafzimmer in Annikas Dreizimmerwohnung zu seiner Einsatzzentrale. Während er mit den Kidnappern chattet, wird er von Annika bekocht, und weil die Terroristen sich ja jederzeit melden können, bleibt der Staatssekretär auch gleich über Nacht. Schon in einem der vorherigen Bände fühlten sich Annika und der Staatssekretär zueinander hingezogen, und während die Entführer eine Geisel töten und Thomas eine Hand abhacken, landen die beiden im Bett. Ach ja, und nach Afrika fliegen sie auch noch.

Währenddessen übernehmen Annikas Kollegen den Fall der toten Frau im Schnee, irren sich gründlich wegen des Mörders, und Recht behält natürlich Annika, ihrer Intuition sei Dank. Dennoch will ihre Zeitung sie lieber heute als morgen loswerden. Warum,  das bleibt Marklunds Geheimnis, so wie sie auch für sich behält, warum Annikas langjähriger Chef plötzlich kündigt und ihre alte Freundin aus heiterem Himmel zur egoistischen Zicke mutiert. Mehr als in früheren Bänden bleiben die Figuren blutleer, weil die Beweggründe für ihr Handeln meist nicht erkennbar sind.

Liza Marklund sollte sich von Annika Bengtzon verabschieden, denn ihr fällt nichts mehr grundlegend Neues zu ihr ein. Die immer gleichen Verweise auf die Mutter, die die Schwester vorzieht, auf den von Annika in Notwehr getöteten Ex-Freund und die vorherigen Fälle verbreiten nur noch Langweile. Frontex lädt förmlich zu Krimis ein, doch Liza Marklund weiß dies nicht zu nutzen.

Eva Karnofsky

Liza Marklund: Weißer Tod (Du gamla, du fria, 2011). Deutsch von Anne Bubenzer und Dagmar Lendt. Berlin: Ullstein 2012. 379 Seiten. 19,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Zur Homepage von Eva Karnofsky.

Tags :