Fred Vargas und Edmond Baudoin – der zweite Band. Beim ersten, „Im Zeichen des Widders“, wollten die Paratexte vom Comic noch nichts wissen – hier schon. Kerstin Klamroth ist beinahe rundum zufrieden.
Nicht exclusiv,
aber trotzdem sehenswert: Auch die zweite Graphic Novel, die der Aufbau-Verlag als Kooperation von Fred Vargas und Edmond Baudoin präsentiert, ist nicht ganz taufrisch. Die Original -ausgabe mit dem Titel „Le Marchand d´eponges“ basiert auf der Erzählung „Cinq Francs Piéce“ von Fred Vargas , die 2002 in Paris erschien. Zuerst war also die Geschichte da, dann kamen die Bilder dazu. Und doch ist ein neues Kunstwerk entstanden. Baudoin intensiviert mit seinen kräftigen Schwarz-weiß-Zeichnungen die Atmosphäre der Story, besonders in den Dialogszenen, in denen er die Gesichter doppelt. Und das Gesicht, das er dem nonkonformistischen Kommissar Jean Baptiste Adamsberg gibt, mit wachen und zugleich träumerischen Augen, wird auch die Vargas-Fans versöhnen, die anfangs skeptisch auf die Illustrationen reagierten. Man munkelt übrigens, es könnte ein Selbstportrait Baudoins sein.
Die Story der wieder ganz in Rot eingefassten Graphic Novel ist einfach: Eine Dame aus höheren Kreisen wird angeschossen, ein Penner beobachtet das Attentat, will aber zunächst keine Angaben zum Kriminalfall machen. Um diesen Fall geht es auch gar nicht. Sondern darum, dass der Clochard Pi, der wegen seines Spitznamens sich der Zahlenmystik verschrieben hat, ins Leben zurückfindet. Adamsberg findet einen – wie immer – ungewöhnlichen Weg, wie immer nicht am Schreibtisch, sondern während seiner nächtlichen Spaziergänge. Die illustriert Baudoin stimmungsvoll und versieht seine Zeichnungen mit Symbolhaftem: Vogel- und Menschenpaare stehen den beiden Einzelgängern Pi und Adamsberg zur Seite und unterstreichen damit noch deren Einsamkeit.
„Die Tote im Pelzmantel“ ist nach „Das Zeichen des Widders“ der zweite Text, von Fred Vargas, den Edmond Baudoin in eine illustrierte Form bringt. Der frühere Buchhalter Baudoin, Jahrgang 1942, ist einer der poplulärsten französischen Illustratoren. Er nimmt sich die Freiheit, seine eigene Sprache sprechen zu lassen, dort wo der Text Empfindungen nur andeutet. In einem eigenen Kapitel thematisiert er die Fragen, die in der Zusammenarbeit mit Vargas entstanden: „Wie zeigt man, dass man eine Stadt atmen kann? – Ich möchte, dass man spürt, was ich in der Stadt empfinde.“ Freimütig gesteht Baudoin , dass er eigentlich lieber Natur- als Großstadtbilder male. Fred Vargas zuliebe ist er in die Tiefen der Metro gestiegen und dankt ihr für diese neue Erfahrung.
In einem Nachwort schreibt Klaus Schikowski, Comic-Publizist aus Köln, kundig über die Geschichte der Graphic Novel, angefangen bei Hergés „Tintin“, erschienen 1929 , über „Barbarella“ bis hin zu den japanischen Mangas. Dass allerdings eine Leseprobe aus Fred Vargas` „Der verbotene Ort“ das Bändchen abrunden muss, hinterlässt ein Geschmäckle. Man merkt die Absicht Werbung und ist verstimmt.
Kerstin Klamroth
Fred Vargas: Die Tote im Pelzmantel (Le Marchand D´Éponges, 2002). Comic. Deutsch von Julia Schoch. Berlin: Aufbau-Verlag. 95 Seiten. 14,95 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.