Geschrieben am 16. Dezember 2018 von für Crimemag, CrimeMag Dezember 2018

Günther Grosser: Bill Beverly „Dodgers“

dodgers-9783257070378Wo die neue Energie herkommen könnte

Die Dodgers, das ist das Baseballteam von Los Angeles, ursprünglich aus New York, wo sie als die „Bums“ galten, die Schmuddelkinder aus Brooklyn, die sich immer zu behaupten hatten gegen die großen Yankees aus der Bronx und die Giants aus dem Norden, aus Washington Heights. 1958 zogen sie nach Westen, nach Los Angeles, die Giants nach San Francisco, das Geld war jetzt in Kalifornien zu machen. Man planierte ein halbes Mexikanerviertel für ihr neues Stadion, Ry Cooder hat ein brillantes Album darüber eingespielt, „Chavez Ravine“.

Heute sind die Dodgers das Team des weißen LA; die Rapper und HipHoper wollen nichts mit ihnen zu tun haben, und auch die vier Jungs aus Bill Beverlys großer Road-Novel „Dodgers“ holen sich bloß schnell ein paar Dodgers-Trikots, bevor sie nach Osten losziehen, damit sie für die weißen Cops, mit denen sie es dort draußen wohl zu tun bekommen, vielleicht ein bisschen weißer, ein wenig respektabler wirken. East wird seins dann wegwerfen, in Ohio, als er ein anderer geworden ist, denn Beverlys Geschichte ist ein Bildungsroman, eine Coming-of-Age-Geschichte. Zwei Opfer sind nötig für sein Erwachsenwerden, drei genaugenommen, nimmt man das kleine Mädchen dazu, noch in LA, als das Drogenhaus, das East zu bewachen hat, von der Polizei gestürmt wird. Nach diesem Desaster schickt man sie los, vier schlabbrige Teenager zwischen 13 und 20, einen Richter in Wisconsin umzubringen, der dem Boss gefährlich werden kann.

cooder-chavez-ravineSo schlingern die Jungs, vier schwarze Homies in den Weiten des weißen Amerika, durch die winterliche Provinz, frieren, wundern sich über dieses komische Land, das ihnen völlig fremd ist, kalt, abweisend. Sie erledigen ihren Auftrag, bauen Mist, und reduzieren ihre kleine Gruppe durch Überheblichkeit und Dummheit, bis nur noch Easy übrig ist, der weiter nach Osten trudelt, bis er zu Fuß in einer Paintball-Range in Ohio ankommt – eine Monstermetapher für den abgehängten Teil der Gesellschaft, wo müde Männer aus rostenden Pickups steigen, um mit falschen Gewehren lächerliche Farbsäckchen aufeinander abzufeuern, da draußen auf dem Land, wo nur noch die eigentlichen Dodgers – Strauchdiebe, Schwindler – sich gegenseitig die paar lausigen Kröten aus den Taschen ziehen.

Denn Bill Beverly geht es gar nicht um Schwarz gegen Weiß, um Rassismus, es wirkt fast, als halte er Rassismus für ein Problem des guten alten funktionierenden optimistischen Amerika, das jetzt mit einem ganz anderen, mächtigeren Gegner zu kämpfen hat, mit dem es ganz schlecht zurechtkommt: mit einer Art dämpfender Ausgelaugtheit, mit Pessimismus, mit einer Lethargie, die jegliche Energie aus dem Land gesaugt hat. Dann aber gibt er der ganzen Geschichte noch einen völlig unerwarteten, regelrecht existenzialistischen letzten Schlenker und damit einen Hinweis darauf, wo die neue Energie für Amerika herkommen könnte: von den Homies.

Günther Grosser

Bill Beverly: Dodgers (2017). Aus dem Amerikanischen von Hans M. Herzog. Diogenes Verlag, Zürich 2018. 400 Seiten, 24 Euro.

Günther Grosser: Autor zu Genre-Themen, u. a. mit einer monatlichen Krimikolumne in der Berliner Zeitung. Theatermacher, Regisseur, Leiter des English Theatre Berlin.

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