Geschrieben am 22. März 2014 von für Crimemag, Kolumne

Hinter der Linie, vor dem Spieltag

Mara BraunHinter der Linie, vor dem 26. Spieltag

– Eine Fußballkolumne von Mara Braun.

Als bei der Berichterstattung zur Champions League am Mittwoch im ZDF kurz der Eindruck aufkam, man sehe die „Heute Show“, lag das nicht an Oliver Welke, der beide Formate moderiert. Für Heiterkeit bis kurz vor der Schnappatmung sorgte vielmehr Oliver Kahn mit der leidenschaftslos vorgetragenen Aussage, Auseinandersetzungen im Fußball sollten doch bitte auf einer sachlichen Ebene stattfinden. Sachlichkeit, das war ja bekanntermaßen eine der Kernkompetenzen des Fußballers Oliver Kahn. Zum Nachdenken regte schon eher ein Satz des BVB-Trainers Jürgen Klopp an, der erklärte, er selbst und Kahn hätten immer in verschiedenen Ligen gespielt. Das ist nun wirklich zu bedauern, denn diesen beiden beim spielerischen Tanz zuzusehen, wäre vermutlich ein Naturereignis gewesen.

Sowieso stellt sich die Frage, warum noch niemand eine Bunte der Bundesliga erfunden hat, ein Boulevardblatt rund um den Fußball und seine Akteure also. Böse Zungen könnten zwar behaupten, der Kicker fülle diese Rolle bisweilen wunderbar aus, aber selbst die Kollegen können der Masse an Nebenschauplätzen unmöglich alleine Herr werden. Wer sich durch die Sportteile der Zeitungen blättert oder selbiges online per Klick tut, stößt auf immer mehr, was mit dem Fußball selbst gar nichts zu tun hat. Kaum haben die Bayernspieler in einer geheimen Auslosung bestimmt, wer Uli Hoeneß demnächst als Erstes im Knast besuchen darf, da fliegt Schalkes Jefferson Farfan mit kaputtem Knie zum Shoppen nach Mailand, während sich die Dortmunder Profis über den Liebesentzug ihrer Fans beklagen: Daily Soaps sind ein Dreck gegen die Dramen des Fußballs auf und fernab des Platzes, sogar in Zeiten, in denen Sylvie-Françoise-Meis-Geschiedene-van-der-Vaart ihre Standleitung zur BILD-Zeitung nicht mehr täglich nutzt. (Für Updates zu ihrem Beziehungsstatus und eine tragische Magersuchtbeichte zwischendurch ist aber natürlich immer Zeit.)

Verwirrung um die Freiburger Trainerbank

Dabei passieren die eigentlich interessanten Dinge doch auf dem Platz! Zum Beispiel gleich am Freitag beim Besuch des SV Werder Bremen in Freiburg, wo sich ein verwirrter Robin Dutt zunächst aus alter Gewohnheit auf die falsche Trainerbank setzt. Sein Kollege Christian Streich verfolgt daraufhin die komplette erste Halbzeit im Stehen, aus Sorge, er könne sich den Zorn des Schiedsrichters damit zuziehen, Dutt zu vertreiben. Nachdem der sein Malheur bemerkt, verbringt er solidarisch die zweite Hälfte des Spiels stehend. Ähnlich höflich schleichen auch die Spieler auf dem Platz umeinander – sachgerechtes Unentschieden.

Am Samstag in Braunschweig liebäugelt auch Schalketrainer Jens Keller im Spielerverlauf mehrfach damit, sich der gegnerischen Trainerbank zu nähern, wenngleich aus einem völlig anderen Grund. „Die rufen meinen Namen, hört das außer mir denn niemand?“, fragt der Übungsleiter in der Halbzeitpause aufgebracht sein Team. „Keller, Keller, Keller – die wollen mich doch aus dem Konzept bringen, nur darum geht es.“ Damit liegt der durch seinen Job in Gelsenkirchen leicht paranoid gewordene Übungsleiter allerdings komplett daneben, vielmehr murmelt Lieberknecht auf seiner Bank wie ein Mantra: „Wenn wir heute gewinnen, kommen wir endlich raus aus dem Keller.“ Mission geglückt, Braunschweig siegt überraschend, aber verdient mit 2:1 und – die Auswärtskurve bebt.

Huub Stevens’ Tränen beim Date mit der Ex

Einen schweren Gang bringt der Spieltag auch für Stuttgarts Neutrainer Huub Stevens mit sich. War in der vergangenen Woche die Begeisterung über seine Rückkehr in die Liga noch derart ungebrochen, dass er sogar die Trainingsjacke der Schwaben tragen konnte, ohne dabei Ausschlag zu bekommen, bricht ihm das Wiedersehen mit seiner alten Liebe aus Hamburg von der roten Trainerbank aus das Herz. Weil seine Spieler von den schlecht unterdrückten Schluchzlauten des Niederländers vollkommen abgelenkt sind, nutzt auch die Rückkehr des Torjägers Vedad Ibišević nichts: Die Schwaben unterliegen haushoch.

Zum Auswärtsspiel gegen Hannover 96 erscheint Dortmunds Trainer Jürgen Klopp mit einer Maske, die sein eigenes Gesicht zeigt: breit grinsend. „Ftört far ein biffen beim Intefuuu, affer fo fieht keiner mehr feine Frimasse!“, lautet seine einleuchtende Erklärung nach einem BVB-Sieg gegen chancenlose Hannoveraner. Ebenfalls chancenlos sind die Wölfe beim Heimspiel gegen Augsburg, zu dem mehr FCA-Fans als Anhänger des VW-Clubs auftauchen. „Es war heute wirklich wie ein Heimspiel, da macht der Sieg doppelt Spaß“, jubelt Markus Weinzierl anschließend in der Mixed Zone, während Wolfsburg geschlossen die Interviews verweigert.

In Mainz taucht derweil überraschend der Münchner Mannschaftsbus auf. „Es isse sooo öde, imma nur kicke gegen siche selbst!“, erklärt Franck Ribéry den erstaunten Reportern. Beim Spiel wirken die Münchner gleichfalls angeödet, ganz anders ihr Gegner. Dem gelingt, wie kann es anders sein, die Sensation: Als einzige Mannschaft bis zum Saisonende ringen sie den uninspirierten Bayern einen Dreier ab. Einen Dreier der etwas anderen Art legen die Teams der späten Samstagspartie sowie der Sonntagsspiele hin – die Begegnungen enden allesamt 1:1 unentschieden.

Die Ergebnisse im Überblick
  • SC Freiburg – Werder Bremen 0:0
  • Schalke – Braunschweig 1:2
  • Stuttgart – HSV 1:4
  • Hannover – Dortmund 1:3
  • Wolfsburg – Augsburg 1:3
  • Mainz – Bayern 2:1
  • Gladbach – Hertha 1:1
  • Nürnberg – Frankfurt 1:1
  • Bayer – Hoffenheim 1:1

Dieser Text wurde unter notarieller Aufsicht am Donnerstag, den 20.03.2014 um 17:45h fertiggestellt.

Mara Braun

Mara Braun, geboren 1978 in Heidelberg, aufgewachsen im hessischen Odenwald mit einem Abstecher nach Mississippi, seit 1998 in Mainz am Rhein. Studium der Filmwissenschaft & Publizistik. Journalistin, Autorin, Fußballbegeisterte, Bücherwurm, Überzeugungstäterin. Im September 2013 erschien „111 Gründe, Mainz 05 zu lieben“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf). Mara Braun bei Facebook, bei Twitter, im Blog.

Tags : ,