Von Lambaréné in die Sahara – ein Roadtrip durch Afrika
Wolf-Ulrich Cropp ist Reisender und schreibt Bücher über die Länder, die er bereist. „Dschungelfieber und Wüstenkoller“ entstand nach einer Afrikareise, die er 2013 unternahm und die ihren Ursprung in seiner Kindheit hatte – als er im Haus seines Großvaters Albert Schweitzer kennenlernte. Fast fünfzig Jahre nach Schweitzers Tod ist dessen Wirkungsstätte in Lambaréné Ausgangspunkt für Cropps Reise. Das ehemals von Albert Schweitzer erbaute Krankenhaus ist heute ein modernes Forschungszentrum, in dem zu Tropenkrankheiten, u.a. Malaria, geforscht wird. Ein modernes, für seine wissenschaftliche Arbeit international bekanntes Forschungszentrum ist nicht das, wofür Afrika bekannt ist, und das ist ein guter Einstieg in dieses Buch – in dem Cropp unterschiedliche Facetten Afrikas näher betrachtet – so wie er sie auf seiner Reise sieht und erlebt.
Von Lambaréné aus geht seine Reise weiter: in die Urwälder Kameruns, nach einem Zwischenstopp in Brazzaville nach Kinshasa, von dort aus auf den Fluss Kongo bis in den Tschad, in die unwirtliche Sahara. Manche seiner Reiseabschnitte sind genau geplant, aber es bleibt ihm immer auch Zeit, sich auf spontane Abenteuer einzulassen, Für diese Art des Reisens braucht es Zeit, Mut und Neugier – ganz nach der Weisheit, die ihm in Buea (Kamerun) ein Friedhofsfremdenführer in Buea mitgibt: „Wer andere besucht, soll seine Augen öffnen, nicht den Mund.“ Seinen Mund öffnet Cropp später, als er dieses Buch schreibt und anschaulich und spannend von seinen Erlebnissen erzählt.
Im Dschungel Kameruns führt seine Neugier ihn zu einer Schimpansenstation. Seine Geduld wird belohnt; nach stundenlangem Warten im Urwald wird er wie ein Familienmitglied von den Schimpansen akzeptiert, und er kann die Familie mit ihrem Oberhaupt, dem Silberrücken, aus nächster Nähe beobachten. Als säße er in ihrem Wohnzimmer, beschreibt er diese Erfahrung.
Der Urwald ist auch der Lebensraum der Pygmäen. Für einige Tage lebt Cropp in ihrem Dorf, lange genug, um mit ihnen auf Netzjagd zu gehen. Kein ungefährliches Unterfangen, denn er verliert den Anschluss an die Gruppe und ist für kurze Zeit nicht sicher, ob er sie wieder finden wird, was den sicheren Tod bedeutet hätte. Überhaupt ist Lebensgefahr immer dabei: Elefanten, Schlangen, Skorpione verteidigen ihr Reich, Mücken übertragen Malaria und andere Krankheiten, und Wilderer sind nicht zimperlich im Umgang mit Schusswaffen. In der Wüste, die Cropp später mit einer Gruppe in einem Auto bereist, sind die Gefahren andere: Hitze, lebensfeindliche Landschaft und seit einem Krieg vermintes Gelände. Sicher macht die Gefahr immer auch einen Teil des Reizes Afrika aus: die Faszination des Unbeherrschbaren.
Zwischen all den Gefahren gibt es jedoch auch das ganz normale Leben ganz normaler Afrikaner, die sich irgendwie durchschlagen. Aus solchen Begegnungen ergeben sich spannende Einblicke in das Leben im heutigen Afrika. Wie bei Albert Kabarede, mit dem Cropp Kinshasa ins Gespräch kommt, als er das „Stade du 20 Mai“ besucht. Albert war Zeuge des legendären „Rumble of the Jungle“ zwischen Muhammed Ali und George Foreman. Über den Boxkampf kommen die beiden Männer ins Philosophieren, essen gemeinsam, und schließlich verhilft Albert Cropp zu einer Fahrt auf dem Fluss Kongo, die ihm anders kaum möglich gewesen wäre. Über die Gespräche mit Albert und anderen vermittelt Cropp Hintergrundwissen zu den besuchten Orten, was manchmal aufgesetzt wirkt. Dennoch helfen diese Informationen dem Leser, Geschehnisse besser einzuordnen, insofern sei diese Schwäche dem Buch verziehen.
Die Reise, die in Lambaréné begann, endet in der Wüste. Die Gegensätze könnten kaum größer sein: hier der wuchernde Urwald mit Wolkenbrüchen, dort die Kargheit der Wüste.
Cropp vermittelt ein natürlich sehr subjektives, aber facettenreiches Bild über Afrika, jenseits kitschiger Kulissen und katastrophenlastiger Nachrichten. Das ist spannend und allemal lesenswert.
Dorrit Bartel
Dorrit Bartel ist selbst leidenschaftliche Afrikareisende, wenn sie nicht gerade selbst Reisetexte, Kurzgeschichten oder Romane am heimischen Schreibtisch in Berlin schreibt. Sie ist Mitglied bei 42er Autoren e.V. www.dorritbartel.eu.