Ein furioser Erzähler
– Mit dem Italiener Christian Frascella betritt ein Nachwuchsautor die internationale Literaturbühne, der aufhorchen lässt: Sein Debüt „Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe“ kommt frisch, frech und in authentischer Tonlage daher. Von Karsten Herrmann
Frascellas Protagonist ist ein sechzehnjähriger namenloser Ich-Erzähler, der in schwierigen Familienverhältnissen lebt: Seine Mutter ist mit einem jungen Tankwart durchgebrannt, sein Vater hält sich mit Bier und Gelegenheitsjobs über Wasser und seine verachtete Schwester ist in einen frömmelnden Glauben geflüchtet. Als klassischer Antiheld ist er ein Einzelgänger, Großmaul und Rabauke, der ständig in Schwierigkeiten steckt, sich streitet und prügelt, der Schule verwiesen wird und schließlich konstatieren muss: „Mein Leben läuft nicht in die richtige Richtung.“
Einzig zu der schönen und älteren Chiara fühlt er sich hingezogen, doch seine machohaften Annäherungsversuche enden regelmäßig im Fiasko. Wie besessen stürzt er sich daher in einen neuen Job bei einer metallverarbeitenden Fabrik und bedient im Akkord eine Presse, die nicht nur Bleche biegt, sondern auch langsam das Leben aus den Arbeitern herauspresst.
Zwischen Absturz und Neuanfang
Trotz all seiner Niederlagen und der Rückschläge steht der Ich-Erzähler immer wieder auf, beginnt den Kampf von vorn als wäre ihm die mit ätzendem Spott überschüttete Welt um ihn herum noch etwas schuldig. Eine lebensbedrohliche Leberblutung seines Vaters bringt sein Leben schließlich auf einen schmalen Grat zwischen Absturz und Neuanfang.
Christian Frascella ist ein furioser Erzähler mit genauem Gespür für authentische Szenen und Dialoge. Überzeugend bringt er die Wut, Verzweiflung und Zerstörungswut seines Protagonisten rüber, hinter der eine tiefe Verletzlichkeit und Sehnsucht durchschimmeren.
Karsten Herrmann
Christian Frascella: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe (Mia sorella è una foca monaca, 2009). Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki. Frankfurt: Frankfurter Verlagsanstalt 2012. 320 Seiten. 22,90 Euro. Eine Leseprobe finden Sie hier.