Geschrieben am 12. November 2011 von für Crimemag, Vermischtes

Krimigedicht: Gottfried von Straßburg – Tristan (Prolog)

Tristan

von [[Gottfried von Straßburg]]

Gedaehte mans ze guote niht,
von dem der werlde guot geschiht,
sô waere ez allez alse niht,
swaz guotes in der werlde geschiht.
Der guote man swaz der in guot
und niwan der werlt ze guote tuot,
swer daz iht anders wan in guot
vernemen wil, der missetuot.
Ich hoere es velschen harte vil,
daz man doch gerne haben wil:
dâ ist des lützelen ze vil,
dâ wil man, des man niene wil.
Ez zimet dem man ze lobene wol,
des er iedoch bedürfen sol,
und lâze ez ime gevallen wol,
die wîle ez ime gevallen sol.
Tiure unde wert ist mir der man,
der guot und übel betrahten kan,
der mich und iegelîchen man
nâch sînem werde erkennen kan.
Ere unde lop diu schepfent list,
dâ list ze lobe geschaffen ist:
swâ er mit lobe geblüemet ist,
dâ blüejet aller slahte list.
Rehte als daz dinc z‘ unruoche gât,
daz lobes noch êre niene hât,
als liebet daz, daz êre hât
und sînes lobes niht irre gât.
Ir ist sô vil, die des nu pflegent,
daz si daz guote z‘ übele wegent,
daz übel wider ze guote wegent:
die pflegent niht, si widerpflegent.
Cunst unde nâhe sehender sin
swie wol diu schînen under in,
geherberget nît zuo z‘ in,
er leschet kunst unde sin.
Hei tugent, wie smal sint dîne stege,
wie kumberlîch sint dîne wege!
die dîne stege, die dîne wege,
wol ime, der si wege unde stege!
Trîbe ich die zît vergebene hin,
sô zîtic ich ze lebene bin,
sône var ich in der werlt sus hin
niht sô gewerldet, alse ich bin.
Ich hân mir eine unmüezekeit
der werlt ze liebe vür geleit
und edelen herzen z‘ einer hage,
den herzen, den ich herze trage,
der werlde, in die mîn herze siht.
ine meine ir aller werlde niht
als die, von der ich hoere sagen,
diu keine swaere enmüge getragen
und niwan in vröuden welle sweben.
die lâze ouch got mit vröuden leben!
Der werlde und diseme lebene
enkumt mîn rede niht ebene.
ir leben und mînez zweient sich.
ein ander werlt die meine ich,
diu samet in eime herzen treit
ir süeze sûr, ir liebez leit,
ir herzeliep, ir senede nôt,
ir liebez leben, ir leiden tôt,
ir lieben tôt, ir leidez leben.
dem lebene sî mîn leben ergeben,
der werlt wil ich gewerldet wesen,
mit ir verderben oder genesen.
ich bin mit ir biz her beliben
und hân mit ir die tage vertriben,
die mir ûf nâhe gêndem leben
lêre unde geleite solten geben:
der hân ich mîne unmüezekeit
ze kurzewîle vür geleit,
daz sî mit mînem maere
ir nâhe gênde swaere
ze halber senfte bringe,
ir nôt dâ mite geringe.
wan swer des iht vor ougen hât,
dâ mite der muot z‘ unmuoze gât,
daz entsorget sorgehaften muot,
daz ist ze herzesorgen guot.
ir aller volge diu ist dar an :
swâ sô der müezege man
mit senedem schaden sî überladen,
dâ mêre muoze seneden schaden.
bî senedem leide müezekeit,
dâ wahset iemer senede leit.
durch daz ist guot, swer herzeclage
und senede nôt ze herzen trage,
daz er mit allem ruoche
dem lîbe unmuoze suoche.
dâ mite sô müezeget der muot
und ist dem muote ein michel guot;
und gerâte ich niemer doch dar an,
daz iemer liebe gernde man
dekeine solhe unmuoze im neme,
diu reiner liebe missezeme:
ein senelîchez maere
daz trîbe ein senedaere
mit herzen und mit munde
und senfte sô die stunde.
Nû ist aber einer jehe ze vil,
der ich vil nâch gevolgen wil:
der senede muot sô der ie mê
mit seneden maeren umbe gê,
sô sîner swaere ie mêre sî.
der selben jehe der stüende ich bî,
wan ein dinc, daz mir widerstât:
swer inneclîche liebe hât,
doch ez im wê von herzen tuo,
daz herze stêt doch ie dar zuo.
der inneclîche minnen muot,
sô der in sîner senegluot
ie mêre und mêre brinnet,
sô er ie sêrer minnet.
diz leit ist liebes alse vol,
daz übel daz tuot sô herzewol,
daz es kein edele herze enbirt,
sît ez hie von geherzet wirt.
ich weiz es wârez alse den tôt
und erkenne ez bî der selben nôt:
der edele senedaere
der minnet senediu maere.
von diu swer seneder maere ger,
der envar niht verrer danne her.
ich wil in wol bemaeren
von edelen senedaeren,
die reiner sene wol tâten schîn:
ein senedaere unde ein senedaerîn,
ein man ein wîp, ein wîp ein man,
Tristan Isolt, Isolt Tristan.
Ich weiz wol, ir ist vil gewesen,
die von Tristande hânt gelesen;
und ist ir doch niht vil gewesen,
die von im rehte haben gelesen.
Tuon aber ich diu gelîche nuo
und schepfe mîniu wort dar zuo,
daz mir ir iegelîches sage
von disem maere missehage,
so wirbe ich anders, danne ich sol.
ich entuon es niht: sî sprâchen wol
und niwan ûz edelem muote
mir unde der werlt ze guote.
binamen si tâten ez in guot.
und swaz der man in guot getuot,
daz ist ouch guot und wol getân.
aber als ich gesprochen hân,
daz sî niht rehte haben gelesen,
daz ist, als ich iu sage, gewesen:
sîne sprâchen in der rihte niht,
als Thômas von Britanje giht,
der âventiure meister was
und an britûnschen buochen las
aller der lanthêrren leben
und ez uns ze künde hât gegeben.
Als der von Tristande seit,
die rihte und die wârheit
begunde ich sêre suochen
in beider hande buochen
walschen und latînen
und begunde mich des pînen,
daz ich in sîner rihte
rihte dise tihte.
sus treip ich manege suoche,
unz ich an eime buoche
alle sîne jehe gelas,
wie dirre âventiure was.
waz aber mîn lesen dô waere
von disem senemaere,
daz lege ich mîner willekür
allen edelen herzen vür,
daz sî dâ mite unmüezic wesen.
ez ist in sêre guot gelesen.
guot? jâ, inneclîche guot.
ez liebet liebe und edelet muot,
ez staetet triuwe und tugendet leben,
ez kan wol lebene tugende geben;
wan swâ man hoeret oder list,
daz von sô reinen triuwen ist,
dâ liebent dem getriuwen man
triuwe und ander tugende van:
liebe, triuwe, staeter muot,
êre und ander manic guot,
daz geliebet niemer anderswâ
sô sêre noch sô wol sô dâ,
dâ man von herzeliebe saget
und herzeleit ûz liebe claget.
liebe ist ein alsô saelic dinc,
ein alsô saeleclîch gerinc,
daz nieman âne ir lêre
noch tugende hât noch êre.
sô manec wert leben, sô liebe vrumet,
sô vil sô tugende von ir kumet,
owê daz allez, daz der lebet,
nâch herzeliebe niene strebet,
daz ich sô lützel vinde der,
die lûterlîche herzeger
durch vriunt ze herzen wellen tragen
niwan durch daz vil arme clagen,
daz hie bî z‘ etelîcher zît
verborgen in dem herzen lît!
War umbe enlite ein edeler muot
niht gerne ein übel durch tûsent guot,
durch manege vröude ein ungemach?
swem nie von liebe leit geschach,
dem geschach ouch liep von liebe nie.
liep unde leit diu wâren ie
an minnen ungescheiden.
man muoz mit disen beiden
êre unde lop erwerben
oder âne sî verderben.
von den diz senemaere seit,
und haeten die durch liebe leit,
durch herzewunne senedez clagen
in einem herzen niht getragen,
sone waere ir name und ir geschiht
sô manegem edelen herzen niht
ze saelden noch ze liebe komen.
uns ist noch hiute liep vernomen,
süeze und iemer niuwe
ir inneclîchiu triuwe
ir liep, ir leit, ir wunne, ir nôt;
al eine und sîn si lange tôt,
ir süezer name der lebet iedoch
und sol ir tôt der werlde noch
ze guote lange und iemer leben,
den triuwe gernden triuwe geben,
den êre gernden êre:
ir tôt muoz iemer mêre
uns lebenden leben und niuwe wesen;
wan swâ man noch hoeret lesen
ir triuwe, ir triuwen reinekeit,
ir herzeliep, ir herzeleit,
Deist aller edelen herzen brôt.
hie mite sô lebet ir beider tôt.
wir lesen ir leben, wir lesen ir tôt
und ist uns daz süeze alse brôt.
Ir leben, ir tôt sint unser brôt.
sus lebet ir leben, sus lebet ir tôt.
sus lebent si noch und sint doch tôt
und ist ir tôt der lebenden brôt.

(ca.1210)