Geschrieben am 27. September 2014 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Hinter der Linie, vor dem Spieltag (6)

Mara Braun_neuHinter der Linie, vor dem 6. Spieltag

– Eine Fußballkolumne von Mara Braun.

Wenn man im September des Jahres 2014 auf der Startseite des kicker unvermittelt den gepflegten Seitenscheitel von Timo Hildebrand erblickt, so gibt es dafür nur eine logische Erklärung: Man liegt eigentlich noch im Bett und träumt von den Neunzigern. Bis einem bewusst wird, damals trug Hildebrand erstens noch keinen Bart und zweitens fehlt jedwede Veranlassung, um von dem Torwart und vor allem den Neunzigerjahren zu träumen: Seine mediale Auferstehung ist vielmehr dem Umstand geschuldet, dass bei der Eintracht an einer Neuauflage zu „Der alte Mann und das Tor“ gearbeitet wird – mit Timo Hildebrand als Jens Lehmann und Thomas Schaaf als Arsène Wenger.

Wenn der Bobic zweimal klingelt

Die Wiederkehr des Sonnyboys weist allerdings zumindest rund um seinen ersten Ligaeinsatz mehr Tücken auf als Vorteile, angefangen mit dem Umstand, dass die Kollegen in der Kabine seinen sehr speziellen Zungenschlag schlicht nicht verstehen und so die Motivationsreden des Blondschopfs wirkungslos verpuffen. Zum anderen schmieden die Stadiontechniker des HSV einen genialen Plan und zeigen auf allen Leinwänden im Volkspark während der kompletten 90 Minuten ausschließlich Großaufnahmen von Hildebrand – der daraufhin erwartungsgemäß permanent damit beschäftigt ist, seine Frisur zu richten, statt seinen Kasten sauber zu halten. Dank dieses Ablenkungsmanövers gelingt endlich auch dem HSV sein erstes Saisontor.

Bei Hildebrands alter Liebe VfB Stuttgart weckt die Bundesligarückkehr des Meistertorwarts nostalgische Erinnerungen an die guten alten Zeiten, und manch einer rubbelt sich überrascht die Augen, dass es so etwas in Stuttgart überhaupt je gab. Zur Überraschung der Gäste von 96 steht dann aber zu Anpfiff kein einziger VfB-Spieler auf dem Platz, auch in der Kabine sind die Kicker nicht zu finden, so dass die Partie letztlich abgesagt und 1:0 für Hannover gewertet wird. Das verfolgt am heimischen Fernseher ein irre kichernder Fredi Bobic, der morgens mit verstellter Stimme als vermeintlicher Aufsichtsratsvorsitzender Joachim Schmidt sämtliche Spieler per Telefonanruf über ihre angebliche Entlassung informiert hatte.

Tränen lügen nicht

Immer noch nicht entlassen ist entgegen aller Erwartungen Jens Keller, und nachdem seine Mannschaft im Derby den zuletzt nicht wirklich konstanten BVB schlägt, fehlen auch Katrin Müller-Hohenstein langsam Argumente, die sie Horst Heldt für den Keller-Rauswurf noch in den Mund legen könnte. Den Mund einfach mal aufmachen, das kann nach eigener Aussage inzwischen Gladbachs Weltmeister Christoph Kramer. Erstmal wird der am Samstagabend im Sportstudio aber wohl erklären müssen, wieso seine Mannschaft sich von Paderborn derart vernaschen lässt. Denen hatten etliche Beobachter nach der Pleite gegen die Bayern immerhin vorausgesagt, der angenehme Teil der Saison läge nun hinter ihnen – Irrtum.

Besagte Bayern können zumindest gegen die Aufsteiger in der Liga ihre Punkte einfahren und schlagen den FC Köln so hoch wie verdient. Ein Grund dafür könnte freilich sein, dass Kölns Torwart Timo Horn während der Partie permanent dicke Krokodilstränen in den Augen hat und irgendetwas von einem „verlorenen Rekord“ murmelt… Ebenfalls feuchte Augen plagen bereits am Freitagabend den Ungarn Ádám Szalai bei der Rückkehr an seine alte Mainzer Wirkungsstätte. Ob es an dem verschleierten Blick liegt oder seinem Heimweh bleibt unklar, die Vorlage zum Siegtreffer der 05er kommt an diesem Abend jedenfalls aus den Füßen des Gegners und wird von der japanischen Tormaschine Shinji Okazaki dankbar angenommen.

Die Ergebnisse im Überblick:

Mainz – Hoffenheim 2:1
Schalke – BVB 3:2
Freiburg – Leverkusen 1:1
Stuttgart – Hannover 0:1
Köln – Bayern 1:6
Paderborn – Gladbach 4:2
Wolfsburg – Bremen 3:2
Augsburg – Hertha 1:0
Hamburg – Frankfurt 1:0

Mara Braun

Mara Braun, geboren 1978 in Heidelberg, aufgewachsen im hessischen Odenwald mit einem Abstecher nach Mississippi, seit 1998 in Mainz am Rhein. Studium der Filmwissenschaft & Publizistik. Journalistin, Autorin, Fußballbegeisterte, Bücherwurm, Überzeugungstäterin. Im September 2013 erschien „111 Gründe, Mainz 05 zu lieben“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf). Mara Braun bei Facebook, bei Twitter, im Blog.

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