Geschrieben am 1. Februar 2014 von für Crimemag, DVD, Film/Fernsehen

Thierry Binisti: Der Preis des Todes

Thierry_Binisti_Der Preis des TodesTiefsinnig, sensibel, hölzern

Schade, ein überladenes Drehbuch und eine uninspirierte Regie kann auch ein Musik-Star wie Patricia Kaas nicht mehr retten. Obwohl doch der Stoff von „Der Preis des Todes“ für eine Tragödie perfekt gewesen wäre. Anna Veronica Wutschel hat sich den Film von Thierry Binisti auf DVD angesehen und ist enttäuscht.

Die Party ist längst vorbereitet, die Frisur sitzt, das Präsent zum 20. Geburtstag, ein auf Hochglanz polierter Kleinwagen, steht in der Garage, und Papa hat sogar an die Torte gedacht, Evas Lieblingstorte mit Pistaziengeschmack. Während die Gäste bereits versammelt sind und im Garten feiern, werden die Eltern langsam nervös, denn nur eine fehlt: Eva, das Geburtstagskind. Beunruhigt macht sich Cathy (Patricia Kaas) auf, ihre Tochter zu suchen. Und auch wenn man sie bei der Polizei noch mit lapidar banalen Floskeln beruhigen will, sollen sich bald darauf Cathys schlimmste Befürchtungen bestätigen. Eva wurde brutal ermordet, ihr Leichnam an einer Landstraße in einem Abwasserrohr zurückgelassen. Mit ihrem Exmann Richard (Serge Hazanavicius) durchlebt Cathy in den folgenden Tagen, Monaten, Jahren wohl eines der entsetzlichsten Szenarien, das Eltern widerfahren kann.

Das ermordete Kind

Das eigene Kind ist tot, ermordet, die inzwischen getrennt lebenden Eltern stehen vor dem Zusammenbruch, die Presse stürzt sich auf den Fall, belagert die Familie. Und während die Hinterbliebenen versuchen zu verstehen, sind sie einem bürokratisch handelnden Justiz- und Polizeiapparat ausgeliefert, dem die Zeit wie vor allem auch der Wille fehlt, menschlich individuell auf das schwere Schicksal einzugehen. Zudem sind auch Bekannte, Verwandte, die engsten Vertrauten mit der Situation überfordert, jede Handlungsoption, jede zwischenmenschliche Reaktion scheint unangemessen und verkehrt. Und während die Polizei nach sich zäh gestaltenden Ermittlungen plötzlich sogar Richard der Tat verdächtigt, stellt die verzweifelte Cathy selbst Ermittlungen an. Und richtet starrköpfig ihr gesamtes Leben auf die Frage nach dem ‚Warum?‘ aus, ist ganz und gar auf die Suche nach dem Täter fixiert, vernachlässigt ihr gesamtes soziales Umfeld, nur um herauszufinden, dass ihre Tochter Eva, die nach ihrem Geburtstag ein vielversprechendes Medizinstudium beginnen sollte, insgeheim ein ganz anderes Leben führte.

Uninspiriert

Das von Olga Vincent und Eric Rognard verfasste Drehbuch über den brutalen Tod eines Kindes und die Trauer einer Mutter will Leben in seiner gesamten Komplexität wiedergeben. „Der Preis des Todes“ gibt sich als tiefsinniges, sensibles Sozialdrama, das mit einigen Thrillerelementen angereichert wurde. Und man hätte sich gewünscht, dass dieser Stoff in die Hände eines dänischen Produzenten fällt, der daraus locker einen spannend mitreißenden Zehnteiler gedreht hätte. Oder in die Hände eines vom British Realism zum Beispiel inspirierten Regisseurs, der wie Mike Leigh oder auch Ken Loach mit feinstem Gespür und klugem Blick auf die Welt selbst der größten Banalität die tiefste Tragik zu entlocken vermag.

Konzentriert umgesetzt, bietet die Story schließlich besten Stoff für einen erschütternd berührenden Trip in Urängste. Doch Thierry Binisti scheint, so lässt er es zumindest im Interview durchblicken, sehr beeindruckt von dem völlig überladenen, unentschlossenen Drehbuch und inszeniert die Story dementsprechend hölzern uninspiriert. So bleibt in 88 Minuten Spielfilmdauer kaum Zeit für die unaufdringlich leisen Töne, die Blicke, Gesten, Stimmungen, die der inhärenten Dramatik des Stoffes gerecht werden könnten. Lieber zeigt Binisti auf, wie sich seine Schauspieler recht hilflos von einer Klippe über dem Abgrund zur nächsten hangeln. Sie schreien, sie weinen, liegen apathisch am Boden, lassen die Schultern hängen, greifen selbst zu Gewalt, leiden bis zum eigenen seelischen und körperlichen Zusammenbruch. Und verharren dabei dennoch in überraschend schemenhaft klischeebeladener Norm von Eindimensionalität.

Patricia Kaas

Patricia Kaas  hat lange gezögert, als ihr die Rolle der Cathy angeboten wurde. Die Sängerin, die kurze Zeit vor Drehbeginn in ihrer Biografie preisgab, wie sehr sie darunter leide, selbst keine Kinder mehr bekommen zu können, zweifelte, ob sie der Herausforderung gewachsen sei, die Vielschichtigkeit der Rolle der traumatisierten, trauernden Mutter darzustellen. Kaas, die bislang neben Jeremy Irons in Claude Lelouchs „And now… Ladies and Gentleman“ ihr schauspielerisches Talent erst in einer Rolle nicht übermäßig virtuos darbieten konnte, hat sich nach eigenen Angaben intensiv auf die Rolle der Cathy vorbereitet. Doch die Sängerin, die sehr genau weiß, wie man den rechten Ton trifft, wenn es heißt ‚Mademoiselle chante le blues‘, stapft hier vornehmlich gramgebeugt mit starr bitterer Mimik und verschleiertem Blick durch stilisierte Bilder, die mit sich tiefsinnig gebender Symbolik (Donnergrollen, Sturmböen, Babygelächter etc.) untermalt sind. Allerdings muss man zugeben, dass sicher auch eine weitaus erfahrenere Schauspielerin an dieser Rolle, dieser sonderbar überfrachteten, seltsam ambitionierten Inszenierung hätte scheitern können.

„Vielleicht spürst du es gerade nicht so, aber ich hab dich lieb“, sagt Cathy zu ihrem verzweifelt rebellierenden, von ihr im Laufe der Geschehnisse gänzlich vernachlässigten Sohn.
„Nein, ich kann es nicht spüren“, antwortet dieser.
Wie auch dem Zuschauer der Zugang zu Cathys Emotionschaos, der wahrhaften Tragik verwehrt bleibt. Und so treibt der eigentlich gewaltige Stoff von „Preis des Todes“ als Kaleidoskop von Drama, Tragödie und Krimi quälend unentschlossen dahin, um schlussendlich nach einem schmerzvollen Selbstfindungsprozess einen hoffnungsvollen Kurs in ein Leben ‚danach‘ einzuschlagen. Doch auch die guten Mutmacher-Absichten kommen dem Grundton des aufgesetzten Pathos nur noch mehr in die Quere.

Anna Veronica Wutschel

Der Preis des Todes. 1 DVD. Studio: Edel Motion. Laufzeit: 88 Minuten. Bonus: 36 Minuten Making Of. Darsteller: Patricia Kaas, Serge Hazanavicius, Raphael Boshart, Nathalie Kanoui u. a. Regie: Thierry Binisti. Drehbuch: Olga Vincent, Eric Rognard. Kamera: Dominique de Wever. Erscheinungstermin: Oktober 2013. Produktionsjahr: 2012. Sprache: Deutsch, Französisch. Mit Untertiteln in Deutsch. Preis: 14,54 Euro. Den Blog von Anna Veronica Wutschel finden Sie hier.

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