Deep Fall – Highlife Seit 2020 verbinde ich Golf irgendwie mit dem Ende. Nicht mit dem sprichwörtlichen Ende des Sexlebens (obwohl auch dieses bei mir momentan bracher nicht liegen könnte), sondern mit dem Ende der Ausübung meines Berufs. Die gerade begonnene Theatertournee vor etwas über einem Jahr endete in einem Golfhotel in Luxemburg. Dort waren wir untergebracht, als wir unsere vorläufig letzte Vorstellung spielten, bevor die Theatersäle auch in Luxemburg geschlossen und wir in einem proppenvollen Flugzeug in den Lockdown geschickt wurden. Diese prekäre, ja existentiell bedrohliche Zeit in einem
Read More Save the Bratwurst 1.„Sind Sie sicher, daß Sie die Erhaltung des Menschengeschlechts, wenn Sie und alle Ihre Bekannten nicht mehr sind, wirklich interessiert?2. Warum? Stichworte genügen.“ (Max Frisch, „Fragebogen“) Irgendwann Anfang September entschied ich mich zu einer freiwilligen Quarantäne. Meine Spaziergänge waren mehr und mehr zu einem Risikofaktor für Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und spontane Depressionen geworden. Zwar scheint das Prinzip Photoshop langsam auch bei Wahlplakat-Gestaltern angekommen zu sein – die abgebildeten Menschen sehen zwar alle irgendwie gleich aus, aber wenigstens nicht mehr so oft wie Serienkiller oder ein Mensch gewordenes Manifest
Read More Gerne und oft Friedhofsluft Mein überschaubarer Heimatort war, aus welchen Gründen auch immer, Standort des größten Friedhofs der Schweiz. Ich weiß es nicht genau, aber ich bin ziemlich sicher, dass die Zahl der Toten auf dem Gemeindegebiet die der Lebenden bei weitem überstieg. Auf jeden Fall nahm der Friedhof eine größere Fläche ein als die gesamte Innenstadt – von uns nur „das Dorf“ genannt. Trotz dieser räumlichen Präsenz hatte der Ort für mich als Kind nie eine Rolle gespielt. Eine Grünfläche mit Grabsteinen, umgeben von einer hohen Mauer – der
Read More Der Krimi – ein Traum Tobias Gohlis schreibt seit 20 Jahren die Krimi-Kolumne in der Wochenzeitung DIE ZEIT, Gelegenheit für ein paar Fragen und Antworten, vernommen hat ihn Krimi-Autor Robert Brack. Seit zwanzig Jahren Krimi-Kolumnist für DIE ZEIT – das klingt beinahe seriös und nach großem Einfluss. Wie weit reichen deine Seriosität und dein Einfluss? Meine Seriosität verhält sich umgekehrt proportional zu meinem Einfluss. Wie wird man Krimi-Kritiker? Mich hat mal eine Redakteurin von NDR-Kultur in einem (sehr guten, ernsthaften) Interview gefragt, ob ich nur deshalb Autor von Kriminalliteratur geworden
Read More Opfer oder nicht Opfer, das ist hier die Frage … Seit einem Jahr erscheint hier jeden Monat ein Text von mir, und es wird Zeit für ein Geständnis: Kein Wort von alldem habe ich selbst geschrieben. Also geschrieben im Sinne von getippt natürlich schon – der tollste Mann der Welt hat ja überhaupt keine Hand frei. Er sitzt in einem mit Familienwappen bestickten, seidenen Morgenmantel breitbeinig in seinem Cis-Mann-Sessel – in der einen Hand ein Glas Whisky, in der anderen eine Zigarre – während er mir seine neusten, höchst genialen
Read More In eigener Sache In schlappen acht Monaten als Kolumnistin habe ich es geschafft: Ich bekomme Nachrichten von Menschen, die ich nicht kenne. Sogar zwei anonyme E-Mails waren dabei! Leider sind es keine Drohungen, Beschimpfungen oder lukrative finanzielle Angebote unter der Bedingung, dass ich die Schreiberei sein lasse. (Falls sich jemand von Letzterem inspiriert fühlen sollte: Meine Mailadresse ist ziemlich leicht rauszukriegen…) Das wäre ja eine Auszeichnung. Nein, es handelt sich um Lob und Bewunderung. Allerdings irritiert mich das häufigste Lob ehrlich gesagt mehr, als es jede Kritik könnte: Ich, beziehungsweise
Read More Diktatur und Dreck Wenn ich Diktatorin wäre, hieße meine Diktatur die „Die-da-Diktatur“. Erstens, weil es lustig klingt, und zweitens, um ganz klar zu machen, dass ich nicht „die da oben“ bin. Schließlich soll mir das Volk nicht die Schuld für all sein Unbill in die Schuhe schieben, es soll mich lieben, verehren und lobpreisen – wozu hält man sich denn sonst so ein Volk? In meiner „Die-da-Diktatur“ wären „Meine eigenen Bedürfnisse ernst, mich selbst nicht so ernst nehmen“, „Ein trefflicher Mitmensch sein“, „Zuhören“ und „Warum ich nicht der Nabel der
Read More Mit Erich in der Zeitmaschine Das Schöne an saisonal bedingten Depressionen ist, dass man sie eigentlich immer haben kann, denn es ist ja immer irgendeine Saison. Trotzdem ist es nicht gerade die leichteste Übung, die schwarze Wolke, die mich im Moment durch meine Tage begleitet, mit der Saison „wunderprächtigster Altweibersommer“ zu begründen. Mein Stimmungstief im Spätsommerhoch ist wahrscheinlich eher darauf zurückzuführen, dass ich meine Zelte in Berlin bald abbrechen muss, um mich bis Ende Januar auf eine Theatertournee zu begeben. Ein Luxusproblem, nicht nur in diesen besonderen Zeiten. Schon vor
Read More Marie Kondo in Pankow Ich knie auf unserer Terrasse. Ich trage einen Strohhut und Gartenhandschuhe und kratze mit einem Unkrautstecher (bis vor wenigen Tagen wusste ich noch nicht einmal, dass es so etwas gibt) Erde, Löwenzahn und die Haare der Vormieterin aus den Fugen zwischen den Steinplatten. Neben mir trocknen weiße Blusen, weiße Kleider und weiße Röcke im lauen Pankower Spätsommerwind. Ich grusle mich etwas vor mir selbst: Wäsche trennen…?! – In meinem Vorleben, in dem Haushalt und Wohnen euphemistisch ausgedrückt eine untergeordnete Rolle gespielt haben, war meine Auslegung von
Read More Autumn in America, and comes now a bumper crop of bullet-ridden corpses and exposés of child rape and long-ignored lechery—accompanied by sanctimonious sympathy, a mountain of mendacity, and a horde of hypocrisy. Consider: Bang-bang and ho-hum. Machine gun massacres in October and the first part of November, in Nevada and Texas, yielded a body count of eighty-five. The carnage inspired the usual gang of cheap Washington politicians to offer “thoughts and prayers” to families mourning the loss of victims gone to Heaven (or Hell)—in lieu of common sense legislative action
Read More SEBASTIAN GORKA, high-level White House assistant to Donald Trump, wore his Hungarian “bocskai” to the January 20 presidential inauguration balls in Washington. The braided black tunic is popular with modern-day acolytes of Miklós Horthy, the nazi collaborationist leader whose Budapest regime saw the murders of 600,000 Jews. A medal pinned to Mr. Gorka’s tunic (close-up at right) indicates his affection for the “Order of Vitéz,” a chivalric fraternity begun by Horthy in 1920, popular once again with members of Hungary’s ultra-right political movement—the Jobbik Magyarországért Mozgalom. At the January balls,
Read More John Harvey on starting a new novel with Frank Elder “Now it is necessary to get to the grindstone again.” Ernest Hemingway, 1938 “So there is this pressure now, on every sentence, not just to say what it has to say, but to justify its claim upon our time.” Renata Adler: Pitch Dark Two quotations which were very much in mind at the end a week in which I began writing a new book for the first time since I set out on the road to Darkness, Darkness back in 2013. Not another Charlie
Read More Ein Sonntagabend: Sie hat gesagt, er hat gesagt, und einen herzlichen Dank an uns alle. Mein Leben mit Allah – Warum radikalisieren sich immer mehr junge Menschen? Die Moderatorin blickt mit hoch erhobenen Kopf (sprich: selbstbewusst) in die Kamera: Guten Abend, meine Damen und Herren, willkommen zu unserer Sendung. Auch wir haben gemeinsam den ‚Tatort‘ gesehen – der kein klassischer „Tatort“ war, eher ein Thesenfilm, aber gut, warum nicht? Aufgrund eines SZ-Artikels von der knallhart auf Quote getrimmten NDR-Redaktion Fernsehfilm an die Dienstleister Buch & Regie in Auftrag gegeben, heißes Thema,
Read More Gelesen. Gehört. Gesehen (11) Es sind die Jahre, in denen die Söhne ihre Väter fragen, wo sie im Krieg gewesen sind und was sie getan haben: „Warst du dort ein anderer als zu Hause? Hast du nie deine Familie an die Wand gestellt, nie deinen Sohn getroffen, wenn du abgedrückt hast?“ Das fragt der eine (Philipp Luidl) und bekommt keine Antwort. Und ein anderer prügelt auf seinen Vater ein, weil er mit dem Blick auf ihn die „Veranlagung zu Grausamkeit und Heimtücke“ in sich selbst erkennt (John Fante). Es sind die Jahre, in dem einem die großen
Read More ‘Waist Deep in the Big Muddy’ – American Empire, R.I.P. ‘Waist Deep in the Big Muddy’ American Empire, R.I.P. By Thomas Adcock Copyright © 2015 – Thomas Adcock NEW YORK CITY, near America Wither the United States of America? Apparently, the linchpin of U.S. foreign policy is inchoate war; it seems hardly to matter where. And here at home, one-half the longstanding governing structure of two broad-based political institutions implodes before our eyes. As world history suggests, these may be heralds of an end to imperial America. Tellingly, the most
Read More Es ist seine letzte Kolumne geworden. Carlo Schäfer, den CrimeMag-Leser als Carlos kennen und ohne den wir uns unser Magazin nie vorstellen konnten, ist im Alter von nur 51 Jahren überraschend gestorben. Einen Nachruf – welch ein schreckliches und schrecklich trauriges Wort – von Thomas Wörtche finden Sie auf der Startseite. So hat Carlos sich noch Ende August 2015 geäußert: Nix mit Friede, Freude, Eierkuchen. Die künftig monatliche Erscheinungsweise von CrimeMag stachelt Carlos erst recht zum Widerspruch auf. Jetzt schlägt’s dreizehn Nun also: CrimeMag wird vom mitunter havarierenden Schnellboot zum
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