Kühn, kultig, komisch
– Zu seinem 50. Geburtstag hat der Wagenbach-Verlag fünf junge Autoren aus fünf Ländern in sein Programm genommen, die frische Prosa versprechen und einen frischen Blick auf ihre Welt werfen sollen. In seinem Kurzroman „Wojna“ erzählt der Franzose Arthur Larrue so von einem anarchistischen Künstlerkollektiv in Sankt Petersburg, über Repression und Rebellion im Russland unter Putin. Von Karsten Herrmann
Der 1984 in Paris geborene Arthur Larrue unterrichtete vier Jahre lang an der Universität von Sankt Petersburg und verlor nach der Veröffentlichung seines auf eigenen Erlebnissen basierenden Roman seine Stelle und sein Visum. In „Wojna“ erzählt er von einer einzigen rauschhaften Nacht in St. Petersburg, in der der Ich-Erzähler in der Wohnung einer Freundin auf das gleichnamige und sich auf der Flucht befindliche anarchistische Künstlerkollektiv trifft, das den russischen Staat mit seinen Aktionen und Performances bis auf das Blut reizt. Assoziiert ist diesem Kollektiv auch Nadeschda Tolokonnikowa, die spätere Mitbegründerin von „Pussy Riot“. Sie rebellieren mit Mut und Witz gegen ein Russland, das „vom Meister zum Sklaven“ geworden ist und gegen eine Miliz, die der Vorsehung gleichkam, „undurchschaubar und unwiderruflich“. Die Russen sollen nicht länger Angst vor ihrem Staat haben müssen: „Es reichte. Bald wird man über den Staat lachen“.
Expressiver Furor
Doch der Staat schwebt schon in Form von Kommissar Komarow wie eine Guillotine über „Wojna“ und es ist fraglich, ob es für sie nach dieser die Erzählung umfassenden Nacht noch ein Morgen gibt. Aber Zukunftsangst scheint diesen Avantgardisten und Anarchisten fremd: „Es gibt kein Morgen. Morgen ist was für Schlappschwänze.“
Arthur Larrue erzählt seinen Kurzroman mit expressivem Furor, lässt ein nächtliches Sankt Petersburg aufscheinen, das an die düster-wuchtigen Bilder der deutschen Expressionisten erinnert. Da flimmern die Lichter der Stadt im Regen und es stülpt sich der bleigraue Himmel „über die rostigen Dächer wie eine riesige Kröte.“ Und im Hausflur begegnet dem Ich-Erzähler eine Hanf anbauende russische Großmutter „mit einem Gesicht so rund wie ein bretonischer Butterkeks.“ „Wojna“ ist ein Roman wie ein kurzer heftiger Rausch: Bildgewaltig, kühn, kultig und komisch.
Karsten Herrmann
Arthur Larrue: Wojna. Aus dem Französischen von Max Stadler. Wagenbach 2014. 104 Seiten. 12,90 Euro.