Geschrieben am 9. März 2013 von für Bücher, Crimemag

Bloody Chops

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Bloody Chops – heute haben Blut an den Händen Joachim Feldmann (JF) in den Fällen Cathi Unsworths „Opfer“ und Arno Strobels „Der Sarg“, Sophie Sumburane (SoSu) bei Max Bentows „Die Puppenmacherin“.

46433Konfus

(JF) Im Frühjahr 2003 fährt ein ehemaliger Polizist, der nach einer schweren im Dienst erlittenen Schussverletzung als Privatdetektiv arbeitet, in ein kleines Städtchen an der Küste Norfolks. 19 Jahre zuvor ist hier ein Mord geschehen. Nach dem Täter musste nicht lange gesucht werden, denn neben der grausam zugerichteten Leiche wurde eine blutbespritzte junge Frau im Zustand geistiger Verwirrung angetroffen. Glasklare Umstände also. Corrine Woodrows Verurteilung zu lebenslanger Haft war keine Überraschung. Doch nun gibt es DNA-Spuren, die darauf hinweisen, dass eine weitere Person am Tatort gewesen sein könnte. Eine Anwältin hat sich des Falles angenommen und Sean Ward, so lautet der Name des jungen Ermittlers, für Nachforschungen am Ort des Geschehens engagiert. Und wir Leser dürfen sofort mitspekulieren, denn ein zweiter Erzählstrang führt uns zurück in die frühen achtziger Jahre, wo wir Zeugen der Vorgeschichte des Verbrechens werden.

Es braucht allerdings kein großes kriminalistisches Gespür, um zu ahnen, wer hier tatsächlich zum Messer gegriffen hat. Wer das Schoßhündchen seiner Großmutter einer Totalrasur unterzieht, ist auch noch zu ganz anderen Dingen fähig. Doch der mysteriöse Mordfall ist nicht das einzige Verbrechen, um das es in Cathi Unsworths Roman „Opfer“ geht. Die britische Autorin hat mit dem Küstennest Ernemouth das Musterbeispiel einer moralisch korrumpierten Kleinstadt erfunden. Und mittendrin steckt Len Rivett, damals Polizeichef des Ortes, der noch im Ruhestand alle Fäden in der Hand zu halten scheint. Ein diabolischer Charakter, der wie ein Zwillingsbruder von Hank Quinlan wirkt, dem Prototyp des korrupten Bullen aus Orson Welles Klassiker „Im Zeichen des Bösen“.

Die richtigen Ingredienzien sind also vorhanden. Doch leider zeigt sich Cathi Unsworth ihrem Stoff, dessen Fülle hier nur angedeutet werden kann, kaum gewachsen. Die Handlung wirkt eher konfus als komplex, was allerdings auch an der Präsentation durch eine brachial agierende Erzählerin liegen mag, die, ohne besonderes Geschick darin zu beweisen, große Freude an plötzlichen Perspektivwechseln hat. Die betuliche deutsche Übersetzung mit den inzwischen notorischen Fehlern im Gebrauch von Präpositionen (Liebe für?) tut ein Übriges. Und wieder einmal fragt man sich, ob die britischen Kollegen, die „Opfer“ einen „intricate plot“ bescheinigten und seine Autorin als „the first lady of noir fiction“ preisen, ein anderes Buch gelesen haben.

Cathi Unsworth: Opfer. (Weirdo. 2012) Deutsch von Hannes Meyer. 382 Seiten. Berlin: Suhrkamp Nova 2013. 14,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

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254_20404_125836_xxlDie heißeste Nachbarin aller Zeiten

(SoSu) Und hier haben wir ihn, den Prototyp eines Thrillers, auf den man gut hätte verzichten können. Die Spannung des Buches beruht fast ausschließlich auf der immer ekliger und abstruser werdenden Beschreibung der Mordopfer und nicht auf einer spektakulären Lösung eines mitreißenden Falls.

Nils Trojan – der Ermittlerheld – schläft eigentlich nie, schleppt sich nach mehreren Tagen das erste Mal wieder in seine Wohnung und steht prompt, vor lauter Erschöpfung verwirrt, vor der falschen Tür. Einer Tür, die zur heißesten Nachbarin aller Zeiten führt, was ihm offenbar aus einer verborgenen Quelle bombige Kräfte verleiht, kann man der Beschreibung des Geschlechtsaktes Glauben schenken. Dabei wollte er doch die Psychologin erobern?

Das sind die Fragen, die interessieren, so scheint der Autor zu glauben.

Der vorhersehbare Fall produziert Fährten, die sich bei logischem Mitdenken schon bei der ersten Andeutung als falsch herausstellen und am Ende steht ein Täter, auf den natürlich nie jemand gekommen wäre – klar, wenn er vorher eben einfach nie vorkommt.

Und wie es der Stil des Buches so will, muss natürlich alles in grenzenloser Aktion enden, die namensgebende Protagonistin Josephin (eine Puppenmacherin,) auf die es der Täter hauptsächlich abgesehen hat, soll in einem Sarkophag aus Bauschaum enden, der nur ihr Geschlechtsteil freilässt. Wozu kann man sich denken, der Autor spricht es dennoch aus. Im Berliner Spreepark Plänterwald, einem verlassenen Vergnügungspark, kommt es dann zum 90-seitigen „Show-Down“. Ganz ehrlich, mir ist es noch nie passiert, dass ich ein Buch während des Show-Downs weggelegt habe. 90 Seiten? Der Täter ist bekannt, alles geklärt – jetzt mach halt Schluss, Mann!

Da wird auf funktionsunfähigen Riesenräder raufgeklettert (nach vorangegangener dreitägiger Schlaflosigkeit), in Achterbahnhöhlen herum gekrochen und es gibt Schießereien, beinen denen jeder normale Mensch um die fünf Mal tot gewesen wäre.

Ach komm, ich hör jetzt auf …

Dass der zweite Thriller des Berliner Autors Max Bentow im Wesentlichen eine Kopie seines ersten, „Der Federmann“, ist und es permanente nervige Rückgriffe auf diesen ersten Fall gibt, kann man sich fast schon denken, ich sag’s zur Sicherheit aber nochmal.

Max Bentow: Die Puppenmacherin (Psychothriller). München: Page&Turner. 2013. 382 Seiten. 14,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

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Strobel_Sarg_HK_fin.inddDer Sarg als Klischeekiste

(JF) Eine Frau träumt davon, in einem Sarg zu erwachen. Ihre verzweifelten Versuche, sich aus diesem Gefängnis zu befreien, sind erfolglos, und ihre Schreie bleiben ungehört. Ein böser Alptraum also. Doch als sie aufwacht, sind die Spuren des Überlebenskampfes an ihrem Körper unübersehbar. Und es bleibt nicht bei dem einen Mal. Dann wird ihre Halbschwester entführt und ermordet. Polizisten finden die Leiche nach einem entsprechenden Hinweis des mutmaßlichen Täters in einer notdürftig verscharrten Holzkiste. Die Indizien sind eindeutig. Das Opfer wurde lebendig begraben.

Weitere Morde folgen und die Alpträume werden häufiger. Auch ein Psychotherapeut kann nicht helfen. Dafür erfährt der Leser, dass die Lösung des Rätsels in der Kindheit der Patientin liegt. Denn wir haben es mit einem Roman der Gattung „Psychothriller“ zu tun, die seit jeher das bizarre bis mörderische Verhalten ihres Personals auf frühkindliche Traumata zurückführt. Ob sich in Hitchcocks „Spellbound“ (deutsch „Ich kämpfe um dich“, 1945) Ingrid Bergmann des schwer verstörten Gregory Pecks annimmt oder Karl Heinz Böhm in Michael Powells „Peeping Tom“ („Augen der Angst“, 1959) den filmenden Serienkiller gibt; am Ende des Films bekommen wir, wissenschaftlich fundiert, Aufschluss darüber, wo die Ursache der jeweiligen psychischen Fehlentwicklung liegt. Wirklich einleuchtend waren diese Erklärungen bei näherer Betrachtung nie, doch man überließ sich gerne der Suggestivkraft des Mediums Film.

Auf einen vergleichbaren Effekt wartet man bei der Lektüre von Arno Strobels Roman „Der Sarg“ allerdings vergebens. Papierne Dialoge und beschreibende Passagen von bedrückender Langatmigkeit werden durch gelegentliche Schock- und Gruseleffekte nur bedingt kompensiert. Auch der beherzte Griff in die Klischeekiste bei der Gestaltung des Figurenensembles trägt wenig zur Steigerung des Lesevergnügens bei. Wer dennoch bis zum Ende durchhält, wird mit einer Auflösung konfrontiert, deren bemühte Originalität Hitchcocks Genreklassiker „Psycho“ (1960) wie eine fundierte psychologische Fallstudie erscheinen lässt. Hoffnungsvoll stimmt immerhin, dass der „neue Strobel“, wie man den einschlägigen Blogs entnehmen kann, auch von seinen Fans nur ein recht verhaltenes Echo bekommen hat. Um den Publikumsgeschmack hierzulande steht es also noch nicht ganz so schlimm, wie man manchmal befürchten möchte.

Arno Strobel: Der Sarg. Roman. Frankfurt am Main: Fischer 2013. 377 Seiten. 9,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

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