Geschrieben am 7. September 2011 von für Litmag, Sachen machen

Sachen machen: Slimyonik

Luft in der Hose

– Isabel Bogdan begibt sich für CULTurMAG ins Handgemenge mit den Dingen und probiert skurrile, abseitige und ganz normale Sachen aus. Unterstütztes Abnehmen zum Beispiel.

Pfffffffft, krrrrrrrrrrrrr, knack. Krrrrrrr, pfffffffffft, knick-knack. Krrrrrrrrrrrr.

Wäre ich Ernst Jandl, dann könnte ich aus den Geräuschen bestimmt ein tolles Gedi… aber nu, ich bin nicht Ernst Jandl. Ernst Jandl liegt nicht in einer aufpumpbaren Riesenhose in einem kleinen, sterilen Zimmer im Hamburger Osten, sondern auf, nun ja, da bin ich dann doch wieder froh, dass ich nicht auf einem Friedhof, sondern in einer aufpumpbaren Riesenhose in einem kleinen, sterilen Zimmer im Hamburger Osten liege und dem Aufpumpgerät zuhöre: Krrrrrrrrrrrrr, pffffffffft, knack, pffffffffffft, krrrrrrrrrrr.

Die aufblasbare Hose heißt „Slimyonik“. Als ich allerdings an der Rezeption sagte: „Ich habe einen Termin für die Abnehmhose“, fand die Dame das offenbar nicht besonders witzig. Man würde mit der Slimyonik nicht abnehmen, man könne das Abnehmen dadurch höchstens unterstützen. „Unterstützen“ scheint mir überhaupt eins der Lieblingswörter dieser Branche zu sein. Dabei weiß ich nicht mal, was genau das für eine Branche ist – Wellness ist es nicht, Medizin wohl auch kaum, und Fitness schon gar nicht. Vielleicht ist es die Unterstützungsbranche für alle drei. Pfffffft, krrrrrr. Möglicherweise ist es auch einfach die Branche, die Geld damit verdient, dass Frauen sich nicht schön genug fühlen.

Denn das Zweite, was die aufblasbare Hose kann (oder nicht kann), ist: Cellulite verringern. Kann man schön in dem kleinen Werbevideo mit dem bescheidenen Titel „Slimyonik, das Wunder“ sehen.

Krrrrrrr, pfffffffft, knack. Die Hose geht von den Füßen bis zur Taille hoch und hat 24 Luftkammern, die nacheinander aufgepumpt und wieder geleert werden. Es gibt unterschiedliche Programme: Slim- und Cellulite-Massage, reine Cellulite-Massage, Lymph-Massage, Sport-Massage und so weiter. Der Unterschied besteht vermutlich vor allem in der Choreografie des Aufpumpens. Ich habe keine Ahnung, in welchem Programm ich mich gerade befinde. Knick-knack, pffffffft, krrrrrrrrrr.

Die Hose wird ganz schön stramm aufgepumpt – dass da lymphdrainiert wird, glaube ich sofort. Und wenn sie nebenbei aus meiner Orangen- zarte Mandarinenhaut macht, soll’s mir recht sein, allerdings kommt mir auch der Gedanke, dass man da vielleicht nur durch schlichtes Zusammendrücken verschlankt wird. Wie so ein Stressball, den man zusammendrückt, und der dann langsam wieder seine ursprüngliche Form annimmt. Pffffft, krrrrr.

Zu blöd: Mein Fotoapparat ist in meiner Handtasche, und an die komme ich nicht ran. Oder doch? Ich versuche, mich in der aufgepumpten Hose von der Liege zu neigen, krrrrrr, strecke den Arm aus, pffffffft, noch ein Stückchen, dann komme ich an meine Jacke, und wenn ich geschickt genug an der Jacke ziehe, knack, kann ich vielleicht die Handtasche mit zu mir ziehen, pfffffffft, ich ziehe an der Jacke, aber die Tasche kommt nicht mit, huch! Fast wäre ich von der Liege gefallen. Krrrrrr. Ich sehe mich schon in einem Slapstickfilm, wie ich von der Liege falle, die Luftkabel, die in der Hose stecken, reißen das Geräusche-Gerät mit runter, es schlägt ein Loch in den Boden (oder in mich), alles endet im Chaos. Pffffffft.

Ich verwerfe die Idee, ein Selbstporträt zu machen, und lege mich wieder ordnungsgemäß hin. Krrrrrrrr.

Nach vierzig Minuten, in denen mal nur Teile der Hose, immer schön langsam nacheinander von oben nach unten oder von unten nach oben, mal die ganze Hose auf- und wieder abgepumpt wurden, ist es vorbei. Pfffffft.

Als ich nach Hause komme, ist für drei Tage Kinderbesuch da, und ich verschwende keinen einzigen Gedanken mehr an meine Cellulite. Am nächsten Tag gehen wir in den Zoo, den ganzen Tag, die Sonne scheint, die Kinder sind glücklich, ich auch, die Tiere sind super, zwei jugendliche Elefanten toben ausgiebig zusammen im Wasser herum, das sieht mal wirklich nach Wellness aus, da macht schon das Zugucken Spaß.

Ich will mich gar nicht zu sehr lustig machen. Die Hose, beziehungsweise die Luft in der Hose, packt schon ganz schön kräftig zu, und ich bin überzeugt, dass das irgendeine Wirkung hat. Allerdings bin ich auch überzeugt, dass Frauen viel zu sehr eingetrichtert bekommen, sie müssten dünner sein und weniger Cellulite haben und überhaupt dauernd etwas für ihre Schönheit tun.

Bleibt die Massage, Massage ist natürlich immer angenehm. Wenn ich massiert werden möchte, dann allerdings lieber von einem Menschen, aber das ist natürlich nur meine persönliche Vorliebe. Meine andere persönliche Vorliebe ist, mit Kindern in den Zoo zu gehen. Das macht mich sicher glücklicher als so eine Hose. Und glücklich macht schön, alte Regel. Cellulite, pffft.

Isabel Bogdan

Isabel Bogdan übersetzt seit 10 Jahren Literatur aus dem Englischen (u. a. Jonathan Safran Foer, Miranda July, ZZ Packer, Tamar Yellin, Andrew Taylor). Sie lebt und arbeitet in Hamburg. Zum Blog von Isabel Bogdan.

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