Wer liest, sammelt Sätze. Manchmal bewußt. Manchmal ist ein einziges Wort ausschlaggebend: hartnäckig taucht es immer wieder auf. Fliege, zum Beispiel. Oder Mitternacht. Oder Asphalt. In ganz unterschiedlichen Büchern und Zusammenhängen, bei ganz unterschiedlichen Schriftstellern. Solche Fliegensätze oder Mitternachtssätze oder Asphaltsätze finden, immer elf an der Zahl, in der Serie ‚Spielwort‘ ihren Platz. Ein Spaß, ein Zeitvertreib. Und eine andere Art, auf Bücher zu deuten. Spielwort: Ohren Elf Zitate zusammengelesen von Ingrid Mylo Nun aber begriff er den eklatanten Unterschied zwischen einem Ohr, das allein dazu bestimmt war, bedeutsame Dinge zu
Read More Anmerkungen zu einer Ästhetik des Kriminalromans Kriminalromane, die der bloßen Unterhaltung dienen, erfüllen ihren Zweck. Der Zusatz „Roman“ erscheint dabei überflüssig, Krimi genügt vollauf als Genrebezeichnung. Entweder wir nehmen die Figuren einer Geschichte als Menschen wahr oder als herausgeputzte Puppen. Ich mag herausgeputzte Puppen (jedweden Geschlechts), besonders, wenn sie in einer spannenden, clever gebauten Geschichte agieren, die mich stunden- oder tagelang bei Laune hält und mir das Gefühl vermittelt, Teil eines funktionierenden Spiels zu sein, an dessen Ende ich mich überrumpeln lassen darf. Dann staune ich über die Tricks, die
Read More Gerne und oft Friedhofsluft Mein überschaubarer Heimatort war, aus welchen Gründen auch immer, Standort des größten Friedhofs der Schweiz. Ich weiß es nicht genau, aber ich bin ziemlich sicher, dass die Zahl der Toten auf dem Gemeindegebiet die der Lebenden bei weitem überstieg. Auf jeden Fall nahm der Friedhof eine größere Fläche ein als die gesamte Innenstadt – von uns nur „das Dorf“ genannt. Trotz dieser räumlichen Präsenz hatte der Ort für mich als Kind nie eine Rolle gespielt. Eine Grünfläche mit Grabsteinen, umgeben von einer hohen Mauer – der
Read More Culturmag Special SHUT DOWN 2020 EYES WIDE SHUTDOWN Die Kamera macht erstmal auf dann zu. Schwarzlichtblitze. Unsehbare Lichter und unsichtbare Tiere schnappen nacheinander. Nach ein ander in der Nacht. Vorschnell wie der Tod, das weiche Fellchen mit den großen Augen. Frei, in den gedehnten Subsekunden, bevor die mediale Messung – shut, shutter, Shutdown – stoppt. Eine Frage der Verschlusszeit und Auslösehäufigkeit. Nur scheinbare Quarantäne in dieser ultraschnellen Registrierung. Still, nicht blinzeln! Nicht die Augen reiben! (Infektionsgefahr!) Und so genannte Erdzeitalter, nach dem Menschen, wären noch nicht mal einen Wimpernschlag des
Read More Stella suckling Emily 1 bild / 100 worte – “Ich lese Emily Dickinson”, schreibt Robert Hass, „und denke darüber nach, dass damals fast immer Frauen Sterbende in den Tod begleiteten.“ – Auf nach Amherst! – „Wenn mir von einem Buch so kalt wird, dass kein Feuer mich je wärmen könnte, dann weiß ich, dass es Poesie ist.“ So sprach your Gnome zu Thomas Wentworth Higginson. – Welcher Vater kann wissen, wohin er seine Kinder treiben wird … welche Mutter …? – „Ich erkenne Poesie daran, dass es sich beim Lesen
Read More P. B. Fuchs: No Escape „Wer vorgibt, den Tod nicht zu fürchten, lügt!“, sagt Rousseau. Sie hätten keine Angst, sagen mir Freunde, die ich befrage. Lügen sie mich an? „Alle sprechen sie, als hätten sie noch Zeit, selbst wenn sie wissen, sie könnten bereits jetzt und jetzt keine mehr haben…“ (Hendrik Jackson, Panikraum) „Warum sollte man vor etwas Angst haben, was unumgänglich ist?“ oder „Vorher war man schließlich ein Nichts, und danach ist man das eben auch: ein Nichts.“ Gängige Antworten, wenn ich weiter insistiere. Nihilismus. Nichts als „kalte Masse“
Read More Tod & Glück Den vierten Roman der Josef-Bloch-Reihe von Hans Zengeler hat Anne Kuhlmeyer begeistert gelesen: Ab 50 bist du fast tot, ab 60 ganz tot, ab 70 bist du mausetot – je nach geburtsdatumsbedingter Perspektive. Und wenn nicht tot, dann weg, unsichtbar, weil grau, faltig und krank, inkompetent sowieso, niedlich geradezu. Ist nicht das Alter der Schrecken derer, die Jugendlichkeit als Existenzbeweis vor sich her tragen müssen? Josef Bloch hat sich mutig hineingetraut ins Senium, mit seiner Ira, der Nicht-Ehefrau seit einem Vierteljahrhundert. Doch im vierten Band der Romanreihe
Read More Nachtgewächs 1 bild / 100 worte Charles Bowden erzählt von dieser Blume in einem Essay über den Tod von Freunden und das Genießen der Sinne, und wir möchten gleich in die Wüste fahren um sie zu erleben… sie öffne sich nur in den heißesten Nächten. „Sie ist schamlos, absolut schamlos…“ Natürlich wollen die Toten nicht allein sein, also ziehen sie uns mit sich, und wer weiter leben will, gräbt sich mühsam einen Weg zurück. Es hilft Kochen, Essen, Sein. So Bowden – oder so ähnlich. Nun ist er selbst von
Read More In Demut Gerade im Frühling, wenn die Säfte fließen, ist es Zeit für ein demütiges memento mori. Und wer könnte das besser als Carlos: Ich habe eine neue Lieblingsseite! TRAUERSPRÜCHE.de Hier finden sich kostenlos und für jedermann herrliche Weisheiten: An meinem Grabe Da steht ihr nun, wollt mich betrauern ihr glaubt, dass ich gegangen bin: ihr mögt vielleicht zunächst erschauern – doch schaut einmal genauer hin. […] (Geht noch sehr lange weiter.) Heinz Rickal – vorgeschlagen von Heinz Rickal Gelegentlich sind die Texte fast experimentell: Du gingst ganz still mit
Read More