Geschrieben am 16. Februar 2011 von für Bücher, Litmag

Dirk Stermann: Sechs Österreicher unter den ersten Fünf

„Das“ Cola, bitteschön!

Es gibt mehrere Methoden, die in Österreich lebenden Deutschen einzuteilen. Zum Beispiel in die, die die Bezeichnung „Piefke“ kennen, und in die, mit denen man so lange auf gutem Fuß bleibt, bis sie es rausgekriegt haben. Oder in die, die unsere Studienplätze vollsitzen (böse), und die, die bei uns Steuern zahlen und/oder Mozartkugeln kaufen (gut). Oder, und das scheint wohl das wichtigste Kriterium zu sein, in solche, die möglichst bald einen Deutschenstammtisch gründen, und solche, die das nicht tun. Darum, um diese letzte Unterscheidung, geht es in Dirk Stermanns Roman „Sechs Österreicher unter den ersten Fünf“. Von Bernhard Oberreither

In locker verbundenen Episoden erzählt die von weit nördlich des Weißwurstäquators stammende („Nordrhein-West-Bochum“) Hälfte des österreichisch-deutschen Comedy-Duos „Stermann und Grissemann“ die Geschichte einer Verösterreicherung im besten Sinne. Die läuft nicht ganz reibungslos, wenn man anno 1987 unvorbereitet nach Wien kommt, damals wie heute ein herrlicher Pfuhl aus Offenheit und Hinterlist, aus völkerverbindender Völlerei und Gehässigkeit, vor allem aus Wurschtigkeit (nachschlagen!): Da beginnen Gespräche mit „Gsindel!“, und man sagt in völliger Verkennung der Situation „Angenehm, Stermann“, da werden Leute rabiat, weil man „die“ und nicht „das“ Cola sagt, und man weiß kaum, welche der neuen Bekanntschaften gefährlicher ist, die Zuhälterin/Messerstecherin aus der Notaufnahme oder die wehrhafte Würstelfrau vom Naschmarkt (die man übrigens „Würschtlfrau“ ausspricht, um das auch gleich gesagt zu haben).

Diesen Parcours, der von freundlichen studentischen Saufgelagen über trübselige berufliche Saufgelage zu apokalyptischen Kulturschickeria-Saufgelagen führt, meistert unser Held ganz bravourös, und das auch noch ungemein witzig – in solchem Maß, dass man das Buch kaum im Bus lesen kann, ohne befremdete Blicke zu ernten. Neben dem Übertreibungsfeuerwerk, wie es Stermann in der Doppelkonference mit Grissemann in den gemeinsamen TV-Auftritten verlässlich zündet, wird in den locker aneinandergereihten Episoden auch ein feinerer, manchmal fast zarter Ton spürbar.

Ein kluges Buch zum Überleben in einer fremden Kultur

Bei all den Pointen ist es dann auch noch ein kluges Buch zum Überleben in der fremden Kultur (ja, man kann das auch „Kultur“ nennen), zur Einsicht in die Lücken der eigenen Urteilskraft und zum Umgang mit Menschen, die ein bisschen anders sind, auf die österreichische Art und Weise. Ja, man kann fast sagen, es ist ein kleiner Ethnologie-Ratgeber: Dass man nämlich auch eine Menge falsch machen kann, sieht man an den anderen, an den Stammtischdeutschen. Die tragen ihre noch im Vaterland aufgesetzte Brille überall stolz herum, unterscheiden streng zwischen dem Anderen und dem Eigenen und haben immer ein Wörterbuch mit österreichischen Phrasen dabei, damit die fremde Sprache auch ja fremd bleibt.

Foto: © Udo Leitner

Und der Höhepunkt eines solchen Romans? Cordoba, natürlich. So wenig an Fußball interessiert kann man als Österreicher nämlich gar nicht sein, dass man nicht von der fast mythisch gewordenen Schlacht im Jahr 1978 weiß, in der Österreich Deutschland 3:2 besiegt hat (was wohl auch das letzte Spiel war, auf das der österreichische Fußballfan ohne Scham zurückblicken kann). Cordoba jedenfalls wird am Schluss, der Icherzähler ist längst glücklich eingeösterreicherter Familienvater, nachgestellt auf einem heruntergekommenen Fußballplatz im Prater mit aus Urologen, Fußballern, Botschaftsangehörigen und Köchen zusammengewürfelten deutschen und österreichischen Mannschaften.

Mit der richtigen Einstellung kann man sich’s aussuchen, in welche man gehört, sieht man hier, als sich ein Deutscher von seinen bayerischen Kollegen ab- und der neuen Heimat zuwendet. Was man sonst noch lernt? „Jeder, der einen Deutschen foult, ist ein gerechter unter den Völkern.“

Bernhard Oberreither

Dirk Stermann: Sechs Österreicher unter den ersten Fünf. Roman einer Entpiefkenisierung. Berlin: Ullstein 2010. 270 Seiten. 16,95 Euro. Stermann liest. Mehr zu Stermann & Grissemann finden Sie hier. Ein Interview mit 11Freunde.de gibt’s hier

Stermann & Grissemann: Die Wahrheit über Cordoba
.