Geschrieben am 15. Mai 2018 von für Crimemag, CrimeMag Mai 2018

Roman: Denise Mina „Blut, Salz und Wasser“

41VfVeKYRhL._SX318_BO1,204,203,200_Killer sind auch nur Menschen

Eine Rezension von Katja Bohnet.

Es sind oft einfache Zutaten, die Figuren sympathisch machen. Ian Fraser sieht gut aus, er war im Knast, er tötet nicht gern. Eigentlich begleicht er alte Schulden. Wenn alte Schulden sich doch nur begleichen ließen. Wir dürfen von der ersten Seite an wissen, dass er ein Täter ist. Denise Mina verteilt alle Informationen in ihren Kriminalromanen minutiös. Genau dieser Schachzug sorgt immer wieder für Überraschungen. Aber am besten aber gelingen ihr Figuren. Mina erzählt ohne Umschweife, oft sarkastisch mit einem bitteren Humor. Rollenerwartungen werden immer wieder unterwandert. Ian, der Killer, heult, fühlt sich vom Geist einer Frau besessen — ein Charakterzug, der gerne Frauen aus dem 19. Jahrhundert zugedacht wurde — außerdem hat er Rückenschmerzen, wird ständig enttäuscht. Killer haben es bei Denise Mina wirklich nicht leicht. Es tut weh, kriminell zu sein.

 Frauen verschwinden, Männer schmollen

Eine Frau verschwindet, die Morrow schon lange observiert. Eine mögliche Kriminelle, eine selbstbewusste, intelligente Frau. Es geht um große Summen. Geld, das gewaschen werden soll und um das Unabhängigkeitsreferendum. Ist diese Frau tot oder geflohen? Sie hinterlässt zwei Kinder und einen launischen Komplizen, der sich verdächtig macht. Die vielleicht farbloseste Gestalt ist Minas Hauptfigur. Nicht, dass wir viel über ihr Äußeres erführen. Einmal ein Spiegelbild. Und dennoch fesselt D.I. Alex Morrow. Vielleicht, weil jeder Lesende sie selbst erfinden muss. Morrow ist die Summe all ihrer sozialen Interaktionen. Auch so kann man Figuren anlegen. Das unaufgeregte Privatleben der Polizistin besteht aus dem Versorgen ihrer Zwillinge. Als Vollzeit arbeitende Mutter ist sie dauermüde, aber glücklich mit ihrer Partnerwahl. Ihr Halbbruder Danny, ein stadtbekannter Krimineller, wird im Gefängnis schwer verletzt. Alex Morrow vermutet einen perfiden Schachzug ihres gekränkten Bruders in einem strategisch komplizierten Spiel. Kaum zu glauben, aber:

 „Männer starben, weil Danny McGrath schmollte“

 „Blut, Salz und Wasser“ ist ein Roman über eine Frau, die nicht das bekommt, was sie will, über eine Frau, die sich das holt, was sie will und über Männer, die gerne mehr Mann wären als sie sind. Das ist, wie immer bei Denise Mina, sorgfältig komponiert. Die Komposition erfordert auf den zweihundert Seiten Geduld, weil jeder Ort, jeder Schauplatz, jede Figur in eine Sozialstudie mündet. Diese sind immer treffsicher und klug. Wie existieren wir in gesellschaftlichen Zusammenhängen? Wie gestaltet sich das Ringen um Oben oder Unten, der Kampf um eine Position?

 „Morrow vermutete, dass „netter Kerl“ in Helensburgh die Umschreibung für Mittelschicht war.“

 Gnädige Kinder, dämliche Erwachsene

Erstaunlich, wie viele kaputte Typen eine Durchschnittsstadt bevölkern können. Mina lässt jeden daran zweifeln, ob es überhaupt anständige Menschen gibt. Die einen lügen, andere „lügen zurück“. Einzig Kinder kommen gut weg. Vielleicht, weil ihr Schicksal in den Händen heuchlerischer, verbrecherischer, süchtiger, meist dämlicher Erwachsener liegt und sie dennoch das Beste daraus machen.

Denise Mina

Denise Mina

Frauen sterben bei Mina, ja, auch eine junge, attraktive Frau. Dennoch kommen nie Zweifel auf, hier könne aus einem leichten Opfer bei den LeserInnen Profit geschlagen werden. Dazu ist Minas Haltung zu klar: Die Welt ist ein abgründiger, grausamer Ort, auf dem wirtschaftliche oder persönliche Interessen über allem stehen. Frauenfeindlichkeit ist gesetzt, kein Einzelphänomen. Gerechtigkeit ist ein rein theoretisches Konzept. Immer geht es um Geld. Die Polizei jagt nur zu oft Schatten nach, weil sie ein Spiegel der Gesellschaft ist, in der sie funktionieren soll. Recht reicht bis hier hin, aber weiter nicht. Mina kommentiert sarkastisch und Zoë Beck übersetzt stets pointiert, wenn Männer meinen zu wissen, was sie tun:

 „Drei der bestbezahlten Männer der Police of Scotland waren zusammengekommen, um zu dieser komplexen strategischen Entscheidung zu kommen: hingehen und nachschauen.“

Am Ende ist nichts wiederhergestellt. Keine Ordnung, kein Happy End. Denise Minas Romane sind ein Spiegel des Weltgeschehens, hinuntergebrochen auf Schottland unter einem Lupenglas. Wenn das Licht in einem bestimmten Winkel einfällt, steigt die Hitze. Verborgenes wird sichtbar. Menschen müssen sterben. Aber die, die überleben, bleiben nicht unberührt. Sie sind Verlierer in einem unberechenbaren Spiel. Die Gesellschaft nach Denise Mina lebt (und stirbt) von der Scheinheiligkeit ihrer Mitglieder. Das ist wahrhaft aufrüttelnde Literatur.

 Katja Bohnet

Denise Mina: Blut Salz Wasser (Blood Salt Water, 2015). Übersetzt von Zoë Beck. Argument/Ariadne Verlag, Hamburg 2018. 364 Seiten, 19 Euro.

Tags : ,