Geschrieben am 4. November 2015 von für Crimemag, Film/Fernsehen

Kino-Shortcuts: Black Mass

Boston Illegal: das FBI im Team mit der irischen Mafia

Johnny Depp spielt den historischen Gangster James „Whitey“ Bulger, der durch seinen Sandkasten-Kumpel beim FBI zu einem der meistgesuchten Männer der USA wurde. Christopher Werth war im Kino.

Zwei Sorten von Schauspielern fallen immer wieder auf: Da sind die Typen mit den Charaktergesichtern, die man immer wiedererkennt, mit gewissen Eigenschaften verbindet und die sich eigentlich immer wieder nur selbst zu spielen brauchen. In Hollywood nennt man das type casting. Ein Schauspieler belegt ein Fach, eine Richtung, und wird immer wieder für entsprechende Rollen besetzt. Jack Nickolson spielt Figuren, deren Ego durch keine Tür passt, James Stewart die aufrichtigen Amerikaner, Charles Bronson gnadenlose Rächer, Hugh Grant trottelige Schönlinge. Die Zuschauer werden an diese Charaktere systematisch gewöhnt. Das hat zur Folge, das sich dann fast niemand mehr z.B. einen Danni Treyo oder einen Vin Diesel als Arzt, Anwalt oder Apotheker vorstellen kann. Dann gibt es die wandelbaren Schauspieler, die in ihre Rollen reinkriechen und die absolute Transformation anstreben. Z.B. Merryl Streep, Robin Williams, Marlon Brando oder Tom Hanks: vielseitig einsetzbar und wenig festgelegt auf ein spezielles Fach.

James „Whitey“ Bulger analysiert die Situation

James „Whitey“ Bulger analysiert die Situation

Johnny Depp kann beides. Kein Wunder, dass es ihn reizt, auch mal eine richtig böse und harte Figur zu verkörpern. Also wird er für „Black Mass“ der Gangster James „Whitey“ Bulger. Dazu muss er in die Maske und bekommt eine fast schlangenhafte, hypnotische Ausstrahlung verpasst, eine Gratwanderung zwischen Nosferatu und Realismus. Um einen Bösen zu spielen, reicht es nicht, einfach nur Böse zu sein. Eine Figur bekommt ihre Tiefe durch Gegensätze. Eine alte Theaterregel besagt: Um besoffen zu spielen, soll man nicht wild herumtorkeln, sondern mit aller Kraft versuchen, streng geradeaus zu gehen. So wird es auch bei „Black Mass“ gemacht. Burgler ist ein fürsorglicher Vater, bis zum tragischen Tod seines Sohnes. Er lässt gnädig zu, dass ihn seine alte Mutter beim Kartenspiel abzieht, er hilft alten Damen bei ihren Einkäufen und begegnet auch seinem Bruder mit höchstem Respekt. Das Böse-sein erledigt er beängstigend gut. Seine maskenhafte Visage bleibt unberechenbar. Wenn er sein Gegenüber mit kalten, verwaschen blauen Augen anstarrt, weiß man nie, ob er gerade einen Scherz macht oder ihn gleich aufschlitzen wird.

Der Film erzählt die Geschichte der Beziehung dreier Männer, die im Süden von Boston gemeinsam aufgewachsen sind. Mittlerweile ist einer Politiker, einer beim FBI und der dritte kurz davor, zu den zehn meistgesuchten Personen der USA zu gehören. Polititker und Gangster sind Brüder – und der Agent (John Connolly, gespielt von Joel Edgerton) will einfach nur auch dazugehören, will Anerkennung und seinen eigenen schnellen Erfolg. Dabei hat er mehr Glück als Verstand. Er beschäftigt den Gangster Bulger gegen den Willen seiner Vorgesetzten offiziell als Informanten. Und der Deal mit dem Teufel hilft ihm, medienwirksam die italienische Mafia-Konkurrenz aus dem Weg zu räumen und schnell aufzusteigen. Der Politiker, gespielt von Benedict Cumberbatch, bleibt undurchschaubar und unantastbar erhaben. Ob er was mit seinem Bruder zu tun hat, ob sich die beiden gegenseitig helfen, blieb auch im wahren Leben für immer das Geheimnis der beiden. Klar ist nur, das die beiden ein sehr gutes, respektvolles Verhältnis haben, sich oft in der einfach eingerichteten Wohnung ihrer Mutter treffen und sich um sie und ihre Katze bis zu ihrem Tod zu kümmern. Das enorm erfolgreiche Projekt beginnt schließlich irgendwann zu kippen… Am Ende erfahren wir nur noch in Bildüberschriften und kurzen Sequenzen, wie es den Figuren weiter ergangen ist.

Die Winter Hill Gang im Meeting

Die Winter Hill Gang im Meeting

Im Gegensatz zu den meisten Gangsterfilmen wird hier kein ausschweifender, glamouröse Lifestyle gefeiert. Bulger lebte trotz enormer Einnahmen immer in bescheidenen Verhältnissen. Die Mischung aus Spießigkeit und 70er-Coolness (Autos, Lederjacken, Schnaps, Zigaretten) wird stimmungsvoll umgesetzt. Dakota Johnson, die Ehefrau von Bulger, ist beinahe das einzige schöne Gesicht des Films. Ansonsten dominieren gut gecastete, aufgedunsenene Fratzen. Das Getränk zum Film ist deswegen auch kein fancy Single Malt Scotch. Sondern: ein irischer Standard-Whiskey aus dem Supermarkt, der auch seinen Job macht und mindestens genauso knallt.

 

Hier geht es zum Trailer.

USA 2015

122 Minuten

Regie: Scott Cooper

Buch: Mark Mallouk, Jez Butterworth

Musik: Tom Holkenborg

Kamera: Masanobu Takayanagi

Schnitt: David Rosenbloom

Mit: u.a. Johnny Depp, Benedict Cumberbatch, Kevin Bacon, Joel Edgerton, Dakota Johnson

www.blackmassthemovie.com

 

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