Geschrieben am 23. November 2011 von für Kolumnen und Themen, Litmag, Sachen machen

Sachen machen: Rumkugeln

Water-Zorbing

– Isabel Bogdan begibt sich für CULTurMAG ins Handgemenge mit den Dingen und probiert skurrile, abseitige und ganz normale Sachen aus. Diesmal ist sie übers Wasser gegangen.

In einem Museum läuft gerade eine Ausstellung zum Thema Wasser, und da wird schnell ein Zusammenhang herbeikonstruiert, der diese Plastikkugeln rechtfertigt, in denen man auf der Alster herumkugeln kann. Der herbeikonstruierte Zusammenhang läuft irgendwie darauf hinaus, dass man, wenn wir unsere Gewässer weiter so verschmutzen, bald nur noch in geschlossenen Kugeln aufs Wasser kann, aber nicht mehr darin baden. Was vermutlich totaler Kokolores ist, zumal die Gewässer, jedenfalls in Europa, inzwischen sauberer sind als noch vor dreißig Jahren, aber egal, die Idee ist lustig, und ich bin natürlich dabei.

Also: dabei, nachdem ich eine Nummer gezogen habe und eine Runde um die Binnenalster geschlendert bin und noch ein bisschen getrödelt habe und Pommes gegessen und ein Alsterwasser getrunken und dann fast doch zu spät gekommen wäre. Aber jetzt!

Ich winde mich irgendwie in die schlaffe Plastikhülle, aus der gerade jemand anderes ausgestiegen ist, dann kommt ein Mann mit einem großen Föhn und pustet durch das Einstiegsloch Luft zur mir in den Ball. Der Ball wird größer und runder, er hat ungefähr zwei Meter Durchmesser, ich habe Platz darin und kann aufrecht stehen. Der Mann macht den Reißverschluss weiter zu, sodass nur noch der Föhn durch das Loch passt und beim Föhnen nicht genauso viel Luft rausgeht wie rein, und dann zieht er den Föhn ganz raus und macht den Reißverschluss zu. Ich finde, dass noch zu wenig Luft im Ball ist, er ist noch nicht prall genug, aber der Mann kennt sich da ja aus, und ich nicht.

Ich gehe zwei Schritte in dem Ball an den Rand des kleinen Pontons und dann einfach noch einen Schritt aufs Wasser, denn in diesem Ball kann man ja auf dem Wasser laufen. Er besteht aus einem ähnlichen Material wie handelsübliche Wasserbälle, also aus ziemlich dünnem Plastik, nicht viel stabiler als eine Einkaufstüte. Und auf einer Einkaufstüte kann man, entgegen meiner Hoffnung, durchaus nicht auf dem Wasser laufen. Man kann nicht einmal darauf stehen, sondern es macht natürlich schon in dem Moment, als ich den Fuß aufs Wasser setze, „platsch“, und ich liege in meiner Plastikkugel auf dem Wasser.

Aber irgendwie muss es doch gehen – nicht, dass ich bei den anderen umhertreibenden Plastikkugeln sehen würde, dass es jemand schafft, darin zu stehen oder gar zu gehen, aber versucht werden muss es natürlich. Ich gehe in den Vierfüßlerstand, richte mich halb auf, kippe, platsch. Glücklicherweise fällt man weich, man fällt ja aufs  Wasser, beziehungsweise auf das weiche Plastik auf dem Wasser.

Vielleicht, wenn ich mich breitbeiniger hinstelle? Ich gehe wieder in den Vierfüßlerstand, setze einen Fuß auf, richte mich auf, anderer Fuß, platsch. Hihi, das ist lustig. Und wieder von vorn. Hinsetzen, aufrichten, eine halbe Sekunde lang sowas Ähnliches wie Stehen, kippen, platsch. Und nochmal. Und noch mal und noch mal, ich mache keinerlei Fortschritte, habe überhaupt keinen Erfolg, aber Ehrgeiz und großen Spaß.

Kann das funktionieren? Soll man wirklich darin stehen und gehen können, oder ist das sowieso nur Wunschdenken und es geht gar nicht? Vielleicht ist es doch mehr zum Rumkugeln gedacht? Was machen denn die anderen?

Auch nichts anderes. Aufstehen, hinfallen, aufsetzen, Krone richten, aufstehen, hinfallen, liegenbleiben. Auf die Dauer wird es nämlich anstrengend, auf dem weichen Plastik auf dem weichen Wasser aufzustehen und hinzufallen und aufzustehen und hinzufallen. Außerdem entwickelt sich schnell ein tropisches Klima, so groß ist die Kugel ja nicht, dass unbegrenzt Sauerstoff drin wäre. An den Wänden bildet sich schon langsam Kondenswasser, und mir wird warm. Deswegen ist es auch gut, dass alle diese Plastikbälle an langen Leinen hängen und uns an Land jemand festhält. Damit wir rechtzeitig und heil und an der richtigen Stelle wieder anlanden. Gezielt den Ponton anzusteuern, dürfte nämlich schwierig werden, der Ball ist schwer zu steuern. Ich falle immer irgendwohin.

Ich mache kurz Pause, lege mich einfach hin, gucke in den Himmel und verschnaufe. Sehr gemütlich, super Erfindung. Man reiche mir ein Buch. Und vielleicht noch ein Alsterwasser.

Nee, nee, das geht nicht, ich habe nur zehn Minuten, bis sie mich wieder an Land ziehen, weil da noch eine ganze Schlange von Leuten steht, die das auch machen wollen (und weil irgendwann die Luft knapp wird), und diese zehn Minuten muss ich nutzen. Ich versuche es auf allen Vieren. Krabbeln geht, allerdings komme ich nicht etwa voran, sondern bewege mich auf der Stelle oder in irgendwelche Richtungen, die ich gar nicht beabsichtigt habe. Der Ball dreht sich unter mir weg, wie es ihm gerade in den Sinn kommt. Außerdem kann man erstaunlicherweise auch beim Krabbeln in alle erdenklichen Richtungen umkippen. Ich muss kichern.

Dann versuche ich doch wieder aufzustehen, das muss doch gehen! Ich stehe eine Sekunde, platsch, da liege ich, stehe wieder auf, falle, und so weiter ad infinitum. Ich kippe nach vorne, nach hinten, zur Seite, schräg, in alle Richtungen und falle immer weich. Länger als eine Sekunde bleibe ich nicht stehen, dann kippe ich wieder, und spätestens bei dem Versuch, einen Schritt zu machen, falle ich um. Und dann liege ich da und muss laut lachen, wahrscheinlich sieht das alles genauso albern aus, wie es sich anfühlt.

Die zehn Minuten sind viel zu schnell vorbei. Ich werde an Land gezogen und muss raus – am liebsten würde ich nur kurz mal den Kopf rausstrecken, frische Luft in den Ball lassen, und es dann noch mal versuchen, aber das geht natürlich nicht. Ich möchte wirklich gern wissen, ob man es überhaupt hinkriegen kann, in so einem Plastikball zu stehen und zu gehen.

Zu Hause ergoogle ich, dass dieser Spaß „Water-Zorbing“ heißt, und dass es „Zorbing“ auch an Land gibt: Dann mit zwei ineinanderliegenden Bällen und einer polsternden Luftschicht dazwischen. Man befindet sich in dem inneren Ball und kullert damit Hügel hinunter. Klingt großartig und ein kleines bisschen beängstigend, ich wär sofort dabei.

Isabel Bogdan

Isabel Bogdan übersetzt seit 10 Jahren Literatur aus dem Englischen (u. a. Jonathan Safran Foer, Miranda July, ZZ Packer, Tamar Yellin, Andrew Taylor). Sie lebt und arbeitet in Hamburg. Zum Blog von Isabel Bogdan.

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