Geschrieben am 5. November 2011 von für Crimemag, Film/Fernsehen, Spotlight, die TV-Kritik

Spotlight: „Heiter bis tödlich“

„Hopp, hopp, Geständnis“

Während die Internationale Funkausstellung im September diesen Jahres die Besucher schwindlig machte mit der Präsentation neuester technischer Entwicklungen, kündigte die ARD ihre neue Vorabend-Krimiserie „Heiter bis tödlich“ an, die sich nach erster Betrachtung als ungefähr so innovativ erweist wie heute der CD-Walkman, der 1984 zum ersten Mal auf den Markt kam. Susanna Mende hat sich gequält.

Der öffentlich-rechtlichen ARD scheint bei ihrem Kampf um Quoten im Vorabendprogramm einfach nichts Neues einzufallen und so wird seit über zwanzig Jahren Altbewährtes variiert, wozu unter anderem der lustische Krimi mit Regionalcharme gehört (der Begriff Humor wäre in diesem Zusammenhang missbräuchlich). Also wird das gebührenzahlende Publikum seit kurzem von 18.50 bis 19.45 Uhr mit Polizistenduos montags in Husum („Nordisch herb“), mittwochs in Oberbayern („Hubert & Staller“) und donnerstags in Büdringhausen („Henker & Richter) bespaßt. Und ab nächstem Jahr sollen auch noch Dienstag und Freitag mit polizeilichen Ermittlern im Harz und in München besetzt werden. Also kein Grund zu einer Vorabend-Depression, das geht dann mit dem Ermitteln in harmlos-idyllischer Umgebung jeden Tag quer durch die Republik putzmunter weiter.

Am Mittwoch dieser Woche hatte das bayerische Ermittlerduo Premiere, und da es sich nun einmal um eine Krimi-Reihe handelt, wenn auch in der Kategorie „Leichte Kost“, haben wir einen kleinen Realitätsabgleich gewagt, bei dem sich vor allem eine Frage aufgedrängt hat:

Ist es aus Unterhaltungsgründen in einer Vorabend-Krimiserie erlaubt, sämtliche polizeiermittlerischen Standards über den Haufen zu werfen?

Als die beiden Polizisten in einem Hausflur eine Leiche finden, werden weder Tatort noch Spuren gesichert, wird mit der Lokalreporterin, die auf einmal auftaucht, über den Mörder spekuliert, und die Leichenbeschauerin hat ebenfalls gleich eine Theorie parat.

Dann müssen die Polizisten ihre Ermittlungen allerdings kurz unterbrechen, und mit dem neuen Polizeirat, der aus Dortmund kommt und leider überhaupt kein Bayerisch spricht, eine kleine Sightseeing-Tour unternehmen.

Am nächsten Tag erfahren die beiden beim gemütlichen Morgenkaffee aus der Presse Details über die Familienverhältnisse des Toten, denn die ausgefuchste Lokalreporterin hat bereits ausführlich recherchiert und mit dem Sohn des Ermordeten ein Interview geführt. Der Spurensicherung wird mit vierundzwanzig Stunden Verspätung schließlich doch noch nachgegangen, indem Hubert ein Kissen vom Tatort zur Untersuchung mitnimmt (er hält es einfach so in der Hand). Die Todesmitteilung an die Gattin des Verstorbenen bedarf aufgrund einer Verwechslung eines zweiten Anlaufs, und weil es sich hier ja um Unterhaltung handelt, ist das eben lustig und nicht skandalös.

Schnell haben die Polizisten den Sohn des Toten als Täter im Verdacht, und so wird er zur Vernehmung aufs Polizeirevier gebracht und von den Vertretern eines staatlichen Exekutivorgans mächtig unter Druck gesetzt („Hopp, hopp, Geständnis!“). Aber macht nix, ist ja nur Vorabendunterhaltung und Witzischkeit anscheinend die Lizenz zur Schlamperei.

Ach ja, gemordet hat übrigens die Gattin, gemeinsam mit dem Liebhaber, und raten Sie, was das Motiv war? Und die lustischen Dialoge habe ich angesichts der hochgradig dilettantischen Darstellung von Polizeiarbeit leider gar nicht richtig mitbekommen.

Susanna Mende

„Heiter bis tödlich – Hubert und Staller“ (Mittwoch, 2. November, 18:50, ARD)

Produktion: Entertainment Factory GmbH und der Tele München Gruppe im Auftrag des MDR und BR / ARD-Werbung; Produzenten: Oliver Mielke, Dr. Herbert G. Kloiber; Produktionsleiter: Carli Morbach; Regie: Oliver Mielke; Drehbücher: Oliver Mielke, Philip Kaetner, Reinhard Krökel, Alexander Söllner; Executive Producer: Jana Brandt (MDR); Redaktion: Franka Bauer (MDR), Elmar Jaeger (BR). Folge in der ZDF-Mediathek.