Geschrieben am 11. Januar 2010 von für Bücher, Litmag

Felicia Zeller: Bier für Frauen / Kaspar Häuser Meer / Gespräche mit Astronauten: Drei Stücke

Felicia Zeller: Drei StückeWelterklärungsflash

Felicia Zeller haben wir ja bereits als hellsichtige Prosa-Chronistin des (nicht nur) Neuköllner Alltags kennengelernt. Nun erscheint ein Band mit drei Theaterstücken der Autorin, den Tina Manske für uns gelesen hat.

Bekannt nämlich wurde Zeller an der Bühne, im September 2001 in Mainz, wo ihr Theaterstück Bier für Frauen zum ersten Mal zu sehen war. Darin sind Gespräche aufgezeichnet, die im Laufe fortgesetzten Bierkonsums entstehen. Erzählt wird also „die Geschichte junger Frauen, wie sie von ihnen selbst im Suff erzählt wird“. Zwölf Anmerkungen hat die Autorin dem Stück vorangestellt als versteckte Regieanweisungen, wie: „Fällt das Wort ‚Becks‘, so soll sofort alles stehen- und liegengelassen werden, um die Kinowerbung nämlicher Firma so exakt wie möglich nachzuspielen. Das Aufstellen einer Windmaschine ist hierbei von Vorteil.“ Allerdings auch das: „Auf der Bühne darf kein Bier getrunken werden und auch kein gelbes Wasser. Es darf gar nicht getrunken werden (es herrscht Trinkverbot). Es soll was anderes gemacht werden, was ist egal.“

,,und wie geht`s dir so? // auch scheiße.“

Und so labern sich die Frauen in einen Welterklärungs- und Selbstbezichtigungsflash hinein, dass einem richtig schwindelig wird beim Lesen. Wichtige Fragen werden erörtert wie, ob man jemals mit Leonard Cohen geschlafen hätte, wenn der willig gewesen wäre, diskutiert wird über den Modefaktor von Hörgeräten, und zwischendurch prügelt man sich auch ein bisschen. Daneben ist Platz für Sentenzen: „also wenn ich ein trink, trink ich auf jeden fall zwei.“ Ein allumfassender Sinn wird nicht gegeben und auch nicht gesucht, darüber ist man schon längst weg.

Die Frauen im zweiten Stück Kaspar Häuser Meer hingegen suchen ihn noch, und zwar in ihrer Arbeit. Die drei Jugendamtsmitarbeiterinnen Anika, Barbara und Silvia agieren auf der Bühne in einem riesigen Adventskalender, hinter dessen Türen Wohnzimmer, Flure und Treppenhäuser zu sehen sind (eine Herausforderung für jeden Bühnenbildner). Die Frauen repräsentieren drei Generationen, drei Gemütszustände, vom jugendlichen Idealismus (Anika) bis hin zur scheinbaren Abgeklärtheit des Routiniers (Barbara), doch überfordert sind sie alle, nicht nur Silvia, die schon laut Regieanweisung versucht, „immer mehr zu arbeiten, um das immer größer werdende Loch von Müdigkeit und scheinbarer Ergebnislosigkeit ihrer Arbeit zu stopfen“ – der Burnout, der auch schon den männlichen Kollegen Björn („Björn-Out“) traf, dampft hier allenthalben. Wieder dienen Anmerkungen der Autorin als Vorgabe, die wichtigste vielleicht diese: „Der Eindruck von Bewegungslosigkeit und scheinbarer Untätigkeit bei gleichzeitig ständig anstehender, inflationärer Tätigkeit ist Thema des Stücks.“ Tatsächlich hetzen die Protagonistinnen durch ihren Text, als sei der Teufel hinter ihnen her, und schaffen doch nie alles, was sie sich die ganze Zeit vornehmen. Wer jetzt noch kein Seitenstechen hat, der hat es garantiert nach Verkostung des Stückes.

Felicia ZellerStetige Gedanken- und Satzschleifen

Das letzte Stück Gespräche mit Astronauten wird am 4. Dezember 2009 im Theater Freiburg uraufgeführt. Es handelt von Haushalten, von Au-pairs und hysterischen Familien, von hohen Erwartungen und tiefen Stürzen, geschrieben im typischen Zeller-Sound, einem oftmals hochkomischen Sampling der Alltagssprache. Dem Leser solcher Stücke wird es nicht leicht gemacht, trotzdem hat er dem Zuschauer etwas voraus, nämlich die Möglichkeit, das Spiegelkabinett Zellers genau zu betrachten. Ihre Stücke enthalten wenig bis gar keine Handlung, sondern sind Zustandsbeschreibungen unserer Gesellschaft. Zeller wirft ihre Protagonisten in Situationen, in denen sie nichts ausrichten können, und lässt sie buchstäblich um ihr Leben reden. Die Autorin selbst wird oft mit der Aussage zitiert, ihre Stücke seien „an der fiesen Kante zum Realismus, aber nicht realistisch“. Das trifft es sehr gut, denn es ist ihr nicht um Authentizität zu tun. Felicia Zeller beobachtet zwar scharf, ihre Stücke und ihre Sprache allerdings sind hochartifiziell. Und das soll nun komisch sein, fragen Sie sich? Ja, ist es, und es bezieht seine Komik nicht aus einer Über-, sondern aus einer Umzeichnung. Schauen Sie es sich an, im Theater oder im Buch.

Tina Manske

Felicia Zeller: Bier für Frauen / Kaspar Häuser Meer / Gespräche mit Astronauten: Drei Stücke. Berlin: Lilienfeld Verlag 2009. 250 Seiten. 19,90 Euro

Foto: © Arno Bojak

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Ein Porträt von Felicia Zeller