Geschrieben am 14. Dezember 2011 von für Comic, Litmag

Anke Feuchtenberger: Die hollandische Schachtel

Für alle, die Hunde lieben

– Eine „Bildgeschichte für Kinder“ nennt Anke Feuchtenberger ihr neustes Werk. Unaufgefordert erweitere ich die Einschätzung der Künstlerin: „Die hollandische Schachtel“, mit Sicherheit eins der zauberhaftesten Bücher des Jahres, steht 2011 ganz oben auf meiner Geschenkliste für alle, jung und alt, die Hunde lieben.

Ein Geschenktipp von Brigitte Helbling.

Hundeliebhaber zeichnen sich gerne durch eine bisweilen verblüffende Irrationalität aus: Wird man angebellt, will das Tier einen nur begrüßen, knurrt das Viech, soll man doch bitte keine Angst haben, wird man gebissen – nun ja, soweit kommt es selten, zumindest nicht bei Hunden mit guter Erziehung. Der Hund, der beste Freund des Menschen? Die Menschheit teilt sich in dieser Frage (ähnlich wie in der Frage von Koriander oder der Vorliebe für kalte Duschen) in zwei Teile. Die einen haben’s kapiert, die andern werden es (womöglich) nie kapieren.

Die Liebe zum Hund ist, was sie ist, und „Die hollandische Schachtel“ ist das Manifest dazu.

Hier erzählt die Hündin Yette mit seltsamem Akzent (die Dame ist Holländerin) von Spielzeug, der Spielgefährtin Ada, dem Herrchen „Negroni“ und von tragisch versagter Mutterschaft. Immer schon trieben sich Hunde durch Feuchtenbergers Kunst und Comic-Geschichten – in diesem kleinen Band nun übernehmen sie das Bild, jagen einander hinterher, buddeln in der Erde, sind froh, verspielt, müde, beleidigt, oder auch – geht das überhaupt? – zutiefst melancholisch. Dieses kleine Buch ist eine Feier des Hundes, und Feuchtenbergers Stift wird darin zum Medium, das selbst hundefernen Betrachtern eine Ahnung der Genüsse vermittelt, die der Hund dem Hundefreund bietet.

Das Portfolio einer Hundeliebe wäre dann nichts ohne die Geschichte. Das „Ich“ der Erzählung gehört hier dem Hund, die Autorschaft teilt sich „Feuchtenbergerowa“ mit „Yette und Ada“. Näher an die „Autobiografie“ hat sich die herausragende Künstlerin bisher nicht gewagt. Den Genrebegriff darf man im Sinne Gertrude Steins verstehen: Alice B. Toklas erzählt von ihrem Leben mit einer großen Schriftstellerin, Yette erzählt vom Leben im Haushalt von Herrn Negroni. Der hat vielleicht einen Beruf, das interessiert Yette nicht. Möglich, dass er auch gar nicht Negroni heißt, aber da der Mann jedes Mal, wenn der Kellner „Negroni?“ fragt, „ja!“ sagt, scheint das sein Name zu sein. Warum sollte Yette daran zweifeln? Es gibt ohnehin wichtigeres, die Mäuse im Garten zum Beispiel, oder die holländische Keksschachtel, die zu ihren Lieblingsspielzeugen gehört. Und als das Welpen, das sie trägt, tot zur Welt kommt, gibt es irgendwann auch Ada, das blauaügige Hundemädchen, das Herr Negroni in der irrigen Annahme, Yette brauche Gesellschaft, in den kleinen Haushalt bringt.

Feuchtenberger mit Yette

Ist es zulässig, einem Hund eine Stimme – und damit mensch-ähnliche Argumentation und Gefühlslagen – zu verleihen? Hier spricht nichts dagegen. In Feuchtenbergers Umsetzung erscheint die Maßnahme im Lichte einer höheren, bisweilen herzzerreißenden Verspieltheit, die besser als alles, was kühleren, analytischeren Geistern einfiele, von der Liebe des Menschen zum Hund berichtet. Der Text, die Stimme gehört dem Hund – und zeugt im Grunde vom Menschen, der seinem Dasein mit Hund ein diskretes Denkmal setzen will. Die Bilder wiederum stehen für den Blick des Menschen – der Künstlerin! – auf das Tier. Über sie kommt die Bestie zu sich, als fremdartige, animalische Präsenz in Haushalt, Wald und auf der Wiese.

Beides verschränkt sich in „Die hollandische Schachtel“ zu einem sehr persönlichen, wundersam eingängigen Konstrukt von Glück.

Erschienen ist „Die hollandische Schachtel“ in dem kleinen Mamiverlag, den Feuchtenberger zusammen mit Stefano Ricci verantwortet.  Feuchtenberger und Ricci sind Grenzgänger zwischen Comic und bildender Kunst, beide nutzen ihre Verlagsgründung für Ausgaben, die in dieser handwerklichen Hochwertigkeit – und zu zuweilen verstörend niedrigen Preisen – einzigartig sind. Der Mamiverlag ist – auch – eine Liebesarbeit, kein besserer Ort für dieses Buch. Für Kinder?

Ja, sicher, die „Bildgeschichte“ ist auch für Kinder. Aber keineswegs nur.

Brigitte Helbling

Anke Feuchtenberger (Feuchtenbergerowa mit Yette und Ada): Die hollandische Schachtel. Quilow: Mamiverlag 2011. 44 Seiten, 9 Euro. Erhältlich ist „Die hollandische Schachtel“ über den Verlag und in ausgewählten Läden in Hamburg, Berlin und Greifswald (mehr auf der Website des Verlags).

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