Geschrieben am 20. Juni 2012 von für Litmag, Lyrik

LitMag-Weltlyrik: Shabnam Azar

Das sind meine Trauer

Am heutigen Weltflüchtlingstag lesen Sie drei Gedichte von Shabnam Azar, die als politischer Flüchtling ihre Heimat Iran verlassen musste und momentan in Deutschland lebt.

Freier Fall

(Für Neda Aghasoltan )

Sie lief
nur ein paar Schritte vor mir
bevor sie
auf die Teheraner Freiheitstraße fiel

Schön ist die Freiheit
auch wenn du frei fällst
auf die Todesstraße
auch wenn dein Körper kalt wird
über deinem eigenen Blut

Liebe Kugeln
kehrt in eure Patronengehäuse zurück
damit wir in unsere Häuser zurückkehren!

 

Dein Haar

weht im Wind

dein Körper

kalt

luftdurchlässig

zitternd

gleich einem Vogel

der das Fliegen übt

und du lauschst den Stimmen

der Menschen

des Windes

und dein starrer Blick haftet an uns

während du dort hängst

am Galgen.

 

Ohne
ein neues Alphabet erfunden zu haben
träume ich
in allen Sprachen der Welt

Shabnam Azar, übersetzt von Hossein Mansouri

 

Die Dichterin und Journalistin Shabnam Azar ist nach zwölfjähriger Tätigkeit bei verschiedenen Zeitungen, Zeitschriften und Webseiten bei dem iranischen Staat in Ungnade gefallen. Ihr wurde jede Veröffentlichung untersagt, die Polizei durchsuchte ihre Wohnung. Zusammen mit Ihrem Mann sah sie sich gezwungen, den Iran zu verlassen und über Indien und die Türkei nach Deutschland zu fliehen, wo sie politisches Asyl bekommen hat. Azar versucht über Facebook mit ihren Landsleuten in Kontakt zu bleiben, was aber nicht einfach ist, da der iranische Staat durch Überwachung und Zensur versucht, kritische Facebook- und Webseiten zu kontrollieren. Mehr dazu finden Sie hier, Azars Facebook-Profil hier.

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