Geschrieben am 24. August 2013 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Zoë Beck über Hobbys …

zoe_beck_porträt oder: Die schönen Dinge im Leben, die ich komplett verpasse, weil ich keinen anständigen Beruf habe.

Früher war das ganz einfach. Mit „früher“ meine ich: in der Schule. Da gingen diese Steckbriefalben rum (ich bin Jahrgang 75, zur Erinnerung), in die man seine Lieblingsband und Augenfarbe und was nicht noch alles reinschreiben sollte, und eben auch: Hobbys. Ich weiß noch, wir schrieben einfach alles rein, was wir so machten, wenn wir nicht gerade in der Schule waren. Lesen, Schwimmen, Klavierspielen, Musikhören, mit Freunden rumhängen. Ein Hobby wird darüber definiert, dass es „freiwillig und regelmäßig“ betrieben wird und „dem eigenen Lustgewinn oder der Entspannung dient“. Außerdem „repräsentiert [es] für den Ausübenden einen Teil seiner Identität“.

Wie wär’s denn mit Rosenzüchten …

Das ist prima, so ein Hobby. Ich wünsche mir manchmal wirklich ein schönes Hobby für meinen Nachbarn, Dr. Müller-Böhne. Er ist eigentlich Richter, aber ihm fehlt irgendwie noch etwas, das er in seiner Freizeit machen kann. Er würde gerne schreiben, wovon ich ihm regelmäßig abrate (mein Hobby, könnte man nach dieser Definition sagen, ist es, Dr. Müller-Böhne vom Schreiben abzuhalten). Ich stelle mir vor, dass er sich wunderbar als Rosenzüchter machen würde. Ein bisschen im Garten rumpurzeln, am Grünzeug spielen, mit den anderen Nachbarn quatschen und immer mal zu diesen Rosenzüchterausstellungen fahren. Und ganz ehrlich, irgendwie macht es mich nämlich auch ziemlich unglücklich, dass er hobbymäßig schreiben will.

Dabei ist grundsätzlich nichts dagegen zu sagen, aber es mag an meiner derzeitigen Dünnhäutigkeit liegen, was das Schreiben betrifft, dass ich jedes Mal zurückschrecke, wenn „Schreiben“ in die Nähe des Begriffs „Hobby“ gerückt wird. Nicht, weil ich etwas dagegen habe, dass Menschen in ihrer Freizeit Geschichten schreiben und deshalb das Schreiben ihr Hobby ist. Gar nicht. Überhaupt nicht. Wirklich nicht. Mir liegt da etwas ganz anderes auf der Seele.

… Fassadenklettern …

Zwei Dinge brachten mich drauf: Punkt eins. Ein netter Mensch fragte mich kürzlich erst auf Twitter, was denn meine Hobbys seien: Autorennen? Fassadenklettern? Ich wusste keine Antwort. Ich habe keine Hobbys. Ich mache einfach den ganzen Tag, was mir Spaß macht oder was ich tun muss oder was eben so anliegt, und zufällig verdiene ich am Ende auch noch Geld damit. Ich war befremdet und fragte mich gleichzeitig, ob in meinem Leben etwas schiefläuft, weil ich die Spalte „Hobbys“ im Steckbriefalbum nicht wirklich füllen kann und will. Punkt zwei. Jörg Sundermeier vom Verbrecher Verlag sagte in einem Interview mit dem Deutschlandradio, er habe sein Hobby zum Beruf gemacht. Ich war wieder befremdet und fragte mich, warum ich befremdet war. Klingt doch erst mal gut. Klingt so wie: Prima, der macht den ganzen Tag, was ihm Spaß macht, und verdient zufällig auch noch damit Geld. Klingt wie bei mir. Verdammt, hab ich mein Hobby zum Beruf gemacht?

… oder Schweineschlachten …

Hab ich nicht, es ergab sich, ich wollte ja vorher nie Autorin werden, ich war es einfach irgendwann. Huch. Aber selbst wenn Schreiben irgendwann einmal mein Hobby gewesen wäre, so im Sinne von mit vierzehn die ersten Gedichte verfassen und mit achtzehn Kurzgeschichten irgendwo einreichen – heute würde es mich genauso stören, diese Nähe von „Hobby“ und „Schreiben“. Warum? Weil niemand zu einer Metzgermeisterin oder zum Postbeamten oder zur Oberärztin sagt: „Oh, da haben Sie aber Ihr Hobby schön zum Beruf gemacht!“ Da gäbe es nämlich Geschrei. Da würde man sagen: „Aber das muss man lernen! Dazu braucht man eine Ausbildung!“ Ach was.

Man sagt es am liebsten zu MusikerInnen, KünstlerInnen, SchriftstellerInnen, wahrscheinlich auch SportlerInnen. Und ich habe Neuigkeiten: Man braucht auch eine Ausbildung, wenn man vom Gitarrespielen, Bildermalen, Schreiben, Fußballspielen leben will. Talent, Durchhaltevermögen, Training. So Zeugs. Über Jahre.

Ich dachte immer, meine Eltern wären so, dass sie das mit dem „schönen Hobby“ und „such dir doch lieber einen anständigen Beruf“ sagen, weil sie eben in einem anderen Lebensbereich zu Hause sind. Ich war relativ schnell und früh ständig mit Menschen zusammen, die künstlerische Berufe anstrebten oder später dann eben hatten. Da gab es uns auf der einen Seite und die komischen Leute, die wie meine Eltern waren und einfach keinen Durchblick hatten, auf der anderen Seite. Und deshalb fiel es mir erst in letzter Zeit wieder vermehrt auf, dieses „Hobby zum Beruf machen“, dieses damit verbundene nicht ernst nehmen, dieses Unterstellen, man hätte einfach Glück gehabt, hätte einen reichen Ehemann oder wohlhabende Eltern, was einem die Schrullen finanziert, hätte den Beamtenjob aufgeben können, weil die Rosenzucht über Nacht so einträglich geworden war.

… Bänkern wär doch mal was …

Es ist meistens nicht so gemeint, ich weiß. Es schwingt sogar so etwas wie Bewunderung mit, mindestens jedoch Wohlwollen. Es steckt ein anderes Denken, eine andere Lebensorganisation dahinter, wenn jemand sagt: „Hobby“. Das beinhaltet einen regelmäßigen Job mit Feierabend und Urlaub, der vorrangig der notwendigen finanziellen Absicherung dient und erst in zweiter Linie etwas ist, was man gerne tut. Das, was man gerne tut, fällt in den Feierabend und heißt: Hobby. Obwohl, das stimmt nicht ganz. Es wird eine Menge Freiberufler geben, die jetzt protestieren und sagen, dass sie auch Feierabend machen und Hobbys haben. Und Menschen, die sagen: Ich liebe meinen Job, aber ich liebe auch noch andere Sachen, und das sind eben meine Hobbys. Okay, okay. Okay.

Vielleicht ist es also eine Lebenseinstellungssache, ob man Hobbys hat, und bei mir kommen keine Hobbys vor. Möglicherweise habe ich ein schrecklich fades Leben, weil ich keine Hobbys habe, und ich verpasse unglaublich viel. Ich werde bei Gelegenheit darüber nachdenken.

Aber darum soll es nicht gehen, zurück zum Beruf. Der kein Hobby ist. Und den ich nicht als ehemaliges Hobby bezeichnet haben will. Weil „Hobby“ eben Spiel und Leichtigkeit und Zeitvertreibt beinhaltet. Es klingt ein wenig, als würden wir, die wir beruflich machen, was andere hobbyistisch betreiben, eben nicht hart arbeiten, nicht kämpfen, nicht ernsthaft diese Berufe betreiben. Sondern mehr so vom Pool aus. Und als hätten unsere Berufe, sind wir mal ehrlich, die Bezeichnung „Beruf“ nicht verdient. Wie oft fragt man uns denn: „Und womit verdienen Sie nun Ihr Geld?“ Dass viele von uns nicht von ihren Berufen leben können, ist schlimm genug. Dass wir uns in der kürzlich geführten Diskussion um die Notwendigkeit der Künstlersozialkasse anhören mussten, wir sollten eben endlich akzeptieren, wenn unser Getue als nette Liebhaberei nicht genug Geld einbringt, um uns ohne KSK selbst zu versichern – dieselben Kerbe, im Grunde.

… oder gar Synchronschwimmen?

Ich würde mir wünschen, dass unsere Berufe, dieses ganze komische künstlerische Zeugs, diese brotlose Kunst, dass all das tatsächlich ernst genommen wird. Wie in jedem anderen Beruf gibt es bessere und schlechtere, welche, die dafür mehr oder weniger geeignet sind, die sich mehr oder weniger reinhängen und weiterbilden und vorarbeiten, aber – hey, es sind Berufe. Wir hatten eben einfach kein Talent zur Synchronschwimmerin oder zum Bankkaufmann. (Wobei, vielleicht wären das ja mal nette Hobbys für mich.)

Beruf definiert sich als eine Tätigkeit, die man „für finanzielle oder herkömmliche Gegenleistungen oder im Dienste Dritter regelmäßig ausübt bzw. für die [man] ausgebildet, erzogen oder berufen ist“. Außerdem heißt es, dass „fachspezifische Kenntnisse und Fertigkeiten“ erforderlich sind.

Dann wohl doch Schreiben.

Ich ende mit einer gewagten These: Sobald es in unserer eigenen Branche, die ja nur existieren kann, weil es Menschen gibt, die diese Schreiberei ernsthaft betreiben, sobald es also in unserer eigenen Branche ein paar mehr Menschen gibt, die das Schreiben als berufliche Tätigkeit akzeptieren, die die Autoren entsprechend ernst nehmen und sie nicht als Exzentriker mit einem anstrengenden Hobby abtun – sobald wir also anfangen, uns alle gegenseitig mal ernst zu nehmen, werden wir das, was in den nächsten Jahren und Monaten an Veränderungen auf uns zukommt, deutlich besser überstehen.

Danke.

Zoë Beck

Zur Homepage von Zoë Beck geht es hier. Foto: © Victoria Tomaschko.

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