Geschrieben am 11. Juni 2014 von für Litmag, LitMag-Lyrik

LitMag-Weltlyrik: Rosalìa de Castro

Rosalìa de CastroManchen blendenden Ruhm gibt’s, der so blendet
wie das heftige Aufgleißen der Blitze
und gleich diesem zucken erlischt im Dunkel,
ohne eine Spur seines Lichts zu hinterlassen.

Lieber als dieser Augenblicksglanz ist mir
die triste Einsamkeit, in der ich kämpfe
und in der nie das nichtssagende Rauschen
von Beifallsstürmen meinen Geist verwirrt.

Aus dem Spanischen von Fritz Vogelsang

 

Merkwürdig irritierend sind das Leben und das Werk der 1837 in Santiago de Compostela geborenen Schriftstellerin Rosalìa de Castro. Liest man ihre Gedichte, die von Fritz Vogelsang sehr gut ins Deutsche übersetzt worden sind, dann erscheint sie einem manchmal ‚erzkatholisch’. Da ist viel vom Heiland, vom Kreuz, vom Schmerz und vom gläubig ertragenen Leid die Rede. Was soll man auch von einer Frau anders erwarten, die inmitten des 19. Jahrhunderts in Santiago di Compostela geboren wurde. Doch schnell bemerkt man auch, dass dieses schnelle Urteil nicht stimmt. Ihre aus einem Adelshaus stammende Mutter hat Rosalìa jahrelang ihren Vater verheimlicht. Schließlich erfährt sie doch, dass sie Tochter eines katholischen Priesters ist. So wird auch verständlich, daß Rosalìa de Castro in vielen ihrer Gedichte heftig kämpft mit ihrem Glauben. „Der Zweifel hat mich gezeugt, die Sehnsucht hat mich geboren“. Erst wenn um ihre „schändliche Herkunft“ weiß, versteht man diesen Vers in seiner ganzen tiefen Bedeutung.

Und Rosalìa de Castro hat auch Gedichte geschrieben, mit denen sie sich aus dem Gefängnis einer sehr traditionellen Ehe (mit sieben Kindern befreien wollte. Nur wenige poetische Werke gibt es, in denen so stark ein autobiographisches Feuer brennt wie in dem von Rosalìa de Castro. Sie will raus aus ihren Bindungen, ihren wie ein Gefängnis wirkenden Traditionen, ihrem ‚Frauenkorsett’, aber sie schafft es ‚nur’ mit den Worten ihrer Lyrik. „Auch wenn mein Körper gefriert/ ist mir, als würde ich verbrennen;/ denn das Eis, es wirkt zuweilen,/ als wär’s ein flammendes Feuer“. Vielleicht findet man ja in einem Antiquariat noch diesen Band mit ihren Gedichten. Wer einmal lesend erfahren will, wie Lyrik brennen und lodern kann, lese die Gedichte der Anfang des 19. Jahrhunderts im tiefsten galizischen Katholizismus geborenen ‚modernen‘ Rosalìa de Castro.

Carl Wilhelm Macke

Nachsatz zur Reihe “Weltlyrik”: Wenn man fast täglich im Rahmen der Koordinierung des Netzwerks „Journalisten helfen Journalisten“ (www.journalistenhelfen.org) mit Mord und Totschlag auf allen fünf Kontinenten konfrontiert wird, dann wundert man sich, warum immer wieder auch verfolgte Journalisten in aller Welt neben ihren Recherchen über korrupte und diktatorische Regime Gedichte schreiben und lesen. Gäbe es sie nicht, es würde uns etwas fehlen – etwas Großes, etwas, das uns leben und träumen, kämpfen und trauern, lieben und verzeihen lässt. Aber “Poesie ist aber auch eine große Sprachübung. Ich kann nicht auf sie verzichten. Sie verlangt tiefe sprachliche Konzentration, und das kommt der Prosa zugute” (Der polnische “Weltreporter” Ryszard Kapuscinski). CWM

Das Gedicht ist erschienen in: Rosalìa de Castro: An den Ufern des Sar. Insel Verlag. Frankfurt am Main, 1996. 367 Seiten. Foto: Wikimedia Commons, Quelle. Autor: María Cardarelly.

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