Geschrieben am 28. April 2012 von für Carlos, Crimemag

Carlos


April, zweite Monatshälfte, mit …

Carlos Tagebuch

… rasen die Wochen nur so  dahin!

15. Schon wieder Sonntag. Wochenbilanz? Lebensbilanz?

D. ist bei ihrer Fastenselbsthilfegruppe, ich gehe in „Heiko’s Zwitscherstube“, da ist meine Selbsthilfegruppe.

Gegen Mitternacht stellen wir fest, dass Heiko von außen abgeschlossen hat. Und er hat die Läden verriegelt. Ehe der arbeitslose Mediziner Schmitt die gute Idee mit dem offenen Hinterausgang hat, klemmt sich Karaoke-Harry leider im Kamin fest. Ich überlasse ihn seinem Schicksal.

Heimweg – Idee – ein Kammerspiel – highsmith-artig – ein Mann im Zug allein.

Rest später … Erwachen auf einem Waldweg, ein Hund steht mir auf der Brust, sein Besitzer zerrt ihn weg.

16. Heute morgen habe ich die Messer gefunden.Sie waren in meiner Kiste „Finanzielles und alles Mögliche“ – insofern also ein akzeptabler Ort und eine erfolgreiche Suche – gerade noch rechtzeitig, denn: D. isst wieder, Gott sei Dank. Sie will nicht darüber sprechen. Ich mache einen langen Spaziergang. Ein Mann im Zug …

Irgendwann sitze ich weinend vor einem naturwissenschaftlichen Gymnasium.

17. Wie krieg ich die zwei Ideen zusammen? Mann allein im Zug, Frau wohnt – scheinbar stumm – in einem Forsthaus. Das Ganze entpuppt sich als internationales Problem, bei dem es um Waffen und Islamismus geht. Und irgendetwas habe ich vergessen … Blick in den Kalender: Unser Sohn R. kehrt von seiner Australienreise zurück – genauer gesagt, er ist bereits zurückgekehrt, heute Nacht um drei. Ich hatte wohl versprochen, ihn in Frankfurt abzuholen. Fröhlicher Anruf von D., sie will „den kleinen“ (1.93 m) R. sprechen. Ich erfinde eine 12-stündige Verspätung. In diesem Moment kommt R. zur Tür herein, bleich, übernächtigt: „Wichser!“, sagt er und geht an mir vorbei.

Später: E-Mail von meinem Migranten, Betreff: Wichser! Text: Du Wichser!

Das häuft sich nun doch ein bisschen sehr – der nächste, der mich so nennt, kann was erleben!

Abends in der Altstadt kämpfe ich gegen anwachsende Verzweiflung an. Auf dem Weg ins „Ruanda“ habe ich insgesamt sieben plakatierte Veranstaltungen mit Heidelberger Krimiautoren gesehen, vier in Farbe. Ja, klar, verbunden mit Burschenschaftsliedern, Weinproben, einmal sogar Tupperware und dem Titel: „Heidelberger Haltbarkeit“. Das sind Kommerzialisierungen und Verrätereien an der Ernsthaftigkeit des unterschätzten Genres, für die ich mir zu gut war und bin. Aber es tut schon weh.

Eine junge Frau lächelt mich an. Scheiß auf die Ehe! Ich nicke ihr zu. Sie geht an mir vorbei und umarmt ihren Liebsten, der schräg hinter mir am Tresen an seinem Hinschied arbeitet.

„Wichser!“, faucht sie in meine Richtung.

Sagen wir, der nächste Mann, der es zu mir sagt … „Wichser“, sagt nun auch ihr Freund, er trägt ein Rugbytrikot.

18. 0 Uhr 10. So muss sich Petrus nach dem dritten Hahnenschrei gefühlt habe. Nur habe ich mich selbst verraten. Habe vor dem Rugbymann gekuscht. D. schläft, R. ist sonst wo. Ich öffne meine Mails und siehe da!

Die Buchhandlung am Hungerturm, Mosbach möchte mit mir eine Lesung veranstalten! Titel: Verbrechen und Sicherheit. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Lebensversicherern aus der Region.

300 €.

Ich sage sofort zu.

Gegen Nachmittag antwortet die Buchhandlung. Sie versteht meine Mail nicht:

Ovj nom hrmr fsnro“

Sollte heißen: Ich bin gerne dabei!

Ich habe mich um genau eine Taste nach rechts vertan, das aber präzise!

Trotzdem: Keine Mails mehr nach 22 Uhr.

Ich schaue noch mal nach, wann die Lesung sein soll. Morgen. Ganz offensichtlich hat jemand abgesagt …

19. Es ist noch schlimmer. Sie haben mich verwechselt. Ich habe nie ein Buch namens: Sau tot im Odenwald! Geschrieben. Hoffe ich zumindest.

Lesung ist abgesagt, R. physisch vorhanden, aber spirituell in Afghanistan.

D. kommt etwas später als sonst, hat sie gesagt, da kommt sie schon – in Begleitung eines fremden Herrn, den sie als Alfred aus den Niederlanden vorstellt.

Es sei aber noch nicht zum Äußersten gekommen, versichert der Deichkasper.

„Wir müssen reden und vernünftig sein.“ Dabei kommen jetzt die Kochprofis!

20. Ist nichts Ernstes. Ein kleiner Flirt. Na und. Mir doch egal. Hatte ja in der Kneipe neulich auch einen (sehr) kleinen. Muss mich auf meine Arbeit konzentrieren. Wir sind schließlich erwachsen. Das wirft mich nicht um.

Er sei sensibel. Na und? Ich bin auch sensibel! Schließlich habe ich nach dem Halbfinale 2006 ein bisschen geweint. Überhaupt:

Buhuhuhuhuhuhuhuhuhuhuhuhuhuhuhuhhuhu!

 

21. kOMMe hete rgendwio schlecht aus dem btt…

22. Kurzer Impuls, in die Kirche zu gehen. Vielleicht ist da ja doch jemand, der mich liebt. Weit weg, versteht sich. Bleib dann aber daheim, muss erst Wäsche waschen. Viel Wäsche. Socken kann ich notfalls R. klauen, aber Unterhosen nicht.

Wie wär’s damit: Deutscher ermordet holländischen Hurensohn und wird nie gefasst. Kein Plot? Nein?

23. Alfred ist abgereist, D. möchte hören, was ich so schreibe, ihre Gewissensnot muss schrecklich sein. Ich lese ihr mein Tagebuch vor. Sie sagt: „Gut. Doch. Wirklich gut!“

Es ist noch schlimmer, als ich dachte. Mindestens heavy petting.

Morgengrauen: R. taucht auf, fragt, ob wir einen Anwalt haben. In seiner Begleitung befinden sich ein junger Mann, der zitternd um ein Bier bittet, eine kichernde junge Dame mit nur einem Schuh und jemand, auf dessen Geschlecht ich mich beim besten Willen nicht festlegen kann, zumal er/sie sich mit „Schubi“ vorstellt. Immerhin grüßt es.

24. D. hat mir Geschenke gekauft und kündigt an zu kochen. Auf meine Frage, ob wir es uns mit „Clockwork Orange“ heute Abend richtig gemütlich machen, antwortet sie: „Gerne!“,  normalerweise hat sie schon beim Dschungelbuch Angst.

Und irgendwas habe ich vergessen, irgendwas…. Hose? Nein, die ist da. Offen, aber sie ist da.

25. Die Kolumne. Natürlich habe ich wieder die Kolumne vergessen. Und das, wo ich heute zum Augenarzt muss und hinterher Pupillen wie Untertassen habe und nichts mehr sehe.

Viellleicht gehtes, wenn ich einen größ\eren Schrftgrad waähle? Neim.

26. Gott, was schreib ich nur in der Kolumne? Und warum meldet sich der Agent nicht mehr? Stattdessen schon wieder der Migrant: Betreffzeile: Du bist tot. Ich lösche die Mail und rufe meinen Agenten an.

Es ist besser so. Er hat recht. Dochdochdoch. Es ist besser, wenn ich ganz ungehemmt durch Verkaufsabsichten und Druck, sei es seitens eines Verlages oder sei es seinerseits, frei sei.

Über die vielen „ei“ ist mir gar nicht gleich aufgefallen, dass er mich gefeuert hat.

27. Freitag. Noch ein Wort mit „ei“. „Heiko’s Zwitscherstube“, da ist auch eines drin. Und ich bin da drin. Und da bleib ich auch.

28. Letzter Samstag im Monat. Greife in meiner kolumnistischen Armut zu diesen, meinen intimen Zeilen, Wörtche, kaum habe ich ihm meine Digitaldiarrhö zugesandt, ringt um Fassung. Ich tue so, als merkte ich nichts. Berlin ist weit, der Kühlschrank ist nah. Irgendwo auf der Welt (Tasmanien?) ist es jetzt acht.

D. kommt vom Sport, ich hatte ihr eine meinerseits geplant Wanderung vorgelogen, sie will mich etwas schmaler, alfredhafter, hat mir die Natter zugezüngelt. Trete mich selbst und erfinde eine Verletzung. Was ich da schreibe, fragt sie. Ich feile an meinem neuen Plot, sage ich. Sie geht raus. Lacht. Warum lacht sie?

29. gluck

30. kiff

1. 5. Der April kann mich mal!

(Nachtrag: Kolumnen widmet man meines Wissens normalerweise niemandem, diese aber widme gleich vieren: D., R., meinem Leben und mir. Alle vier sind wir nämlich dann doch ein bisschen anders …)

Carlo Schäfer

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