Geschrieben am 10. August 2013 von für Bücher, Crimemag

Andreas Schnabel: Tod inclusive

Andreas_Schnabel_Tod inclusiveSpargelstechen auf der Wellness-Finca

‒ Andreas Schnabels fünfter Mallorcakrimi leidet an Seitenstrangangina, überzeugt aber mit Wortwitz und der Lust am fantasievoll-perversen Verbrechen. Eine Besprechung von Bruno Arich-Gerz.

Er war der schmächtigste und jüngste der acht Söhne des LPG-Vorsitzenden und Schweinewirtes und hatte selbst als Kind niemals gelächelt. Mit dreizehn durfte er zum ersten Mal selbst schlachten. Das war natürlich inoffiziell. Die LPG produzierte ja fast ausschließlich für West-Devisen. „Wilhelms Quieker werden nicht geschlachtet, sondern gesprengt“, hieß es überall. „Das Fleisch fliegt in den Westen, die Knochen nach Polen, und die Scheiße bleibt für die Arbeiterklasse.“

Die Reminiszenz an eine DDR-Kindheit auf einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft trügt. Der Regiokrimi spielt nicht im Mecklenburgischen. Vielmehr schnappt sich Autor Andreas Schnabel die besonders abgründigen Finessen des ostdeutschen Schweineschlachtens und lässt sie auf der beliebtesten Urlaubsinsel der Deutschen wieder frei. Auf Mallorca wird daraus die Anleitung zum Glücklichsein eines durch und durch perversen Serienkillers und Menschenschmugglers, den alle ehrfurchtsvoll nur El Padrón nennen. Um das Gequieke seiner Opfer nicht mehr hören zu müssen, rückt der Padrón ihnen vor dem eigentlichen Abmurksen schon mal mit dem Spargelstecher auf (und in) den Hals.

Meucheln auf der Finca

Die ausgefallene Meuchelei ist nicht das einzige Verbrechen, das einem in „Tod inclusive“ kredenzt wird. Eine ostmallorquinische Wellness-Finca dient dem Padrón und seinen Komplizen als Umschlagplatz für wohlhabende Frauen, die – wenn sie denn nicht nur reich, sondern zudem hinreichend sexy sind – nach Nordafrika geschmuggelt und dort zwangsverheiratet werden. Die nicht ganz so attraktiven Damen werden immerhin ihr Vermögen los und taugen ansonsten als Folteropfer; Gleiches gilt für alle zu neugierigen Angehörigen dieser Damen. Einem solchen Angehörigen, dem Freiherrn Guntram von Michelsen zu Ahrenshoop, trägt der Padrón eine weitere fantasievoll-perverse Sonderbehandlung mit Todesfolge an, was tags darauf den mallorquinischen Kommissar Cristobal García Vidal und seinen Sidekick, den deutschen Privatschnüffler a. D. Michael Berger, auf den Plan ruft.

Torturen
© Britta Schmitz

© Britta Schmitz

Während die beiden Ermittler zwischen Palma, Felanitx, Manacor und Santanyí Licht ins Dunkel des Aristokratenmordes bringen, wechselt der Autor nach knapp dreißig Seiten abrupt den Schauplatz. In einem Nebenstrang erzählt Schnabel die Geschichte einer attraktiven luxemburgischen Ärztin, die in den Maghreb verschachert wird und das Glück hat, mit dem jungen Nachwuchsclanführer Yussuf Al Madgier auf einen homosexuellen Offizier der algerischen Luftwaffe zu treffen, der es mit der Verrichtung seiner ehelichen Pflichten nachvollziehbarerweise nicht wirklich ernst meint. Der Seitenstrang leidet bedauerlicherweise schnell an akuter Glaubwürdigkeits-überhitzung und entwickelt kleine Eiterpickel aus Exotismus und eurozentrischem Überlegenheitsgehabe. Das ist schade, denn ohne die Parallelgeschichte im Maghreb wäre der Showdown auf Mallorca nur halb so plausibel.

Schnabels Fabulierlust erscheint unerschöpflich, was ausgeklügelte Torturprozeduren und Tötungstechniken betrifft, und auch an Wortwitz und flotten Dialogen mangelt es dem fünften Inselkrimi des Sechzigjährigen nicht. Die Entourage der Ermittler ist allerdings sehr auf shiny happy people gebürstet und das glaubwürdigkeitsheischende Bejammern der notorisch unterausgestatteten Polizei wird durch den ständigen Einsatz von Spezialkommandos ebenso konterkariert wie durch das jederzeit verfügbare, aber technik- und personalintensive digitale Wissen über alle und alles auf Malle und im Maghreb.

„Tod inclusive“ ist ein Kann, kein Muss. Immerhin, Mallorca-Urlauber und Daheimgebliebene werden nach der Lektüre mit anderen Augen auf die nächste Spargelsaison blicken.

Bruno Arich-Gerz

Andreas Schnabel: Tod inclusive. Köln: Emons Verlag 2013. 302 Seiten. 10,90 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

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