Geschrieben am 23. März 2013 von für Bücher, Comic, Crimemag

Bloody Chops

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Bloody Chops – übersichtlich, gerecht und manchmal sehr blutig. Heute auf dem Hackblock von Joachim Feldmann (JF) Lucie Flebbes „77 Tage“ und Christian Davids „Mädchenauge“, auf dem von Thomas Wörtche (TW) Darwyn Cooks „Parker“-Comic.

411_rgb_6267f5c5fa_b0a3f6c4d0Grund zur Freude

(JF) Wie üblich hatte der Zug Verspätung. Technische Probleme, oder wie das heißt. Auf jeden Fall dauerte die Rückfahrt von der Leipziger Buchmesse länger als geplant. Da traf es sich gut, dass mir am Stand des Grafit-Verlags der vierte Kriminalroman von Lucie Flebbe in die Hand gedrückt worden war. In „77 Tage“ ermitteln Lila Ziegler und Ben Danner undercover bei einem Pflegedienst mit einer überdurchschnittlich hohen Sterberate. Der Verdacht, dass da jemand nachgeholfen hat, liegt nicht fern. Die kaufmännische Leiterin jedenfalls möchte Gewissheit, bevor sich die Sache herumspricht.

Vor fünf Jahren debütierte Lucie Flebbe (damals noch Klassen) mit dem ersten Fall für Ziegler und Danner, „Der 13. Brief“. In der fiktiven Welt der Romanreihe sind allerdings erst sechs Monate vergangen, in denen das ungleiche Detektivgespann drei weitere Fälle gelöst hat. Und alle hatten, das scheint ein Prinzip der Autorin zu sein, mit einem akuten gesellschaftlichen Notstand zu tun, der auf krass realistische Weise dargestellt wird. Dabei vermeidet Lucie Flebbe jede Larmoyanz, schließlich ist ihre Heldin eine bemerkenswert unsentimentale Erzählerin. Dass sie obendrein eine gute Ermittlerin abgibt, versteht sich von selbst.

Gar nicht selbstverständlich für hiesige Verhältnisse aber ist das handwerkliche Niveau dieser Kriminalromane. Lucie Flebbe konstruiert kluge Plots und versteht sich auf den richtigen Ton. Wer sich gelegentlich aus professionellen Gründen durch ganze Stapel einschlägiger Spannungsware wühlen muss, weiß diese Qualitäten zu schätzen.

Die Zugfahrt jedenfalls gestaltete sich dank Lila Ziegler ausgesprochen kurzweilig. Und der Umstand, dass der fünfte Fall der Serie gerade erschienen ist, ist durchaus ein Grund zur Freude.

Lucie Flebbe: 77 Tage. Roman. Dortmund: Grafit 2012. 252 Seiten. 9,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

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248106967_3c597fb8d6Starke Bilder

(TW) Brutal, elegant, stylish, retro, sehr clever und intelligent, Design der frühen 1960s, cool, erzählen mit Bildern, manchmal seitenweise ohne Text, dann wieder mit viel Text und kargen Bildern. Farblich zart, inhaltlich rau und roh: Die Comic-Adaption von „The Hunter“, der erste Teil von vier Parker-Adaptionen des kanadische Comic-Künstlers Darwyn Cook, ist wesentlich bildstärker als die simple Story. Aber die ist ja auch bekannt: Der brave Gangster Parker wird bei einem Job reingelegt und angeschossen. Er päppelt sich wieder auf und nimmt Rache an seinen Kumpanen und natürlich an der femme fatale, die bei so einem Plot immer dabei sein muss. Man ist geneigt, Parker als „anständigen Gangster“ in einer Welt anderer, unanständiger, weil nach kapitalistischer Logik agierender anderer Gangster (die man Geschäftsleute nennt oder Politiker oder sonst dergleichen) zu mögen, als romantischen Outlaw. Hier, bei Cooke kommt er als als schwarze Fläche daher, im kantigen Profil, bedrohlich, expressionistisch ausgeleuchtet, manchmal ganz und gar gesichtslos. Romantisch ist nur sein Abgang in den westlichen Abendhimmel … Es sind die Bilder, die virtuose Comic-Kunst, die hier faszinieren, die Einzelbilder, die Seitenkomposition, die Perspektiven, die Lust an der Abstraktion einerseits und die vielen, vielen Details aus Mode und Architektur, Interieur und Exterieur andererseits. Bilder sind oft stärker als alles andere. Bei „Parker“ auf jeden Fall.

Darwyn Cooke: Parker. Graphic Novel nach „The Hunter“ von Donald E. Westlake aka Richard Stark. (Richard Stark’s Parker – The Hunter, 2009). Deutsch von Stephanie Grimm. Köln: Eichborn/Bastei-Lübbe. 140 Seiten. 19,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

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David_MaedchenaugeP02DEF.inddMitnichten atemlos

(JF) An ihren Speisen wollen sie erkannt werden, die Helden durchschnittlicher Kriminalromane. So auch die beiden hier: „Belonoz stürzte sich zuerst auf die Frittatensuppe, danach auf den Zwiebelrostbraten. Bei Lily war es anders. Die Fülle an Ereignissen hatte ihr jeden Appetit vertrieben. Schon seit Stunden, und Lily wusste, dass das nicht normal war. Also ließ sie sich Palatschinken mit Marillenmarmelade kommen, denn Süßes war ihr immer willkommen. Dazu hatten die beiden weißen Gespritzten gewählt.“ Bei der „Fülle an Ereignissen“ um die „junge“ (Klappentext) Staatsanwältin Lily, die hier mit dem „zynischen“ (Klappentext) Major Belonoz von der Mordkommission zusammenhockt, handelt es sich natürlich um Ermittlungen im Falle eines Serienmörders. Dieser springt am Ende des Romans übrigens aus dem Fenster. Doch bis dahin ist es an dieser Stelle noch weit. Mehr als 300 Seiten folgen, die man mitnichten „atemlos“ (Kappentext) liest, sondern von einem wenig inspirierten Plot und einem erklärungswütigen Erzähler ziemlich gelangweilt durchblättert. Ach ja, Ort der Handlung ist Wien. Und der von seinem Lieblingsgenre mal wieder überforderte Krimifreund denkt sich, dass man aus Österreich auch schon Interessanteres gelesen hat.

Christian David: dchenauge. Roman. Wien: Deuticke 2013. 461 Seiten. 19,90 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

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