Geschrieben am 9. März 2013 von für Carlos, Crimemag, Kolumne

Carlos

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CULTurMAG auf Betriebsausflug! Horrortrip oder Wallfahrt? Und Carlos als Gott mittenmang. Ein Szenario

Es ist schade, dass ich nicht Gott bin.

Der liebenswerte, zärtliche Zwergelefant ersetzte den Hund, winzige Kolibris übernähmen die Aufgaben der Insekten, diese gäbe es nicht.

Es stünden einem jeden Menschenkind jew. eine Ersatzleber, Ersatzlunge, sowie ein pfiffiges Ersatzgehirn zur Verfügung.

Man dürfte selbstverständlich CDU, FDP und sogar Nazischeißer wählen, müsste dann aber in Kauf nehmen, dass man eine grün-eitrige Gesichtsfarbe sowie ein dummes Stirnhorn lebenslang herumträgt.

Der Sünde des Onan bedürfte es nicht mehr, weil wir alle schön, gierig aufeinander und frei von Eifersucht der Venus opfern könnten. Thomas Wörtche wäre Präsident des FC Bayern München, der alle fünf Jahre mal nicht Meister wird, weil dann der SC Freiburg die Sensation schafft.

Jede Menge Fundamentalisten, Bösewichte, Knallköpfe gingen alljährlich an einer speziellen Grippe ein.

Vor allem würden wir Cult-MackerInnen einen wunderbaren Betriebsausflug in den Schwarzwald machen.

Dieser begänne beklommen – viele von uns begegnen sich ja das erste Mal real. Aber irgendein Spitzbube ignoriert das Alkoholverbot unseres vierschrötigen Fahrers und lässt eine Magnumflasche Eierlikör durch die Reihen wandern. Die Stimmung steigt also bereits, während wir noch die eher trostlose Strecke Pforzheim – Freudenstadt bewältigen. Im berühmten Luftkurort verlassen wir den Bus einigermaßen fidel – die Warnung des Fahrers, er weigere sich, uns nachhause zu fahren, wenn das so weitergehe, ignorieren wir.

Die erste Gelöstheit verflüchtigt sich beim Mittagsessen. Das Essen ist schlecht: Rahmschnitzel mit Kroketten und schalem Salat. Die Vegetarier mümmeln ein wässriges Rührei – auch sitzen wir ungünstig: Z. B. sitzen die gut verkaufenden Krimischreiberinnen und -schreiber mit den erfolglosen zusammen, der Neid treibt den letzten Genuss vom Teller.

Immerhin das Bier ist gut: Alpirsbacher oder gleich Rothaus.

Das Programm ist dann wieder dürftig. Ein sturer Alemanne intoniert auf seiner Hammondorgel bittersüße Schlagermelodien.

Über die Frage, wer den engagiert hat, kommt es gar zu einem Handgemenge. Uns wird klar, dass wir bis zur avisierten Rückfahrt um 18 Uhr keinerlei weitere Zerstreuungen eingeplant haben.

Dank mehrerer Flaschen Weiß- und Spätburgunder, großzügig portionierter Kirschwässerle, dem – gerade für die Nord- und Ostdeutschen unter uns sensationell neuen – Topinamburschnaps, finden wir das gar nicht schlimm, senken wir aller Hemmschwellen zunehmend unter den Meeresspiegel.

Der Organist, seinerseits 3/4 dicht, entpuppt sich auf Bitten und eine Nachzahlung hin, als leidlicher Loungewummerer.

Dem schieren Tumult folgen immer wieder Phasen laszifer Toxik.

Und ja! Auch Ärzte und Asketen unter uns huldigen Gott Bachus in sprachlos stimmender Frömmigkeit.

Der Tag läuft völlig aus dem Ruder.

Der Rauchernebenraum wird für flüchtige Kopulationen zweckentfremdet, eine zerstört den Tischkicker, eine andere endet mit Schreien und Striemen.

Geraucht wird längst überall, der Wirt droht mit der Polizei, nimmt das aber zurück, als alle verbliebenen Weinbestände, auch klebrig süßes, verkorkt-gekipptes, übel gepanschtes Zeug, bestellt werden.

Immer mehr schöpfen zwischendurch Luft und kotzen Kurgästen auf die Lammfellschuhe.

Zurück am Bus wird der Fahrer bestochen und an der nächsten Shell nochmal kräftig nachgeladen: Stangenweise filterlose Zigaretten, Paletten Asbachcola, Salamettiwürstchen und Tuc-Kekse, sowie von einem zufällig tankenden Mitbürger mit Migrationshintergrund ein halbes Pfund Spezialharz.

Trink-, Knutsch- und illegale Glücksspiele wogen gleich einer La Ola des Verderbens durch den zugekifften Bus. Es ist einer der gesetztesten Herren im Trupp, der augenzwinkernd eine Viagrarunde spendiert. Selbst die Damen fressen es.

Der Busfahrer überfährt ein Reh und begeht Fahrerflucht.

Erpressbar geworden muss er uns zum Spielkasino von Baden-Baden verbringen. Dort lässt man uns nicht ein, was zu einer zünftigen Keilerei führt. Um negative Schlagzeilen zu vermeiden, schmiert uns die Geschäftsleitung mit Schampus satt.

Blutend, trunken und singend, fahren wir nach Hause.

Wie gesagt, es ist schade, dass ich nicht Gott bin.

Carlo Schäfer

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