Geschrieben am 14. April 2012 von für Crimemag

About Crime Fiction – Pick of the Week N° 6

Pick of the Week N° 6

– Seit Jahren bibliografiert, archiviert und kommentiert der Ehrenglauser-Preisträger Thomas Przybilka in seinem BoKAS  (= Bonner Krimi-Archiv Sekundärliteratur) wissenschaftliche und publizistische Arbeiten aus aller Welt, die sich mit den unendlichen Facetten von Kriminalliteratur befassen. In unregelmäßig regelmäßigen Abständen erscheinen dann seine unschätzbar wertvollen Zusammenfassungen der aktuellen Sekundärliteratur, die jeder zur Kenntnis nehmen muss, der sich auch nur ein bisschen über seine Lieblingsliteratur kundig machen möchte. Ein solcher „Newsletter“ hat leicht einmal 160 bis 200 Seiten; deswegen empfiehlt CrimeMag jede Woche ein paar Titel aus dieser Fülle, die uns besonders bemerkenswert erscheinen.

The Killer of Little Shepherds

Zwischen 1894 und 1897 erschütterte die Menschen in der französischen Provinz eine Serie von brutalen Morden. Meist Kinder und Jugendliche wurden Opfer erst brutaler Vergewaltigungen, die dann in Mord und Totschlag gipfelten. Der Täter, Joseph Vacher, der als „The Killer of Little Shepherds“ in die Kriminalgeschichte einging, wurde gefasst und am 31. Dezember 1898 durch das Fallbeil hingerichtet. Auf die Spur des Massenmörders und Serienkillers Vacher kam nicht die polizeiliche Ermittlungsbehörde, sondern der Chef der Rechtsmedizin von Lyon: Dr. Alexander Lacassagne, der seinerzeit eng mit dem Staatsanwalt Emile Fourquet zusammenarbeitete. Durch Lacassagnes Herangehensweise an den Fall wurde der Grundstein für die moderne Forensik gelegt. Auch heute noch fließen die Methoden des Rechtsmediziners Lacassagne in die Ausbildung französischer Polizeischüler ein. Douglas Starr, Professor für Journalistik an der Boston University, hat diese Mordserie aus der Zeit der Belle Époque in seinem Buch „The Killer of Little Shepherds“ rekonstruiert und so dem Gerichtsmediziner Lacassagne ein Denkmal gesetzt.

 Douglas Starr: The Killer of Little Shepherds. A True Crime Story and the Birth of Forensic Science. 2010. 320 Seiten. 0-307-26619-2 / 978-0-307-26619-4, 26,95 US $. Zur Homepage des Autors.

Analyzing Digital Literature

Neben dem gedruckten Buch, das auch in Zukunft eine Vorrangstellung einnehmen wird, existiert „digitale Literatur“. Texte also, die ausschließlich im Internet oder auf CD-ROM zu finden sind. Kerstin Stiewe beschäftigt sich in ihrer Dissertation mit der Analyse dieser sogenannten Hypertexte. Zugrundegelegt werden die literaturanalytischen Arbeitsmethoden, allerdings ergänzt durch weitere Methoden, um auch jene Bestandteile einzubeziehen, die nur das Internet oder CD-ROMs bieten, wie etwa (bewegliche) Grafik, Bildabläufe und Akustik. Als Arbeitsmethode hat sie „The 5-component-model of analyzing digital literature“ entwickelt, und zwar: Component 1 = Text [Story, Charaktere, Setting, Erzälweise] / Component 2 = Structure and Code [html-Struktur] / Component 3 = Graphics and Sound [nicht-textuale Elemente wie Graphik und Akustik] / Component 4 = Product [ist somit die Kombination der Komponenten 1 bis 3] / Component 5 = Producer & Recipient [„Producer“ gilt sowohl für die textuale wie auch die technische Arbeit, „Recipient“ steht natürlich für den Endverbraucher].

Um diese Arbeitsmethoden zu prüfen, hat Kerstin Stiewe zwei Kriminalromane ausgesucht, „Fibonacci’s Daughter“ und „Spätwinterhitze“ – beide Texte sind nur im Internet bzw. auf CD-ROM verfügbar. Gegliedert ist „Analyzing Digital Literature“ in drei Teile: Digital Literature (darin History and development / Material and structure / Theories and theorists / Technical aspects), Crime Fiction (darin Historical overview of crime fiction and detective fiction / Crime fiction in the new media of the 20th century / The digital medium – crime fiction elements in computer games / Characteristics of crime fiction / Characteristics of detective fiction), Literaray analysis ( darin Main theories / Ways and tools to analyse digital literature / Fibonacci’s Daughter / Spätwinterhitze). Abgerundet wird die Arbeit durch eine entsprechende Bibliographie weiterführender – gedruckter Literatur und digitaler Quellen – hauptsächlich URLs.

Übrigens ist mir nur ein Titel im Bereich der Spannungsliteratur bekannt, der ursprünglich als Gratis-Download zur Verfügung stand, später aber dann auch als gedrucktes Buch erschien: „The Ark“ (dt. „Die Arche“) von Boyd Morrison (die deutsche Übersetzung ist als Goldmann Taschenbuch 47290 lieferbar).

Stiewe, Kerstin: Analyzing Digital Literature. The Analysis of (Crime) Fiction in the Digital Medium. 2011. 251 Seiten. s/w und farb. Abb. & Faksimiles. Shaker Verlag (Forschungsberichte Kunst + Technik, Bd. 1), 978-3-8322-9767-1. 49,80 Euro.

Murderers’ Row. An International Murderers’ Who’s Who

Das Hochsicherheitsgefängis Winson Green Gaol in Birmingham war seit Jahrzehnten der letzte Aufenthalt für die berüchtigsten Verbrecher und Mörder der englischen Midlands. Winson Green Gaol war auch das Gefängnis, in dem bis zur Abschaffung der Todesstrafe 1960 zum Tode verurteilte Verbrecher durch den Strang hingerichtet wurden. 1885 fand hier die erste Exekution statt: Henry Kimberley musste sich auf den Weg zum Galgen machen, nachdem er für die Erschießung einer Frau in einem Pub verurteilt wurde. Für die nächsten 75 Jahre war der kurze Gang von der Todeszelle zum Galgen der letzte Weg für z.B. die „Giftschwester“ Dorothea Waddington, die IRA-Terroristen Peter Barnes und James Richards oder den Kindermöder Horace Carter. Robion Odell schildert anhand von 40 Fällen berühmt-berüchtigter englischer Verbrecher die Geschichte der „Murderers’ Row“ von Winson Green Gaol.

Odell, Robin: Murderers’ Row. An International Murderers’ Who’s Who. 2006. 505 Seiten. Illustrationen, Zeichnungen, Fotos, The History Press. 0750944049 / 978-0750944045. 8,99 £ .

Thomas Przybilka

Zur Homepage des BoKAS.

 

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