Die Dinge, die ich anders sehe denn der morgen ist kein wunderbares erwachen sondern neues leid in einem kerker aus licht … ich seh den himmel nicht mehr blau sondern rot ich stehe auf und beginne den tag … die frisch gewaschenen finger werden schlangen, winden sich auf dem leib. ich breche auf und geh … mein weg ist ein tiefer werdender fluss. mich zu begrüßen kommen die menschen auf mich zu … doch ich lächle die steine an mit händen und füßen. Übersetzt von Joachim Röhm Von William
Read More Hochverrat Ich liebe mein Vaterland nicht. Sein abstrakter Glanz ist ungreifbar. Aber ich würde ( obwohl es schlecht klingt) mein Leben geben für zehn seiner Orte, für bestimmte Leute, Häfen, Wälder, Wüsten, Festungen, für eine zerstörte, raue, monströse Stadt, für einige Gestalten seiner Geschichte, für Berge und – drei oder vier seiner Flüsse. Übersetzt von Leopold Federmair Ende Januar 2014 ist in Mexiko-Stadt der Schriftsteller, Essayist und Poet José Emilio Pacheco gestorben. In Deutschland war es eine Nachricht, die irgendwo versteckt in den Feuilletons platziert war. In der spanischsprachigen
Read More Ode an das Danke Dank an das Wort, das Dank sagt. Dank an das ‚Danke‘, weil das Wort Schnee schmilzt oder auch Eisen. Bedrohlich sah die Welt aus, solange nicht das ‚Danke‘ mild wie eine helle Feder oder süß wie ein Blütenblatt aus Zucker von Lippe zu Lippe sprang, mal groß, aus vollem Mund, mal kaum hörbar geflüstert, so war das Wesen wieder Mensch und kein Fenster, so fiel ein wenig Licht in den Wald, und unter den Blättern ließ es sich singen, ‚Danke‘, du bist die Pille gegen den
Read More fünfziger syndrom und kaum war das kleine Land dem grossen krieg ohne zerstörung entkommen begannen seine bürger beflügelt vom fleiss der ihnen schon immer nachgesagt wurde friedlich und freudig mit der zerstörung des landes. Aus aktuellem Anlass ist es mal wieder geboten, an die „andere Schweiz“ zu erinnern… In der Schweiz finde, so vernehmen wir es von den Umfrageinstituten, der chauvinistische Populist Blocher ganz besonders bei der älteren Generation Unterstützung. Es seien gerade die älteren Eidgenossen, die sich trotzig gegen eine weitere Weltöffnung der Schweiz sperren und einem Blocher
Read More The Sleepout Childhood sleeps in a verandah room in an iron bed close to the wall where the winter over the railing swelled the blind on its timber boom and splinters picked lint off warm linen and the stars were out over the hill; then one wall of the room was forest and all things in there were to come. Breathings climbed up on the verandah when dark cattle rubbed at the corner and sometimes dim towering rain stood for forest, and the dry cave hunched woollen. Inside the forest
Read More Do Not Go Gentle Into That Good Night Do not go gentle into that good night, Old age should burn and rave at close of day; Rage, rage against the dying of the light. Though wise men at their end know dark is right, Because their words had forked no lightning they Do not go gentle into that good night. Good men, the last wave by, crying how bright Their frail deeds might have danced in a green bay, Rage, rage against the dying of the light. Wild men who
Read More Zukunftspläne Jeder, der einen Sohn großzieht, wünscht diesem einen klaren Verstand. Ich nicht! Schließlich brachte mir mein wacher Geist ein Leben lang nur Verdruss. Viel lieber hätte ich daher einen völlig unbedarften Jungen, der ein sorgenfreies Dasein am Ende mit einem Ministerposten krönt. (um 1080) Beiläufige Notiz Einsam und allein bin ich: ein kranker Greis, das weiße Haar zerzaust wie Reif im Wind. Kräftig ist nur die Farbe im Gesicht: zur Freude meines Sohnes, der mich zum Lachen bringt, weil er nicht merkt, dass dieses Rot vom Trinken rührt. (entstanden
Read More Gedicht Zerstörte Landschaft mit Konservendosen, die Hauseingänge leer, was ist darin? Hier kam ich mit dem Zug nachmittags an, zwei Töpfe an der Reisetasche festgebunden, Jetzt bin ich aus den Träumen raus, die über eine Kreuzung wehn. Und Staub, zerstückelte Pavane, aus totem Neon, Zeitungen und Schienen dieser Tag, was krieg ich jetzt, einen Tag älter, tiefer und tot? Wer hat gesagt, dass sowas Leben ist? Ich gehe in ein anderes Blau. Ein kurzer autobiographischer Exkurs ist unumgänglich: Brinkmann wie der Schreiber dieser Zeilen stammen aus Südoldenburg. Aber wo
Read More ENVOI Lebt wohl, Wörter. Ich mochte euch nie, der ich Dinge und Orte mag und Leute am liebsten mit geschlossenem Mund. Geht aus und verlauft euch in einer plappernden Welt, seid weniger als nichts, seid ein Vakuum, vor dem sich Wörter hüten, daß es sie nicht durch Saugen, seine einzige Kraft hineinzieht. Das mag ich an euch, Wörter. Selbstzerstört, selbstaufgelöst werdet ihr getreu. Welchem Sinn? Sagt mir das, Wörter. Lauft, dann folge ich euch, um euch nie einzuholen. Kehrt um, dann laufe ich. Also lebt wohl. Michael Hamburger Ein Übersetzer
Read More Ohne Titel Ich, um zu geben nur Worte hab ich bereit nur das Gedicht das Atemkleid. Die hab ich gebreitet über die Insel ein tiefblauer weiter beständiger Himmel. Dann wehte der Jahreswind der Nord oder West das Sein bleibt nicht fest und sie schwinden. Übersetzt von Riccardo Caldura, Maria Fehringer und Peter Waterhouse Wie entdeckt man eigentlich Dichter und ihre Gedichte? Vielleicht auf Umwegen über die Werke anderer Schriftsteller, wo man zum ersten Mal den Namen eines unbekannten Dichters liest. Die lange Reise von Claudio Magris entlang der Donau
Read More Superlativ Ich lebte im goldensten Zeitalter, in der glücklichsten Gesellschaft, im gerechtesten System, unter der weißesten Lehre, mit der höchsten Moral, in der ewigsten Freundschaft, mit Blick auf die herrlichste Zukunft. Den komparativ habe ich übersprungen, ich gelangte direkt in den Superlativ. Stets mußte das Lächeln am glücklichsten strahlen, der Moment war der historischste, der Feiertag der feierlichste, der Fortschritt der fortschrittlichste. Ich glaube an den reinsten Glauben ich loderte mit der loderndsten Flamme: Wie oft stellte ich mich auf Zehenspitzen, um die höchste Latte einmal zu überspringen. Ich weiß
Read More Arte Poética Entre tantos oficios ejerzo éste que no es mío, como un amo implacable me obliga a trabajar de día, de noche, con dolor, con amor, bajo la lluvia, en la catástrofe, cuando se abren los brazos de la ternura o del alma, cuando la enfermedad hunde las manos. A este oficio me obligan los dolores ajenos, las lágrimas, los pañuelos saludadores, las promesas en medio del otoño o del fuego, los besos del encuentro, los besos del adiós, todo me obliga a trabajar con las palabras, con la
Read More Ars Poetica Dreißig Meilen zum einzig anständigen Restaurant war nichts, ein Lidschlag im langen stumpfen Starren Wyomings. Auf halber Strecke schrie der unbekannte, aber schrecklich wichtige Essayist: Stop! Ich muß da rein; und lief fünfzehn Meter ins Land, ehe der Himmel auf ihn stürzte und er gelaufen kam, rief: Gott – da ist nichts da draußen! Einmal traf ich einen australischen Schriftsteller, der mir sage, er habe nie kochen gelernt, weil es kreative Energie koste. Am liebsten wäre er stumm gewesen; er stapelte die Seiten; er betrat jeden Tag mit
Read More Agli amici Cari amici, qui dico amici Nel senso vasto della parola: Moglie, sorella, sodali, parenti, Compagne e compagni di scuola, Persone viste una volta sola O praticate per tutta la vita: Purché fra noi, per almeno un momento, Sia stato teso un segmento, Una corda ben definita. Dico per voi, compagni d’un cammino Folto, non privo di fatica, E per voi pure, che avete perduto L’anima, l’animo, la voglia di vita: O nessuno, o qualcuno, o forse un solo, o tu Che mi leggi: ricorda il tempo, Prima che s’indurisse
Read More L’idea centrale È venuta in mente (ma per caso, per l’odore di alcool e le bende) questo darsi da fare premuroso nonostante. E ancora, davanti a tutti, si svegliava tra le azioni e il loro senso. Ma per caso. Esseri dispotici regalavano il centro distrattamente, con una radiografia, e in sogno padroni minacciosi sibilanti: «se ti togliamo ciò che non è tuo non ti rimane niente» Der zentrale Gedanke Er kam ihm in den Sinn (doch zufällig, weil es nach Alkohol und Verbänden roch), dieses sorgsame Bemühen, trotzdem. Und wieder,
Read More Das Salz der Sprache Höre, höre: ich habe noch etwas zu sagen. Es ist nicht wichtig, ich weiß, es wird nicht die Welt retten, wird niemandes Leben ändern – aber wer ist heute imstande, die Welt zu retten oder auch nur den Sinn irgendeines Lebens zu verändern? Höre mich an, ich halte dich nicht auf. Es ist wenig, wie der Nieselregen, der langsam herniederrinnt. Es sind drei, vier Wörter, wenige mehr. Wörter, die ich dir anvertrauen will. Damit ihr Licht nicht erlischt, ihr kurzes Licht. Wörter, die ich sehr geliebt
Read More gedichte fange ich mit dem schmetterlingsnetz im morgengrauen auf den donauklippen sing ich die schiffer herbei die bunte wäsche auf den kähnen bezaubert mich sie erschrecken nehmen mich nicht mit ans schwarze meer mein buchstabenzelt schlage ich auf in der wüste sie blüht ich rase auf einer weißen schüssel durch die landschaft blumen wiesen kühe spritzen links und rechts weg Als Nachtrag zum Sprachsalzfestival (siehe Bericht) vier Gedichte der Lyrikerin Waltraud Haas zum Selbstlesen und Nachspüren ihres einzigartig meditativen Zaubers. Sie stammen aus dem Band „Selbstporträt
Read More Selbst die Bäume Selbst die Bäume draußen spüren es, die feinen Zweige ihr sechster Sinn der Gnade, sie biegen sich in den Wind hinein und bitten um Verzeihung, die in einem Sturm kommen soll, und treten der Versammlung des Schweigens bei; dem großen Zeugen. Ein Mann, an einem Baum gebunden und ausgepeitscht, arbeitete nie wieder auf den Baumwollfeldern. Im frühen Licht, dem zarten Knochenlicht, das Herzen brach, fegte ein Lied von Feld zu Feld; das Gedächtnis einer Frau schritt Jahrhunderte ab, tiefer und tiefer, ein blaues Lied im Klopfen ihres
Read More Gedicht Ich könnte von Kriegen erzählen, von Göttern, die sich aus Langeweile das Leben ausdachten, von Igeln in meinem Garten, von mir. Ich könnte von einem Mann erzählen, der die Lesarten des Unglücks studiert wie ein rumänischer Philosoph. Auch mit Lorbeer kann man Dämonen vertreiben. Aber lieber die Klappe halten, die Stille ist laut genug. Ob Michael Krüger in den Kanon der „Weltlyrik“ gehört? Geschenkt, lassen wir diese dumme Frage. Ihn würde eine Antwort am wenigsten interessieren. Aber die Frage, warum er als Verleger in den letzten Jahrzehnten ein so
Read More An den Reporter Schreib auf, so viel Du kannst, Mein Freund, Aber berichte der Welt nicht nur Die Zahl der Getöteten Auf den goldenen Feldern Slawoniens. Weil eine Zahl keinen Namen hat Und keine geraubte Zukunft Berichte der Welt, Es waren Johann und William Und Victor und Francesco, Die getötet wurden, Mitten in Slawonien, Und dass Gabriel und György Und vielleicht auch Du Morgen getötet werden. Schreib auf, soviel du kannst, Mein Freund, Aber berichte der Welt nicht nur Die Zahl der Getöteten Auf den blutenden Feldern Slawoniens. Slavko Bronzic‘
Read More Dichterlesung in Còrdoba Wie sie träumen, die Leute – Sie mit den beigen Stiefeln, die Fotos macht vom Tisch mit dem lachsroten Tuch, sechs kleine Flaschen Mineral, sechs Mikrophone, wo später die Dichter hinkommen mit ihren druidischen Worten. Klein der Saal, spanische Stimmen, verputzte Wände, Gezwitscher von tausend Vögeln, die auf Gedichte warten, Reiher, Bussarde, Krähen, Spatzen, bis die Stille herunterschneit und die heiligen Amseln beginnen. Übersetzt aus dem Niederländischen von Ard Posthuma. Als Lyriker war der niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom bislang im deutschen Sprachraum kaum bekannt. Dabei hat
Read More Das Leben ist immer anderswo Selten nur ist eine Treppe derart eng, steil und gefährlich wie in diesem Fall. Du gehst sie vor meinen Augen seelenruhig nach getaner Arbeit hoch. Rückblickend ins Atelier ist es auf dem Bild das Kleid nur, das noch zuckt. Denn der Körper ist woanders. Wo ist er? Das sag ich später dir, dreh dich nicht um jetzt, sieh, da kommt die letzte Stufe. Aus dem Bulgarischen von Andreas Tretner Wie wenig wir doch wissen von der zeitgenössischen Kultur aus Ländern, die von uns einmal
Read More Ich mache Verse, meine Herren! Ich mache Verse, meine Herren, mache Verse, mag aber nicht leiden, wenn man mich Poetin nennt, trinke lieber einen Wein, so wie die Maurer, hab eine Zugehfrau, die mit sich selber spricht. Diese Welt, die macht sich ulkig, Dinge gibt’s, ihr Herren, die trag ich hier nicht vor, Fälle gibt’s doch nicht mal Ställe zum Wohnen für die Armen, ohne Abstandsgeld. Nach wie vor sind da die Ledigen mit ihrem Hündchen, nach wie vor sind da die Eheherren mit der Geliebten, noch immer sagt den
Read More Der Interpret Er bekommt keine Briefe, hinterläßt keine Nachsendeadresse; nimmt ohne Ausweis und ohne Reiseziel Flüge auf verlassenen Rollbahnen. Er interpretiert Zeichen, die längst niemanden mehr kümmern; er jagt entweichenden Horizonten der Welt hinterher, die einst Heimat war. Seine Hände zittern, seine Schuhe sind abgeschlurft, sein Geist ist gespalten in Zonen unaufgesprengter Muscheln. Eines Tages wird er die Paßwörter vergessen: Falltüren werden gähnen zwischen seinen Substantiven und den Dingen, die sie benennen. Aus dem Englischen übertragen von Jürgen Brocan Dichter wie den 1969 in Bombay geborenen Ranjit Hoskotè sind
Read More Die Geschichte von Ödipus Er hatte versucht, die Rätsel zu lösen, die Dunkelheit zu erhellen in der sich alle bequem einrichteten so sehr sie sie auch bedrückt. Er erschrak nicht vor dem, was er sah, sondern vor der Weigerung der anderen es einzugestehen. Würde er immer die Ausnahme bleiben? Er ertrug die Einsamkeit nicht mehr. Und um seine Nächsten zu finden stach er sich die zwei Stifte tief in die Augen. Doch wieder erfasste er mit dem Tastsinn die Dinge, die niemand sehen wollte. Titos Patrikios Übersetzt von Anna Lazaridou
Read More Posted On Mai 29, 2013By Carl Wilhelm MackeIn Litmag, Lyrik
In deinem Zimmer Und vielleicht nur das: gelassen sein auf dem Boden oder Bett in deinem Zimmer, nicht traurig, auch nicht froh, ein Lied summend mit leiserer Stimme, schauend, wie du gehst und kommst, dich kämmst und lachst und weinst, was kochst und kostest und dann meinst, du wärest nicht mehr hungrig. Aus dem Hebräischen übersetzt von Ehud Alexander Avner. Obwohl 1930 in Berlin geboren und mit seinem literarischen Werk eng der jüngeren deutschen Literaturgeschichte verbunden, gibt es von dem heute in Israel lebenden Lyriker und Übersetzer Natan Zach
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