bumm-chik-pok
– Isabel Bogdan begibt sich für CULTurMAG ins Handgemenge mit den Dingen und probiert skurrile, abseitige und ganz normale Sachen aus. Diesmal haut sie ordentlich rein.
Koordination ist ja so eine Sache. Ich hatte als Kind eine Weile Klavierunterricht, und jetzt steppe ich seit ein paar Jahren; theoretisch bin ich also nicht komplett ahnungslos, aber so ein Schlagzeug ist dann doch noch mal etwas anderes. Klavier habe ich auch schon ewig nicht mehr gespielt, und Steppen ist mehr Tanz als Musik, oder nun ja, Interpretationssache. Jedenfalls braucht man nur die Füße. Aber immerhin lernt man, bis acht zu zählen, und bekommt rhythmisch ein bisschen Übung.
Dachte ich.
Aber jetzt sitze ich neben Thomas Altmann, der mir seine Siebensachen erklärt: Snare, Bass, Hi-Hat, zwei Tom Toms, zwei Becken. Sieben Instrumente in einem, und das ist nur die Grundausstattung, das klassische Jazzschlagzeug. Viele Schlagzeuger haben noch jede Menge weiteres Spielzeug drumherum, aber ich finde sieben schon ganz schön viel. Ich kann ja nicht mal ein Instrument.
Wir fangen natürlich mit etwas Einfachem an: Mit der rechten Hand soll ich auf der Hi-Hat die Achtel schlagen, dazu mit dem rechten Fuß auf eins und drei die Bass und mit der linken Hand auf zwei und vier die Snare. Äh, ja nee, klar. Thomas macht es mir vor, es klingt einleuchtend und nicht so schwer. Er schlägt vor, ich soll den rechten Fuß und die linke Hand als eine Einheit sehen, die abwechselnd die Viertel schlagen. Das hilft, dann hat man nicht ganz so viel zu koordinieren. Super Trick, und theoretisch ist mir auch klar, was ich tun soll.
Ich setze mich ans Schlagzeug und probiere erstmal alles einzeln. Haue überall einmal drauf und bin viel leiser als Thomas, aber egal. Als ich anfange, auf der Hi-Hat die Achtel zu schlagen, stelle ich fest, dass schon das nicht ganz einfach ist. Also, wenn man wirklich im Takt sein und nicht immer mal schneller und langsamer werden will. Aber mit solchen Feinheiten halte ich mich jetzt nicht auf, ich schlage meine Achtel (chik-chik-chik-chik-chik-chik-chik-chik), nehme die Bass Drum dazu, huch! der Bums kommt irgendwann, aber nicht, als ich ihn haben wollte, und dabei verliere ich natürlich auch meine Achtel.
Nochmal: chick-chik-chik-chik-bumm-chik-chik-chik-bumm-chik-chik-äh-bummchik, huch. Und da muss jetzt noch die Snare dazwischen. In der Theorie: bumm-chik-pok-chik-bumm-chik-pok-chik, wobei auf bumm und pok jeweils auch gleichzeitig ein chik ist. Logisch.
Nur, dass meine Hände und Füße das nicht ganz so akkurat machen, wie sie sollen. Beziehungsweise, immer wenn sie es gerade halbwegs hinbekommen haben, freue ich mich so sehr, dass ich gleich wieder rauskomme. Aber hey, das macht Spaß! Bumm-chik-chik-mist, pok vergessen, bumm-chik-bumm-chik, auch falsch. Ich sage: So, jetzt nochmal langsam, und fange von vorne an. Chik-chik-chik-chik, Thomas lacht, das ist überhaupt nicht langsamer als vorher. Nö, aber konzentrierter. Hihi.
Drei Gliedmaßen zu koordinieren, die alle etwas anderes machen, ist gar nicht so einfach, und erschwerend kommt noch hinzu, dass die Hi-Hat, die ich mit rechts schlage, links steht. Ich muss also auch noch mit der rechten über die linke Hand hinwegreichen, und der Ton, den meine rechte Hand produziert, kommt von links. Das ist ein bisschen verwirrend und kommt mir erstmal total unpraktisch und unlogisch vor, aber ich weiß, dass das schon Generationen von Schlagzeugern so machen, und die sind ja auch alle nicht blöd. Irgendeinen Sinn wird es schon haben, ich hinterfrage das nicht weiter, sondern versuche noch mal, mich zu konzentrieren.
Als nächstes soll ich die Bass bei jedem zweiten Mal zweimal anschlagen. Chik-chik-chik-chik, bumm-chik-pok-bumm, bumm-chik-pok-chik, bumm-chik-pok-bumm, bumm-chik-pok-chick, ähm, also, was? (Weiterhin läuft die Hi-Hat natürlich durch, auf jedem Bumm und Pok ist also außerdem noch ein chik.)
Kriege ich schon rote Bäckchen? Hach, das macht Spaß. Manchmal läuft es sogar zwei-drei Takte hintereinander! Jippie! Sobald ich mich freue oder auch nur „geht doch“ denke, geht natürlich gar nichts mehr. Aber wenn es geht, dann, naja, klingt es noch ein bisschen rumpelig, aber man hört immerhin, was es sein soll. Auch wenn die Töne nicht alle gleich laut sind und nicht immer alles, was gleichzeitig kommen soll, auch wirklich gleichzeitig kommt.
Nächster Versuch, wir verschieben den doppelten Bumms um einen Schlag nach, äh, woanders hin. So, dass es kein Auftakt mehr ist: bum-chik-pok-chik, bum-bum-pok-chik, bum-chik-pok-chik, bum-bum-pok-chik, das ist irgendwie schwieriger als das vorhin mit dem Auftakt-Bumm. Falls das ein Auftakt war, ich kann so langsam nicht mehr wirklich denken, sondern – hey, vielleicht ist das eine gute Nachricht, denke ich plötzlich: ich fühle den Takt im Moment mehr, als dass ich ihn erklären könnte. Okay, dann nehme ich jetzt an, das wäre gut so und höre einfach auf zu denken.
Immer wieder hampele ich unbeholfen herum, haue sinnlos irgendwo hin und muss lachen. Das macht wirklich Spaß. Wenn ich merke, dass ich einen Schlag vergessen habe, hole mein Gehirn ihn einfach nach, irgendwo, wo er nicht hingehört, und wo er mich erst recht rauswirft. Mir fällt auf, dass mir das beim Tippen auch so geht – sobald mein Gehirn registriert, dass ich einen Buchstaben vergessen habe, holt es den nach. Aber eben da, wo ich gerade bin, und nicht da, wo er hingehört. Oft stehen also bei meiner chaotischen Tippweise am Ende alle benötigten Buchstaben da, aber in der falschen Reihenfolge. Beim Musikmachen haut es einen da natürlich total raus.
Weiter geht es mit Triolen. Also, Triolengefühl, man spielt aber nur die dritte und die erste. Swingtriolen. Das klingt dann so gehüpft, tadam, tadam, tadam. Wenn Sie mal mit dem Finger auf irgendwas klopfen und laut mitzählen würden: eins-zwei-drei, eins-zwei-drei, eins-zwei-drei, und dann weiterklopfen und beim Sprechen die zwei weglassen: eins – drei-eins – drei-eins – drei-eins – klar? Dazu wieder die Bass und die Snare. Chik-chikchik-chikbumm-chikchik-chikpok-chikchik-chikbumm-chikchik. Und dann mit doppeltem Bumm bei jedem zweiten Mal:
Bumm-chikchik-chikpok-chikchik-bummbumm-chikchik-chikpok-chikchik-chikbumm-chikchik-chikpok-chikchik-bummbumm-chikchik-chikpok-chikchik.
Uh. Alter Schwede. So langsam lässt meine Konzentrationsfähigkeit nach, und die Stunde ist auch fast rum. Aber eine Sache versuchen wir noch: wir bauen am Ende des vierten Takts ein Fill-In ein, bei dem – jippie-yeah! eins der Tom Toms und ein Becken mitbenutzt werden. Snare – Tom Tom – Becken machen statt der zweiten Hälfte des vierten Taktes jabbadabba – dabbadabba – duschschsch! Also ungefähr so:
Bumm-chikchik-chikpok-chikchik-bummbumm-chikchik-chikpok-chikchik-bummbumm-chikchik-chikpok-chikchik-bummbumm-chikchik — jabbadabba-dabbadabba-duschschsch! – chikchik – und da wird’s dann nochmal richtig schwierig, nach diesem Fill-In wieder einzusteigen, also im Rhythmus wieder bei Takt eins anzufangen, das, äh, kriege ich dann doch nicht mehr richtig hin. Zu Ende konzentriert.
Aber in den nächsten Tagen sitze ich zu Hause dauernd am Tisch und klopfe mit der einen Hand auf die Tischplatte und mit der anderen auf ein Buch oder einen Teller oder was halt gerade da liegt, mit dem Fuß nerve ich die Nachbarn unten drunter, und dann: Jabbadabba-dabbadabba-duschschsch! Riesenspaß.
Isabel Bogdan
Isabel Bogdan übersetzt seit 10 Jahren Literatur aus dem Englischen (u. a. Jonathan Safran Foer, Miranda July, ZZ Packer, Tamar Yellin, Andrew Taylor). Sie lebt und arbeitet in Hamburg. Zum Blog von Isabel Bogdan. „Sachen machen“ erscheint im August 2012 als Buch im Rowohlt Verlag.